Vom Badezimmerschrank in die Weltmeere bis ins ehemalige Hallenbad Nord - es ist ein weiter Weg, den diese Ohrenstäbchen bis in jene Ausstellung zurückgelegt haben. Doch der Ort, an dem die kleinen, bunten Plastikteile während des "Off//Foto"-Festivals nun ihren Auftritt bekommen, könnte passender nicht sein: Die Abfallwirtschaft Ludwigshafen (GML) hat aus dem denkmalgeschützten Kleinod der 50er Jahre ein Löschwasserreservoir für ihr benachbartes Müllkraftwerk gemacht.
Und zugleich einen Ort für Kultur, wie man staunend feststellt, kaum hat man die große, lichte Badehalle betreten: Erst vor wenigen Wochen war Internetaktivist Sascha Lobo hier für einen Vortrag zu Gast, sind Schauspieler für eine Performance und Musiker für ein Klassikkonzert aufgetreten. Nun also gibt es Kunst - und eine von vielen ungewöhnlichen Stationen beim alternativen Fotofestival zu entdecken.
Plastikmüll von Paddeltouren
Stephan Horch hat auf Paddeltouren Plastikmüll aufgefischt und nüchtern dokumentiert. Das macht aus den strengen Arrangements, die an den Hallenbadwänden hängen, vielleicht noch keine große Kunst, aber ein klares Statement: Für den bewussten Umgang mit den eigenen Hinterlassenschaften, mit denen die GML naturgemäß täglich befasst ist. 16 Ausstellungen gibt es in Ludwigshafen bei der "Off//Foto" zu sehen. Das ist nur ein Bruchteil der insgesamt fast 80 Ausstellungen in der gesamten Metropolregion.
Aber ein wichtiger, wie sich zeigt, denn sie geben ein Gefühl der Aufbruchstimmung in der Stadt: Erstmals kooperiert das alternative Fotofestival mit der Kulturinitiative "Wow", die unter anderem sechs leerstehende Ladenlokale in der Stadt bespielt. Etwa mit knalliger Street-Art-Kunst in der Bismarckstraße 51, die Kuratorin Nicoleta Steffan zusammengestellt hat, oder mit einfühlsamen Ansichten, die der Berliner Timo Schuster von seiner Geburtsstadt Ludwigshafen auf der anderen Seite der Fußgängerzone zeigte.
Bis 5. November plant man Konzerte, Lesungen, Spray-Jams, Bodypainting-Aktionen und Künstlergespräche und hat ein "Wow Art Café" und eine Künstler-WG in einem Abrisshaus der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GAG eingerichtet. Hier lohnt der Besuch allein wegen des verblüffenden Raumeindrucks im ersten Stockwerk, in dem man plötzlich - im Innenraum (!) - vor der einstigen Außenfassade eines Gründerzeitbaus steht.
Schon bald wird das alles abgerissen, einschließlich der Kunst am Bau aus den 60er Jahren. Bis dahin allerdings richtet auch die anstehende renommierte Biennale für aktuelle Fotografie in einem Leerstand nebenan einen "Raum für Experimente" und für Workshops ein. Wiederum wenige Meter weiter erzählt Miriam Stanke vom schwierigen Alltag der Menschen in der Osttürkei und dem Kurdenkonflikt. Und geleitet - ein harter Kontrast - die Besucher mit ihren Aufnahmen auf der Fassade einer Hofeinfahrt zu einem Friseursalon, in dem sich zwölf Künstler mit Eden beschäftigen, dem (verlorenen) Paradies.
Das Spektrum der Ausstellung, die Ralf Moser und Ella Kehrer für die Gruppe "Ateliers im Delta" kuratiert haben, ist weit. Es reicht von kleinen Anekdoten, mit denen Britta Kirst eigentlich schnöde Lebensmittel und ihre Verpackungen in zeitkritische Statements verwandelt über eine Porträtserie von Petra Arnold bis zu schönen Plexiglas-Foto-Objekten von Romana Rokvic, die sich wie Triptychen den Blicken der Besucher öffnen oder verschließen.
Verschlossene Türen, die man öffnen muss, um dahinter unverhoffte Entdeckungen zu machen - das wiederum ist ein schönes Bild für die (schwierige) Situation der Kunstszene in Ludwigshafen. Nach langer Zeit geben nun Aktionen rund um die "Off//Foto", "Wow"-Initiative und Biennale endlich mal wieder das Gefühl, dass die Musik (auch) in Ludwigshafen spielt.
Übrigens nicht erst seit gestern, woran die leider schlecht ausgeleuchtete, etwas lieblos präsentierte Porträtausstellung von Manfred Rinderspacher im Kulturzentrum das Haus erinnert: Seit 40 Jahren fotografiert er auch für diese Zeitung "Heads", also Köpfe von Musikern vor, während, nach ihren Konzerten. In Momenten der totalen Hingabe und Konzentration, aber auch Euphorie und Gelassenheit. Robin Newbanks, wie er mit seiner Posaune auf einem Treppenabsatz hockt - in einem scheinbar unbeobachteten Moment. Oder Steve Lacy und seine Frau, wie sie für Rinderspachers Kamera verschmitzt in einen Spiegel lachen. In der Garderobe des Pfalzbaus. Diese Schwarzweiß-Bilder wirken auch ohne optimales Umfeld.
"Off // Foto" und mehr
Die nahezu 80 Ausstellungen der "Off // Foto" öffnen sukzessive und manche auch nur kurzzeitig. Ein Blick in das Programm unter www.off-foto.info ist daher sinnvoll.
Als Nächstes wird in Ludwigshafen u.a. das Hallenbad Nord zum Tag des offenen Denkmals am 10. September, 10 Uhr, zugänglich gemacht (Eingang über die Erzbergerstraße 12). Am Sonntag, 24. September, 14 Uhr, hält Fotograf Stephan Horch einen Vortrag.
Zur langen Nacht der Fotografie am 23. September sind alle Ausstellungen der Biennale und "Off // Foto" geöffnet. aki
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