Schauspiel - Christian Holtzhauer, designierter Schauspielintendant in Mannheim, präsentiert beim Kunstfest Weimar das Theaterprojekt "Die Revolution und ihre Enkel"

Dem DDR-Alltag auf der Spur - ohne zu viel Tiefgang

Von 
Ute Grundmann
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Zurzeit in Weimar, ab Herbst 2018 in Mannheim: Christian Holtzhauer.

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"Ich fand's spannend, wie's in der DDR war, aber ich lebe lieber heute", sagt eine Mädchenstimme ins Dunkel. Das ist ein Satz, mit dem man etwas hätte anfangen können, doch es ist leider der Schlusspunkt eines ungewöhnlichen Theaterprojektes, das beim Kunstfest Weimar uraufgeführt wurde.

"Die Revolution und ihre Enkel" sollte als dokumentarisches Stück auf den Spuren des "real existierenden Sozialismus" wandeln, sollte schauen, "wie junge Menschen darauf blicken und was davon weitergegeben wird". So beschrieb es Christian Holtzhauer, künstlerischer Leiter des Kunstfestes und designierter Schauspielintendant am Nationaltheater Mannheim.

Es war die zweite gemeinsame Produktion von "stellwerk", einer Bühne für Kinder und Jugendliche in Weimar, und dem Kunstfest; die Inszenierung lag bei "ongoing", einem Kollektiv von Theatermachern, die gesellschaftliche Fragen auf die Bühne bringen wollen. Im Vorfeld hatten Menschen dreier Generationen über den Alltag in der DDR gesprochen, die aufgezeichneten Gespräche wurden, mit allen "Ahs" und schiefen Sätzen, abgeschrieben und zum Stück gemacht. Bei dessen Aufführung saßen die Darstellerinnen an langen, rot-weißen Tischen inmitten der Zuschauer. Die Rollen waren umgekehrt: Die Frauen sprachen die Mädchentexte und umgekehrt.

Das begann mit dem "ABC des Kommunismus", war schnell bei Whatsapp, deren Überprüfung aller Nachrichten und der Frage nach Parallelen zur Stasi. Doch es blieb bei der Frage, weitergeführt wurde es nicht. Dann spielten zwei Frauen eine Szene aus Heiner Müllers "Zement", die Brisanz und die Bedenken der SED dagegen wurden wieder nur angetippt. Es ist wenig vom Alltag in der DDR die Rede, mehr von den Vorbereitungen des Projektes.

Brisantes blitzt nur auf

Gut gemeint, aber nicht gut gemacht, möchte man fast sagen, wenn da nicht doch Einiges aufgeblitzt wäre. Wenn die ehemalige Melkerin Isolde - in einer Szene mit putzigem Übungseuter - vom LPG-Alltag mit 1800 gemolkenen Kühen pro Tag erzählt, fällt der Satz: "Ich hab nie die Fresse gehalten, war ein richtiger Rebell." Da zeigt sich, was dieses Projekt hätte werden können.

Unter die Haut geht ein Rezital à la Purcell über eine tödlich endende Abtreibung. Und die Szene über "Pionier- und Thälmann-Lieder" kommt dann endlich auf den Punkt: Weniger der Lieder wegen, die vom Publikum teils mitgesungen werden, sondern wegen des Schulalltags, der erzählt wird.

Vor jeder Stunde hinter dem Stuhl aufstellen, Rücken gerade, bis Stillstand war, dann gab's den Pioniergruß. Ergänzt durch die Erinnerung: "Das hat keine richtig ernst genommen, wir haben uns weggeduckt". Auch die Angst der Kinder vor den Bildern von Atombomben in der Zeitung wird erwähnt. Daraus hätte man mehr machen können, auch aus den Erinnerungen des 83-jährigen Ekkehart ("Ich hab im 20. Jahrhundert gelebt, ihr seid 21. Jahrhundert, ich habe zwei Kriege erlebt") - doch stattdessen bringen Ventilatoren rote Fahnen zum Flattern.

Freie Autorin

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