Musik

Deutsche Altrocker Guru Guru fordern die Rolling Stones heraus

In ihrem neuesten Werk "The Incredible Universe Of Guru Guru" brechen die Altmeister mit Traditionen und präsentieren eine innovative Fusion aus Krautrock, House und Pop

Von 
Georg Spindler
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Gehen mit Guru Guru neue Wege: Zeus B. Held (v. l.), Mani Neumeier, Roland Schaeffer und Peter Kühmstedt. © Frank Schindelbeck

Die Rolling Stones bekommen mächtig Konkurrenz. Und zwar aus Deutschland. In der Kategorie „Altrocker“ fordern Guru Guru Mick Jagger & Co. mit einem neuen Album heraus, das vor Energie nur so sprüht. Und nicht nur das: Auf „The Incredible Universe Of Guru Guru“ verblüfft die Band um Schlagzeuger Mani Neumeier mit ungewohnten, neuen Klängen. Es ist eines der originellsten Werke in der Geschichte der Gruppe.

Erste Rezensionen zum neuen "Guru Guru"-Album kritisch

Alte Krautrock-Fans hat die Platte schon gehörig verschreckt, wie ein Blick auf erste Rezensionen zeigt. Da gibt es keine langen Jam-Stücke und psychedelischen Ausschweifungen, stattdessen knackige Vier-, Fünf-Minuten-Titel mit viel Gesang, poppiger Anmutung, Sequenzer-Rhythmen und tanzbaren House-Beats. Es ist in jedem Ton zu spüren: Die Herren zwischen 72 und 84 wollen es noch einmal wissen.

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So ganz verleugnen sie ihre Herkunft aber nicht. Das Auftaktstück trägt seinen Titel „Free Krautrock!“ zu Recht. Es beginnt mit einem Anklang an Amon Düüls Klassiker „Soap Shop Rock“, ehe die Gurus mit brausenden Gitarren-Riffs, röhrender Hammond-Orgel und dunkel pulsenden Bass-Läufen druckvoll loslegen. Neumeier bringt mit seinen tänzelnden Schlagfolgen jene Jazz-Leichtigkeit ins Spiel, die der Band all die Jahre hindurch ihre rhythmische Einzigartigkeit verliehen hat. Neu sind die vielen Overdubs, es klirrt, klappert und schwirrt, der Bandchef hat seine Percussion-Kiste ausgepackt und es klingt gut.

Neuzugang Zeus B. Held bringt frischen Wind ins Quartett

Von da an geht es munter weiter, die nächsten Stücke beschwören mit frenetischen Gitarren-Sounds, hypnotischen Ostinato-Riffs und mantra-artigem Gesang die rauschhafte Euphorie vergangener Tage, aber das alles klingt konzis und kompakt. Es ist ein Band-Album geworden, bei dem niemand sich in den Vordergrund spielt. Das Quartett klingt „tight“: dicht, schlüssig, stringent. Man spürt das blinde Verständnis, das Roland Schaeffer (Gitarre, Holzblasinstrumente) und Peter Kühmstedt (Bass), beide seit gut 30 Jahren Bandmitglieder, mit Neumeier verbindet. Und Neuzugang Zeus B. Held (Tasteninstrumente), seit 2020 dabei, fügt sich bestens ein in das Gruppenkollektiv.

Rock-Legenden

  • Besetzung: Mani Neumeier (Schlagzeug, Gesang), Roland Schaeffer (Gitarre, Holzblasinstrumente, Gesang), Peter Kühmstedt (Bass, Gesang), Zeus B. Held (Tasteninstrumente Gesang).
  • Neues Album: „The Incredible Universe Of Guru Guru“ (Repertoire Records)
  • Konzerte: 15. März, Pfingstberg Festival, Pfingstbergschule Mannheim; 6. Juni, Karlstorbahnhof, Heidelberg.
  • Die Band: Guru Guru zählen zu den Pionierbands des deutschen Krautrock. Mani Neumeier, zuvor als Free-Jazz-Schlagzeuger bekannt, gründete die Gruppe 1968. Seither ist er die einzige personelle Konstante der Band, deren Besetzung vielfach gewechselt hat. Guru Guru machten sich durch improvisationsfreudige Rockmusik mit multi-ethnischen Einflüssen einen Namen.

Er hat einige erfrischende Ideen mitgebracht. „Guru Guru’s In The House“ heißt eines seiner Stücke, das mit Club-Beats hypnotische, tranceartige Energien freisetzt. Aber weil hier Guru Guru am Werk sind, sorgen schrille Saxofon-Einlagen und schwebende Gitarren-Schlieren für besondere Effekte. Danach setzen die Gurus noch einen drauf: In „Hold The Jelly“ ist Altmeister Arthur Brown als Gast mit dabei, dessen kratzig-rauer, stimmstarker Gesang klingt wie Tom Jones mit LSD-Vergangenheit. Dazu entfesselt die Band durch perkussive Einsprengsel von Orgel, Gitarre und Bass ein zündendes polyrhythmisch brodelndes Funk-Gewitter.

Das „unglaubliche Universum“ von Guru Guru, das der Albumtitel verspricht, schillert in allen Farben. Ohne Rücksicht auf Genre-Grenzen wirbeln auf dieser Platte die Stile vielfältig durcheinander. Auf „Woke“ ist es Schaeffers schrill sirrende Slide-Gitarre, die zunächst aufhorchen lässt, Held steigt mit fauchender Blues-Harp ein - aber Neumeier kontrastiert dies mit swingend leichtem Schlagzeugspiel, ehe Schaeffers schmachtendes Tenorsaxofon Nachtclub-Atmosphäre ins Spiel bringt. Eine irre Kombination.

„Das Ende aller Kriege“ schallt es aus den Lautsprechern

Auf „Life Is A Gamble“ schmachtet das Saxofon dann wieder; es ist ein eingängiges Reggae-Stück mit House-Beats und (bislang unerhört in der Bandgeschichte) Frauengesang von Maya Selima. Der Songtext beschwört Jimi Hendrix und Miles Davis, die einst musikalische Barrieren einrissen. Die Gurus tun es hier auch, Schäfers Saxofon sorgt für schräge Störklänge auf dem Dancefloor.

Und dann lassen Mani & Co. den 50 Jahre alten Klassiker „Der Elektrolurch“ wieder vom Stapel. Die „Mutation ’23“ wird von Computer-Beats vorangetrieben und von lodernder Gitarren-Pyrotechnik angeheizt, Neumeiers Stimme ist mit Hall und Echo unterlegt „Was ist dein größter Wunsch?“, schallt’s aus den Lautsprechern. „Das Ende aller Kriege“, lautet die Antwort. Und mit einem Mal ist die alte Hippie-Ideologie wieder ganz zeitgemäß.

Redaktion

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