Kunstfest Weimar - Mannheims künftiger Schauspielchef Christian Holtzhauer zeigt das transnationale Theaterprojekt "Malalai"

Afghanistans Jungfrau von Orleans

Von 
Ute Grundmann
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Die drei Malalai-Darstellerinnen (v.l.= Celine Martin-Sisteron Thais Lamothe und Hadar Dimand mit Schauspieler Gulab Jan Bamik.

© Kalaene/dpa

Jeanne d'Arc und ein englischer Offizier kämpfen auf Leben und Tod miteinander, doch keiner von beiden vermag den entscheidenden Schlag zu setzen. Da fragt der Offizier ironisch: "Bin ich Dir teuer?". Auch solch leisen Humor gibt es in einer ungewöhnlichen Uraufführung beim Kunstfest Weimar, vor allem aber viele Brechungen der Figuren und Themen. "Malalai - die afghanische Jungfrau von Orléans" heißt das transnationale Theaterprojekt von Regisseur Robert Schuster und Julie Paucker (Text und Dramaturgie), das jetzt im E-Werk Premiere feierte.

Die titelgebende Malalai war eine paschtunische Sanitäterin, die im afghanischen Unabhängigkeitskrieg gegen die britische Kolonialmacht 1880 ihren Schleier zur Fahne gemacht und die Soldaten zum Sieg geführt haben soll. Diesen Mythos aus Afghanistan verknüpfen Text und Inszenierung mit der französischen Legende und dem deutschen Klassikerdrama. Neben Schillers Stück werden auch Texte von Anouilh, Brecht und Kha Hak verwendet, gesprochen wird Deutsch, Französisch, Hebräisch und Persisch, deutsch übertitelt. Und wenn Jeanne d'Arc (von den drei Schauspielerinnen Hadar Dimand, Thais Lamothe und Céline Martin-Sisteron verkörpert) von sich sagt, sie sei "die Frau", "das Volk", "die Nation", dann sind schon einige der vielen Themen des dreistündigen Abends angesprochen.

Der beginnt mit einer Atmosphäre von Krieg und Gewalt, die nicht nur die Historie der Jeanne d'Arc, sondern auch das heutige Afghanistan meint, Parallelen dazu gibt es immer wieder im Stück. Auch an den Taliban-Anschlag auf das AZDAR Theatre in Kabul wird erinnert; dessen Schauspieler sollten 2016 in Weimar im Projekt "Kula - nach Europa" auftreten, bekamen aber von der deutschen Botschaft keine Visa.

Angst vor Asylverfahren

Auch in diesem Jahr zweifelten die Behörden an der Rückkehrwilligkeit der afghanischen Mimen; erst als fünf Weimarer für die Kosten eventueller Asylverfahren bürgten, durften sie einreisen, ihre Frauen aber mussten zu Hause bleiben. "Das macht einen Kulturaustausch schwierig und es kommt durchaus häufiger vor", sagt Christian Holtzhauer, der das Kunstfest auch 2018 leitet, ehe er als Schauspieldirektor ans Nationaltheater Mannheim kommt.

In seiner Inszenierung fächert Schuster nicht nur Jeanne d'Arc in drei ganz unterschiedliche Figuren auf. Alle Männer sind in lange, weiße Röcke gekleidet; spielen, teils verschleiert, auch Frauenrollen - die Mutter des Königs (Romaric Séguin) tritt in grauem Rock und Stahlhelm auf. Auch die gesellschaftlichen Rollen von Männern und, vor allem, Frauen werden verhandelt.

Diese Koproduktion des Deutschen Nationaltheaters mit dem Kunstfest Weimar wird fast überfrachtet: Der französische Rechte Le Pen kommt ebenso vor wie Schmähungen gegen "Multikulturalität", Jeanne d'Arc wettert gegen die "globalen Märkte", auch, dass die Schauspieler Buchenwald besucht haben, wird erwähnt. Aber es gibt auch einen komischen Männerstreit um die Heldin; die Schauspieler treten aus ihren Rollen heraus ("Sprechen wir Schiller oder willst du was Persönliches?"), lacht die eine Jeanne über die beiden anderen Johannas. Und die oft langen Dialoge werden durch Kampfsportszenen, der rasanten Jagd nach einer Fahne oder einen choreografierten Kriegsmarsch Musik aufgelockert. Und trotz einiger Längen überzeugen die Darsteller aus drei Ländern mit Präzision und Spielfreude.

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