Pop - Starken Songs und expressiver Gesang

Die Band Provinz begeistert bei Picknick-Konzert in Ladenburg

Von 
Martin Vögele
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Überzeugen in Ladenburg ohne große visuelle Mätzchen, sondern durch die Kraft ihrer Instrumentalisten der Indie-Pop-Formation Provinz. © Marcus Schwetasch

Ladenburg. „Authentisch“ ist ein oft als Qualitätskriterium bemühtes, aber ebenso oft auch wenig aussagekräftiges Wort im Pop-Kontext. Jedenfalls bezeichnet es keinen Wert an sich in einer Kunst-Sparte, in der das Artifizielle mitunter die bedeutendsten Beiträge hervorgebracht hat (Stichwort: David Bowie).

Aber es liegt darin eine Sehnsucht nach einer ungekünstelten Aufrichtigkeit, die Zierrat und Pomp nicht braucht, um etwas Besonderes zu sein, um beim Zuhören etwas Besonderes zu bewirken. Der Indie-Pop-Gruppe Provinz gelingt das.

Jung und erfolgreich

  • Die Indie-Pop-Band Provinz wurde 2017 von Vincent Waizenegger (Hauptgesang, Gitarre), Moritz Bösing (Bass), Robin Schmid (Keyboard) und Leon Sennewald (Schlagzeug) gegründet. 2018 waren sie Teil des Bandpools der Mannheimer Popakademie. Ihr Debütalbum „Wir bauten uns Amerika“ kam 2020 auf Platz vier der deutschen Charts.
  • Die Premiere der Picknik-Konzerte wurde insgesamt von fast 7700 Gästen besucht. Fünf Shows waren ausverkauft: neben dem Abschlusskonzert von Deine Freunde am Sonntag auch die Shows von Bukahara, Milky Chance, Giant Rooks und Provinz.

Beim Open-Air-Auftritt im Rahmen der Ladenburger Picknick-Konzerte steht allein der Bandname auf dem Bühnenhintergrund, keine aufwendigen Animationen oder andere visuellen Spielereien begleiten die ausverkaufte Show vor 1200 Besucherinnen und Besuchern im Folgenden. Provinz bieten hier - nach einem einnehmenden Vorprogramm mit Sänger/Songschreiber Paul Weber und seiner Band - eine im besten Sinn authentische Synthese von Form, Geschichte und musikalischem Inhalt.

Ein Rückblick

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Die Songs der vier jungen Musiker, die alle aus dem kleinen Ort Vogt bei Ravensburg stammen (drei sind Cousins), scheinen oftmals unter Hochspannung zu stehen, bisweilen denkt man, die Band wollte sich geradewegs aus ihnen hinaus katapultieren, als würden alle angesammelten Emotionen nach einem Ventil suchen.

Das hängt nicht zuletzt mit der rau-glühenden Stimme von Sänger Vincent Waizenegger zusammen, die geradewegs so klingt, als wäre er jahrelang zur See gefahren und hätte sie im Ringen mit der Salzwassergischt geformt.

Dergleichen lässt sich nicht simulieren oder in die Musik hineinproduzieren, und damit sind Provinz vor allem auch ein willkommener musikalischer Gegenentwurf zum allzu häufig kuschel-hymnischen, von den eigenen Befindlichkeiten weihevoll ergriffenen Deutschpop, der einem seit vielen Jahren in den Ohren saust.

Zur Rhein-Neckar-Region, in der sie mit ihrem Picknick-Konzert-Auftritt reüssieren, haben Vincent Waizenegger, Bassist Moritz Bösing, Keyboarder Robin Schmid und Schlagzeuger Leon Sennewald zudem eine besondere Verbindung: 2018 waren Provinz Teil der 20. Generation des Bandpool-Förderprogramms der Mannheimer Popakademie gewesen; ein Vorspielen vor Labels und Booking-Firmen ebnete ihnen dabei den Weg zum Plattenvertrag mit Warner Music.

Im Folk verwurzelt

Eine erste EP wurde 2019 aufgenommen, dann folgte das Debütalbum „Wir bauten uns Amerika“, das 2020 bis auf Platz vier der deutschen Charts schoss. Album und Erstling-EP stellt das Quartett hier in Gestalt starker Songs wie „Verlier dich“, dem existenziell pulsierenden „Tanz für mich“, dem kernigen „Nur bei Dir“ oder dem im Refrain a-cappella vom Publikum mitgesungenen Stück „Was uns high macht“ vor.

„22 Jahre“ dagegen ist ein feiner, E-Piano-basierter Song über das Etwas-nicht-sagen-Können (konkret: „Danke“), der ebenso wie „Hymne gegen euch“, „Ich will dich wiedersehen“ und „Großstadt“ von der neuen EP „Zu spät um umzudrehen“ stammt. Mit „Verrate Deine Freunde“ präsentiert die Band überdies ein noch unveröffentlichtes Stück. Der folkig verwurzelte Pop-Sound von Provinz hat immer wieder stilistische Verweise auf Kollegen wie Mumford & Sons, Faber oder AnnenMayKantereit hervorgebracht, was auch nicht von der Hand zu weisen ist.

Tatsächlich wurde das Debütalbum von Produzent Tim Tautorat produziert, der unter anderem für AnnenMayKantereit und Faber an den Reglern saß. Auch bei der jüngsten EP arbeiteten die Vier wieder mit Tautorat zusammen. Aber Studioproduktion sind das eine, live vor Publikum zu spielen das andere. Und bei Letzterem überzeugen die Vier mit einem noch direkteren Energiezugang und ungeglättet lebendigem Sound.

In der Zugabe kulminiert das in der nachgerade mitreißenden Hymne „Wenn die Party vorbei ist“ und schließlich in der aufgewühlten, von Waizenegger mit brennendem Gefühl gesungen Ballade „Reicht dir das“. Vermutlich reicht es vielen Fans nach knapp eineinhalb Spielstunden noch nicht. Aber Dinge müssen eben enden, damit man sich auf das nächste Wiedersehen freuen kann.

Freier Autor

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