Gedenktag - Amerikanischer Schriftsteller Herman Melville gilt als stilprägend – er wurde vor 200 Jahren geboren

Der inspirierte Schöpfer von „Moby-Dick“

Von 
Wolf Scheller
Lesedauer: 

„Wer steht denn über mir? Wahrheit kennt keine Grenzen.“ So spricht Kapitän Ahab zur Mannschaft des Walfängerschiffs Pequod in Herman Melvilles weltberühmtem Roman „Moby-Dick“ (im Original: „Moby- Dick; or, The Whale“) von 1851. Jahrzehntelang war dieser „unendliche Roman“, wie der Argentinier Jorge Luis Borges ihn genannt hat, aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Berichtet wird die Geschichte in der Ich-Form von Ishmael, einem Erzähler ohne Vorgeschichte oder erkennbare Verbindung zu anderen Menschen.

Melvilles Ahab will mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln jenen weißen Wal zur Strecke bringen, der ihn einst verstümmelt hat. Moby-Dick ist für Ahab „die Mauer, dicht vor mich hingestellt … er fordert mich heraus, er überhäufet mich.“ Von Ahabs erstem Erscheinen an tritt Ishmael als erlebendes Ich stark zurück, gewinnt aber später eine gewisse Überlegenheit, weil er sich im naturwissenschaftlichen Bereich über den Walfang, das Jagen und Erlegen bis zur Verarbeitung der Beute kundig gemacht hat.

Aber die Gestalt, die immer mehr in den in den Vordergrund rückt, ist Ahab, der sich auf keinerlei Grübeleien einlässt. Die Jagd auf Moby-Dick dauert nur drei Tage. Ein Boot nach dem anderen zerstört der weiße Wal. Vergeblich versucht die Mannschaft, Ahab von seiner wahnsinnigen Verfolgungsjagd abzubringen. Doch der bäumt sich weiter auf, bis er schließlich von seinem eigenen Harpunenseil in die Tiefe gerissen wird und noch sieht, wie die Pequod im Meer versinkt. Nur Ishmael überlebt die Katastrophe.

Besessene Figur gezeichnet: Ahab

Die Einflüsse von Shakespeare und der Bibel auf Sprache und Struktur des Romans ist evident. Vor allem aber auch eigenes Erleben und Erfahrungen, die der aus einer verarmten New Yorker Familie stammende Autor sammelte. Er ging früh zur See und geriet auf einem Walfänger auch in die Südsee, wo er die ihm völlig fremde Welt der Eingeborenen kennenlernte.

Nach seiner Rückkehr in die USA lebte er zunehmend vereinsamt in New York und schrieb neben seiner Arbeit als Zollinspektor zahlreiche Erzählungen, darunter die Geschichte von „Billy Budd“, die neben „Moby-Dick“ als sein zweites Meisterwerk gilt und die er noch in seinem Todesjahr vollenden konnte. Thomas Mann hat „Billy Budd“ als eine „der schönsten Erzählungen der Welt“gerühmt. Als Melville 72-jährig starb, nahm die Öffentlichkeit davon keine Notiz. Auch sein Erstlingswerk, die mythische Fabel „Typee“, sowie seine Romane „Mardi“, „Redburn“, „White Jacket“, „Pierre“, „Israel Potter“ und „The Confidence-Man“ waren längst vergessen oder verschwanden unter dem nach dem Ersten Weltkrieg neu wachsenden Ruhm im Schatten von „Moby-Dick“.

Diese weltpoetische Apologie des menschlichen Empörertums gegen die übermächtige Natur hatte Melville dem von ihm verehrten Nathaniel Hawthorne gewidmet. Bis in unsere Zeit aber können sich manche Leser mit der brachialen Spiritualität des Kapitän Ahab nicht anfreunden, der sich in seiner Rachsucht verliert und trotzig aus sich herausschreit: „Ich würde selbst die Sonne schlagen, wenn sie mich beleidigt.“

Er wehrt sich aber auch gegen den von ihm nicht erkannten Gott, nicht nur gegen die Tyrannei der Natur. Denn wie sein Schöpfer Melville ist auch Ahab Gnostiker. Ahabs Ähnlichkeit mit King Lear, seine Auftritte oft in szenischer Form, machen ihn gerade auch in seiner wütenden Verzweiflung zu einer ehrfurchtgebietenden Persönlichkeit, die wir nicht lieben, aber wegen ihrer Grandiosität bewundern.

Autor Herman Melville

Der Schriftsteller Herman Melville wurde am 1. August 1819 in New York geboren und starb im Jahr 1891 mit 72 Jahren.

Sein Erstlingswerk war die mythische Fabel „Typee“.

Melvilles berühmter und vielfach gedruckter Roman „Moby-Dick“ erschien 1851.

In „Moby-Dick“ bezieht Melville persönliche Erfahrungen mit ein: Viele Jahre war er Matrose, unter anderem in der Südsee und im Atlantik.

In der Geschichte „Moby-Dick“ werden Einflüsse von Shakespeare und der Bibel auf Sprache und Roman-Struktur deutlich.

Erst nachdem Melville verstorben war, wurden seine Werke wiederentdeckt. see

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen