Mannheim. Wer an Blumepeter-Witze denkt, liegt falsch. Völlig falsch. Es wird nicht witzig. Es wird richtig schwere Kost. Nachdenklich machend, gar betroffen machend, etwas für den Kopf, aber spannend und wertvoll. Das sind die ersten Eindrücke von „Blume Peter – Mannem macht Musical“, dem Stück zum Mannheimer Original Blumepeter, das derzeit im Capitol entsteht. Erste, aber wirklich nur erste fragmentarische Eindrücke hat das Capitol-Team jetzt, elf Monate vor der Premiere, gezeigt.
„Es ist eine Entwicklungsstufe“, stellt Capitol-Geschäftsführer und Produzent Thorsten Riehle klar: „Bis zur Premiere passiert noch unheimlich viel!“, betont er. Aber da noch Sponsoren für die auf 30 000 Euro bezifferten Produktionskosten fehlen, gibt es jetzt diesen ersten Einblick. „Sie hören und schauen in eine Werkstatt“, bekräftigt Georg Veit (Regie/Buch). Daher singen Thomas Simon, Kati Sommer, Sandra Maria Germann (sie wird die Hauptrolle übernehmen), Jeannette Friedrich und Rino Galiano noch vom Blatt. Galiano (Komposition/Songtexte) und Michael Herberger als musikalischer Leiter komplettieren mit Riehle und Veit das Produktionsquartett.
Kein Witz selbst erzählt
Sie wollen anknüpfen an ihr im Jahr des Fahrradjubiläums 2017 so erfolgreiches Musical „Karl Drais – Die treibende Kraft“. 2022 soll dann noch ein Stück über den großen Erfolg bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 folgen. „Der Chef – Sepp Herberger“, so der Arbeitstitel.
„Wir sind in Mannheim verwurzelt, haben dieser Stadt sehr viel zu verdanken“, begründet Riehle die Trilogie über Mannheimer Themen. Dabei ist ihm klar, dass es nicht einfach ist, die Geschichte des Blumepeter auf die Bühne zu bringen. Heute stehe der Name in erster Linie für ein großes Benefizfest, ausgerichtet von der Karnevalsgesellschaft Feuerio zugunsten der Aktion „Wir wollen helfen“ des „Mannheimer Morgen“. „Eine tolle Veranstaltung, hinter der enormes bürgerschaftliches Engagement für Menschen am Rande der Gesellschaft steht“, so Riehle.
Doch auch wenn der Begriff Blumepeter heute sehr positiv besetzt sei und seit der Nachkriegszeit mit vielen Anekdoten und Witzen in Verbindung gebracht werde, wolle das Capitol „mit unserem Musical den Kreis abrunden“, sagt Riehle. Wobei „runden“ relativ ist – wie deutlich wird, wenn Georg Veit das Projekt vorstellt. Denn im Leben des Peter Schäfer, 1875 in Plankstadt geboren, läuft eben nichts rund. Er kommt als behindertes Kind auf die Welt, bleibt wegen einer Unterfunktion der Schilddrüse kleinwüchsig und ist auch geistig zu kurz gekommen. „Ein Krüppel“, wie es in einem Lied des Stücks heißt, das Jeanette Friedrich singt. „Kein Lieb ist so tief, kein Schmerz so weit“, bringt sie das große Leid der Mutter auf den Punkt.
Die Familie ist arm, zieht 1891 in das aufstrebende Mannheim. Die Stadt boomt, dort ist alles plötzlich elektrisch – auch dazu gibt es einen Song. Damit er Geld dazuverdient, soll der kleine Peter Blumen verkaufen. Er zieht mit seinem Körbchen abends durch die Kneipen, näselt den Spruch „Kaaft mer ebbes ab!“, wirkt drollig. Doch er ist eine traurige Existenz, die von der bürgerlichen Gesellschaft zur Witzfigur gemacht, auf Postkarten gedruckt, in Kostüme gesteckt wird. Er mag manchmal Späße gemacht haben, aber meist macht man Späße mit ihm – bis er, da zunehmend psychisch krank und aggressiv, in Anstalten eingeliefert wird, 1919 in Weinheim und 1929 in Wiesloch. Dort stirbt er 1940 – und nicht in einem Vernichtungslager der Nationalsozialisten, die zu jener Zeit brutal das Euthanasieprogramm durchsetzen. „Aber was genau passiert ist, weiß man nicht“, sagt Riehle.
Eine Gratwanderung
Aber eines steht fest: „Er hat keinen einzigen der ihm zugeschriebenen Witze erzählt, weil er das gar nicht konnte“, betont Veit. Doch schon während des Zweiten Weltkriegs, als viele Mannheimer in den Odenwald flüchten, werden dort viele Blumepeterwitze erzählt. Nach dem Krieg dienen sie laut Veit „der Sinn- und Identitätsstiftung“, wird aus dem armen Blumenverkäufer ein Original, dem 1966 gar ein Bronzedenkmal von Künstler Gerd Dehof gesetzt wird. „Er wird zur Identitätsfigur Mannheims“, weiß Veit, und ihm ist bewusst, dass ein Stück darüber eine Gratwanderung darstellt, der er sich aber gerne stellt.
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