Mannheim. Mannheims scheidender Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) hat als wichtigste Erfolge seiner an diesem Donnerstag endenden Amtszeit die Konversion, die Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis sowie das Einwerben von Zuschüssen und Spenden für Großprojekte wie den Neubau der Kunsthalle oder die Sanierung des Nationaltheaters bezeichnet. In seinem letzten exklusiven Interview mit dieser Redaktion als Stadtchef zeigte er sich aber auch skeptisch hinsichtlich Mannheims Bemühungen, im EU-Modellstadt-Programm bis 2030 klimaneutral zu werden.
„Ein echter politischer Dialog hat noch nicht stattgefunden“, sagte Kurz über das Programm, für das die EU Mannheim im April vergangenen Jahres neben 99 weiteren Modellstädten ausgewählt hatte, die bis 2030 klimaneutral werden wollen. „Noch habe ich keinen Beleg dafür, dass die großen Ambitionen bei den anderen Akteuren auch mit der entsprechenden Power hinterlegt sind“, sagte er mit Blick auf EU, Bund und Land. „Sollte das nicht gelingen, wäre es ein erheblicher Rückschlag – für den Klimaschutz und für die EU.“
„Abenteuerliche Vorstellung“
Zuversichtlich zeigte sich der scheidende Amtsinhaber – der nicht nur 16 Jahre Oberbürgermeister und davor acht Jahre Bildungs-, Kultur- und Sportdezernent war, sondern auch Aufsichtsratsvorsitzender des Universitätsklinikums – bezüglich dessen Entwicklung. „Jetzt ist ein Prozess eingeleitet, an dessen Ende zum 1. Januar 2025 eine Verbundlösung stehen wird“, sagte er über das zuletzt jahrelang hochdefizitäre Krankenhaus, dessen Trägerin bislang die Stadt ist. „So ist es vorgesehen, da bin ich auch optimistisch.“
Pessimistisch blickt Kurz dagegen auf die Wirkung von Bürgerentscheiden. Einen solchen hatte es in Mannheim 2013 über die Austragung der Bundesgartenschau gegeben. „Eines hat sich als Illusion erwiesen“, so der 60-Jährige, „dass sich mit einem Bürgerentscheid ein Konflikt befrieden lässt.“
Mit Blick auf die Debatte über den Neubau eines Fußballstadions schloss er den Standort Bösfeld „aus natur- und artenschutzrechtlichen Gründen“ erneut aus. Zu den zuletzt vom Gemeinderat ebenfalls verworfenen Alternativstandorten am Maimarktgelände und auf dem Luzenberg sagte er jedoch: „Das kann man noch einmal vertieft prüfen.“
Auch zur künftigen Verkehrsführung in der City bezog Kurz Stellung: „Die Vorstellung, dass man den Autoverkehr in der Innenstadt völlig unangetastet lässt und alles über elektronische Systeme steuert und dies zukunftsfähig für die Innenstadt und ihren Einzelhandel sein soll, halte ich für abenteuerlich.“
Stadion „kann man erneut prüfen“
Beim Unterhalt der Straßen und Brücken räumte Kurz Investitionsrückstände und eine teilweise jahrelang fehlgeleitete Strategie ein. Das größere Problem sei jedoch ein anderes. Die heutige Verkehrsbelastung sei für die Brücken so hoch, „dass wir mit unseren normalen Instandhaltungsplänen die Bauwerke gar nicht mehr richtig in Schuss halten können, sondern teilweise mehr als ein Jahrzehnt früher tätig werden müssen und Konstruktionen nicht nur sanieren, sondern grundlegend ändern und verstärken müssen“. Er warnte: „Das wird uns in der ganzen Region in den nächsten Jahren noch erhebliche Probleme bereiten.“
Ab Freitag ist der bisherige Finanzdezernent Christian Specht (CDU) der neue Chef im Rathaus. Da es jedoch drei Einsprüche gegen die Wahl gibt, soll der Gemeinderat in einer Sondersitzung an diesem Donnerstagabend Specht zum „Amtsverwalter“ bestellen.
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