Comedy-Star Özcan Cosar spielt 2022 zweimal im Mannheimer Rosengarten. Im Interview spricht der 39-Jährige über Kunstfreiheit und seinen Erfolgs-Podcast „08/17“ mit Chris Tall.
Herr Cosar, warum ist Ihr Podcast mit Chris Tall „08/17“ - und keine 08/15-Durchschnittsware?
Özcan Cosar: Weil wir zwei mehr sind als der Durchschnitt (lacht). Wir haben uns ’was dabei gedacht - und uns kaputtgelacht, als wir die Idee für den Titel bekamen. Deshalb haben wir auch diesen Podcast zusammen: Weil wir es lieben, zu lachen.
Ansonsten sind Sie und Chris Tall ein eher ungleiches Paar. Wie kam es zu der Kooperation?
Cosar: Ich zähle ihn zu den wenigen Menschen in der Szene, mit denen ich wirklich befreundet bin. Dann haben wir gemerkt, dass wir uns zwar lange kennen und vertrauen, aber nicht wissen, was der Andere in seinem Leben alles erlebt hat. So entstand der Podcast 08/17.
Alltagscomedy lebt von Beobachtungen und Erinnerungen, die Komiker und Publikum teilen. Chris Tall und Sie liegen altersmäßig zehn Jahre auseinander. Sie sind Familienvater und Schwabe, Ihr Podcast-Partner Hamburger …
Cosar: Gott sei dank. Es ist doch das Tolle, dass Menschen verschieden sind. Meine Freunde suche ich mir nach der Persönlichkeit aus. Da spielt es für mich eine große Rolle, ob jemand empathisch ist und wir bei fundamentalen Werten ähnlich denken - nicht, ob wir mit der gleichen Musik aufgewachsen sind. Wenn man unterschiedlich ist, ist es doch umso interessanter, was man sich zu erzählen hat.
Ihre unterschiedliche Herkunft ist dabei fast kein Thema. Warum?
Cosar: Solche „Klischees“ spielen für mich generell keine Rolle. Viele denken ja, dass sie etwas mit der Herkunft der Eltern zu tun haben. Das stimmt aber gar nicht.
Es geht um Sozialisation.
Cosar: Genau! Chris ist in Hamburg aufgewachsen und hatte in St. Pauli schon ein paar interessante Leute um sich herum. Er weiß, wie es ist, aus so einem Viertel zu sein. Und ich komme aus einem beschaulichen Dorf im Schwäbischen.
Sie haben den türkischen Pass 2009 abgegeben. Warum?
Cosar: Türken dürfen keine zwei Pässe haben. Ich weiß immer noch nicht, warum. Für mich war klar: Ich bin Deutscher. Wenn ich von Heimat spreche, spreche ich von Deutschland. Natürlich ist mein kultureller Background, den ich auch liebe, türkisch. Es ist beides in mir - wie Vater und Mutter. Aber ich bin ja nicht nur Deutscher und Türke, sondern auch Spanier, Grieche oder Italiener - all die Menschen, die mich geprägt haben. Mit ihren Denkweisen und Religionen. Egal, ob Jude oder Atheist. Das hat mich alles zu dem gemacht, der ich bin.
Sie standen 2020 vor Ihrer größten Tournee, nach langen, langen Jahren des Hochspielens … hadern Sie mit der Pandemie-Situation?
Cosar: Gar nicht. Es betrifft uns doch alle. Es ist eine sehr harte Zeit. Aber ich bin generell ein vorsichtiger Mensch und ziehe mich dann zurück. Geld ist nicht alles. Das weiß jeder, der mal schwer krank war. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen. Aber wenn ich weiß, dass ich dabei jemanden in Gefahr bringen könnte, dann verzichte ich lieber auf Live-Auftritte. Wir hatten ja schon vorher mit dem Podcast angefangen. Das war für mich eine schöne Selbstentdeckung. Dann gab es „Die Cosar Show“ im SWR und andere Sachen im Fernsehen - ich habe ja noch Glück! Vor allem, dass ich schon vorher den Sprung in diese Medienwelt geschafft hatte. Und bei mir hängen keine Arbeitsplätze dran. Andere hat es viel härter getroffen. Von daher: Zähne zusammenbeißen, wir schaffen das! Wir Menschen sind sehr anpassungsfähig und werden auch diese Krise überstehen.
Im Januar 2020 hatten Sie eine Vorpremiere im Schatzkistl, danach sollte es in den Rosengarten gehen. Chris Tall hat 2014 vor 50 Leuten in dem Mannheimer Musikkabarett gespielt, danach ging es in die SAP Arena. Ist diese Dimension auf Dauer auch Ihr Ziel?
Cosar: Oh, ja. Das war lustig im Schatzkistl (lacht). Alle möchten doch in einer riesigen Halle spielen. Wenn man sich allein überlegt, wie viele Menschen man dort an einem Abend zum Lachen bringen kann, welche Dynamik dabei entsteht. Natürlich sind die Besucher nicht wie im Schatzkistl direkt vor einem. Das ist ein anderes Flair. Aber man bleibt ja auch nicht bei seinem Fiat 500, wenn man Ferrari fahren kann. Zumindest ausprobieren will das doch jeder, oder?
Nun, es können vielleicht nicht alle. Dieter Nuhr würde zum Beispiel viel größere Hallen füllen. Seine Art, aufzutreten, ist dafür aber viel zu leise.
Cosar: Dieter ist für mich auch eher Kabarettist. In Arenen braucht es tatsächlich Rock ’n’ Roll. Also: Ich würde es machen. Beziehungsweise: 14 000 Zuschauer bei der „Köln Comedy-Nacht XXL“ in der Lanxess-Arena fand ich geil. Aber es geht nicht um Größe, Zuschauerzahl oder Geld, sondern um Stimmung.
Zuletzt gab es um Kollegen von Ihnen oft Debatten um Kunst- und Satirefreiheit. Beeinflusst die gestiegene sprachlichen Sensibilität Sie und Ihre Arbeit?
Cosar: Nein. Ich war schon immer respektvoll Menschen gegenüber. Gut, dass solche Debatten endlich passieren. Bloß, weil wir Menschen mit anderer Hautfarbe lange Schwarze genannt oder das N-Wort benutzt haben, muss das ja nicht so bleiben. Dass die Mehrheitsgesellschaft entscheidet, wie sie Minderheiten nennt. Oder was sie auszuhalten haben. Es ist cool, dass endlich ein Aufschrei kommt. Auch bei der Diskriminierung von Frauen.
Also sind manche Themen ungeeignet für Witze?
Cosar: Wir dürfen über alles Witze machen. Unsere Aufgabe als Comedians ist es, Sachen durch die Lupe zu betrachten. Es geht aber auch um den Zweck, warum man etwas sagt. Manchmal kann man etwas entzaubern oder Leuten den Spiegel vorhalten. Trotzdem ist ganz klar: Satire darf nicht alles! Warum sollte man unter dem Deckmantel der Satire einen antisemitischen Witz machen? Warum denn? Nach all dem was diesen Menschen besonders bei uns in Deutschland angetan wurde? Ich finde das nicht in Ordnung. Ich habe selbst Rassismus erlebt, gehe aber immer respektvoll mit Menschen um.
Müsste man als Comedy-Star mit Reichweite in diesen Zeiten nicht etwas politischer agieren, etwa wie Bülent Ceylan es versucht?
Cosar: Wir sind einmal zusammen aufgetreten, in der Frankfurter Jahrhunderthalle bei einer Show, die hieß „Deutschland, deine Türken“. Django Asül war auch dabei und hat mir einen Tipp mitgegeben: „Egal, was Du machst, du musst Dir immer überlegen: Wollen die Leute das von dir hören?“ Das war ein wichtiger Satz für mich. Wenn ich einen auf Politkabarettisten mache, fragen sich die Zuschauer doch: „Hey, was laberst du? Das bist nicht du!“
Heute geht es ja mehr um Haltung.
Cosar: Haltung habe ich schon immer gezeigt, in allen meinen vier Programmen gibt es gesellschaftskritische Passagen. Zu Themen wie Flüchtlingskrise, Herkunft oder Religion habe ich meine Meinung gesagt. Aber ohne den Zeigefinger zu erheben oder populistisch zu werden. Aber es ist und bleibt die Entscheidung des Künstlers, was er macht und was zu ihm passt. Ob er etwas zu Rassismus sagt, zum Beispiel. Manchmal reicht es doch, wenn ein Türke ein großes, gemischtes Publikum zum Lachen bringt und sich diese Botschaft verbreitet.
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