Gabriele Maurer ist ein aufstrebendes Talent in der regionalen Musik-Szene. Im Interview erklärt die 23-Jährige, warum Jazz und Rassismuskritik für sie zusammengehören. Von Julia Brinkmann
Frau Maurer, wie sind Sie zum Saxofon-Studium an der Mannheimer Musikhochschule gekommen?
Gabriele Maurer: Ich bin in Laufenburg in Nähe der Grenze zur Schweiz aufgewachsen. Zuerst wollte ich Geige lernen, das war jedoch nicht so ganz meins – beim Saxofon war es dann aber Liebe auf den ersten Ton. Ich war in der Stadt- und Feuerwehrmusik Laufenburg aktiv, dann im Verbandsjugendorchester der Hochrhein-Region. Saxofon spielen wurde zu einem immer größeren Teil meines Lebens. Nach einem Jazz-Vorstudium in Basel habe ich mich unter anderem in Mannheim für Saxofon und Gesang beworben. Ich wurde bei beidem angenommen, habe mich dann jedoch dazu entschieden, zunächst mit dem Saxofon-Studium zu beginnen.
Waren Sie von Anfang an so jazz-affin?
Maurer: Meine Liebe für Jazz habe ich so richtig erst im Vorstudium entdeckt. Vor allem über den modalen Stil habe ich einen Zugang zum Jazz bekommen, Bebop und Blues waren zunächst gar nicht so meins. Eigentlich ist meine musikalische Sozialisierung recht klassisch geprägt, ich bin zum Beispiel großer Fan des Impressionismus. Ich habe erst durch das Musikstudium gemerkt, dass ich das Spektrum der Musik vorher quasi durch ein kleines Rohrloch betrachtet habe. Am Anfang des Studiums musste ich mich erstmal hinsetzen, mir eingestehen, wo meine Schwächen liegen. Ich habe gemerkt, dass ich große Fortschritte mache, wenn ich an den Dingen arbeite, in denen ich noch nicht gut bin. Auch wenn es mir wehtut.
Auf Ihrem Instagram-Kanal sprechen Sie nicht nur über Ihr Studium und Ihre Band, sondern auch über Ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus als schwarze Deutsche. Was ist Ihre Intention dahinter, dies öffentlich zu tun?
Maurer: Ich bin meine Lebensrealität schlicht leid. Ich suche mir ja nicht aus, diskriminiert zu werden, trotzdem passiert es mir immer wieder. Ich habe keine Lust mehr, unangenehme Dinge nicht anzusprechen, nur damit sich Leute bei mir wohlfühlen. Ich muss kritisieren, was ich – auch hier in Mannheim – erlebe. Es stört mich, wenn ich hier auf Englisch angesprochen werde, also als andersartig gelesen werde, obwohl ich Deutsche bin. Weiß gelesene Personen können durch die Gesellschaft gehen, ohne diese Art der Diskriminierung zu erfahren. Das ist ein Privileg, mit dem sich viel zu wenige auseinandersetzen. Über Instagram habe ich einen Zugang zu vielen weiß gelesenen Menschen – und den will ich auch nutzen.
Ist es überhaupt möglich, Jazzmusik zu machen, ohne das Thema Rassismus zu verarbeiten?
Maurer: Meiner Meinung nach nicht. Diskriminierung ist Teil meines Lebens und damit auch Teil meines kreativen Schaffens. Es wäre sehr naiv und grenzwertig, Jazz und Rassismuserfahrungen voneinander zu trennen. Wenn jemand einen Jazz-Song wie etwa „Black Narcissus“ trällert, ohne sich die Intention klar zu machen, wäre das eine wenig authentische Herangehensweise. Klar gibt es Bands, die vor allem unterhalten wollen, das ist auch völlig legitim. Aber zum Beispiel von Studierenden erwarte ich, dass sie sich nicht nur mit der offensichtlichen Ebene der Musik begnügen.
Ist es nicht problematisch, dass in Deutschland häufig auf einem akademischen Niveau über Rassismus gesprochen wird?
Maurer: Darüber habe ich vor Kurzem mit meiner Mutter gesprochen. Als Integrationsbeauftragte hat sie viel mit Asylsuchenden zu tun, die neu nach Deutschland gekommen sind, die teils der Sprache noch nicht mächtig sind. Diese Menschen werden logischerweise auch mit Rassismus konfrontiert – erklären Sie denen mal, wie sie mit diesen Erfahrungen umgehen sollen. Ich finde es daher wichtig, dass Workshops oder Veranstaltungen zum Thema Rassismus möglichst zugänglich für alle sind. Dennoch finde ich es ebenso wichtig, einen akademischen Diskurs zu führen. Er muss unangenehm und penibel sein, denn wir müssen die Dinge konkret benennen, um sie aufzudecken und daran zu arbeiten, um Rassismus auch auf systemischer Ebene angehen zu können.
Im Februar war der Black History Month. Anders als in den USA ist er hierzulande jedoch nicht so bekannt. Woran liegt das?
Maurer: Der Black History Month war etwa in den Medien sehr unterrepräsentiert. Man musste sich schon proaktiv dafür interessieren, um etwas davon mitzubekommen. Das Schicksal der afrodeutschen Aktivistin May Ayim ist zum Beispiel sehr unbekannt. Die schwarze deutsche Geschichte insgesamt ist den Wenigsten bewusst, Deutschland steht da sehr am Anfang der Aufarbeitung. Wir lernen in der Schule so gut wie nichts über deutsche Kolonialgeschichte, etwa über den Völkermord an den Herero. Manche weiße Menschen fühlen sich durch das Sichtbarmachen schwarzer Geschichte angegriffen. Denn im Zuge davon werden gewisse Denkmuster von Herrschaftsvorstellungen dekonstruiert. Der Black History Month rüttelt an dem Podest, das sich Weiße über Jahrhunderte aufgebaut haben – das gefällt nicht jedem.
Andererseits war Black Lives Matter im vergangenen Sommer auch in Deutschland ein großes Thema. Ist Ihrer Ansicht nach etwas davon geblieben?
Maurer: Die Debatte ist durchaus geblieben. Sie ist ein wichtiger Samen, den wir gießen können, auf den wir aufbauen können. Noch ist der Samen nicht zu einer Blüte geworden, aber einen Anfang haben wir geschafft. Aus einer schwarzen Perspektive merke ich jedoch auch: Im vergangenen Jahr war das Thema ein Trend. Influencerinnen haben sich auf den Demos positioniert, um schöne Fotos zu machen. Jetzt vor Kurzem hat sich das Hanau-Attentat gejährt und es hat viel weniger Menschen interessiert. Ich wünsche mir da mehr Konsistenz.
Gabriele Maurer
- Gabriele Maurer ist 23 Jahre alt und studiert im achten Semester den Bachelor of Jazz and Popular Music an der Musikhochschule Mannheim.
- Ihre Band Fusion Jazz-Band GMQ (für: Gabriele Maurer Quintett) wurde 2018 gegründet. Aktuelle Besetzung: Gabriele Maurer (Saxofon und Gesang), Oscar Mosquerra (Gitarre), Florian Hartz (E-Bass), Jakob Dinnebier (Schlagzeug) und Phillip Weyand (Keyboard und Backing Vocals).
- Der Black History Month findet jährlich im Februar statt und macht auf die Geschichte von People of Colour (POC) aufmerksam.
- Zuletzt wurde in Deutschland etwa im Nachgang der WDR-Sendung „Die letzte Instanz“ über Rassismus diskutiert. Als Antwort darauf drehte die Moderatorin Enissa Amani die YouTube-Sendung „Die beste Instanz“, in der fünf Rassismus-Expertinnen und -Experten zu Wort kommen.
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