Interview

Chefs der Uni-Klinik Heidelberg: „Wir wollen international unter die Top Ten“

Warum die Doppelspitze Katrin Erk und Jürgen Debus ein Krankenhausstrukturveränderungsgesetz für unbedingt notwendig hält und welche Rolle das Universitätsklinikum Heidelberg in der Region hat

Von 
Michaela Roßner
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Seit gut vier Monaten die Doppelspitze am Heidelberger Universitätsklinikum: Katrin Erk und Jürgen Debus. © UKHD

Mannheim/Heidelberg. Herr Professor Debus, Frau Erk, Sie sind nun seit vier Monaten die Doppelspitze am Universitätsklinikum (UKHD) Heidelberg. Wie hat sich die Arbeit angelassen?

Jürgen Debus: Die Zusammenarbeit im Vorstandsteam klappt sehr gut. Wir arbeiten professionell und kollegial zusammen, darüber hinaus verstehen wir uns auch menschlich gut. Wir arbeiten lösungsorientiert und haben bereits einiges auf den Weg bringen können, was vorher ins Stocken geraten war. Aber das gesamte Gesundheitssystem steht im Moment unter einem erheblichen ökonomischen Druck, gefolgt von der Notwendigkeit, strukturelle Anpassungen vorzunehmen. Das heißt, es wird uns nicht langweilig werden.

Katrin Erk: Das kann ich alles so unterschreiben. Wir haben einen gleitenden Übergang im Vorstand gehabt. Im vergangenen Jahr ist der neue Dekan dazugekommen, im Frühjahr hat die neue Pflegedirektorin begonnen. Danach fand der Wechsel im Bereich des Leitenden Ärztlichen Direktors statt, und jetzt kam der neue stellvertretende Leitende Ärztliche Direktor dazu.

Jeder Vorstand beziehungsweise jede Vorständin vertritt sein/ihr Ressort, und im Kollegialsystem werden die Beschlüsse gefasst. Und da wir alle im selben Gebäude sitzen, sind die Wege kurz und dank offener Türen kann man sich schnell auch zu aktuellen Themen abstimmen.

Personalie

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Red
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Was hat Sie in den ersten 120 Tagen besonders herausgefordert?

Debus: Das war die Gesundheitsversorgung in der Metropolregion, weil wir etliche Leistungserbringer haben, die sich auf einem kritischen Pfad befinden. Das Krankenhaus Salem ist bekanntlich gerade durch eine Insolvenz in Eigenverwaltung gegangen. Wir befinden uns in einem abgestuften Konzept mit dem Universitätsklinikum als Maximalversorger und Häusern der Grundversorgung wie dem Salem, aber auch den Kliniken im Rhein-Neckar-Kreis. Für uns ist es sehr wichtig, dass wir dieses Versorgungskonzept aufrechterhalten – und dafür waren viele Abstimmungen notwendig. Das andere Hauptthema ist die Verbundbildung mit Mannheim, die uns natürlich beschäftigt. Hier ist unser Ziel, die strukturellen Grundlagen zu schaffen, um den Verbund, wenn er kommt, möglichst gesund in die Zukunft führen zu können.

30 Prozent der Kliniken in Baden-Württemberg sollen finanziell am Limit sein. Was würde das für das UKHD bedeuten, wenn weitere Krankenhäuser schließen?

Debus: Wir sind ein Universitätsklinikum, das die Maximalversorgung erbringt – sich also vor allem um Patienten mit komplexen Erkrankungen kümmert. Unsere Infrastruktur ist genau darauf ausgerichtet, etwa auf große Herzoperationen und Transplantationen. Dafür brauchen wir die Maximalmedizin. In einem abgestuften Konzept wird die Grundversorgung von den anderen Kliniken gewährleistet. Dorthin geht typischerweise der Patient, der an der Schilddrüse operiert wird bei einer gutartigen Erkrankung oder an der Gallenblase oder einem Leistenbruch. Dieses abgestimmte Konzept ist sehr gut.

Ohne diese Kliniken wäre unsere Infrastruktur überlastet. Denn wir haben ja einen Versorgungsauftrag. Das heißt, wir müssen die Menschen behandeln, die zu uns kommen. Wir müssten die großen Operationssäle für die Grund- und Regelversorgung nutzen. Das wäre nicht effizient und auch nicht wirtschaftlich. In der Konsequenz könnten wir aber auch die großen, komplexen Eingriffe nicht mehr so durchführen, wie es unser Auftrag als Universitätsmedizin ist.

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Stefanie Ball
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Immer häufiger brauchen die Menschen gar nicht ins Krankenhaus für einfachere Eingriffe . . .

Debus: Das stimmt, die Medizin wird sich noch viel mehr in die Richtung der ambulanten Medizin entwickeln. Aber da sind wir noch nicht so weit wie andere Länder – vor allem, weil wir die dafür notwendigen ambulanten Strukturen noch nicht haben.

Welche finanziellen Auswirkungen hätte eine weitere Klinik-Konzentration für das UKHD?

Erk: In der Universitätsmedizin hängen medizinische Leistung, Forschung, Lehre und auch die wirtschaftliche Seite ganz eng zusammen. Eine hohe medizinische Qualität ist wesentlich für eine hohe Nachfrage eines Klinikums. Und wenn die Nachfrage groß ist und die Anzahl der Patienten zu einer Auslastung der vorhandenen Kapazitäten führt, dann ist auch die wirtschaftliche Seite in der Regel gut. Deshalb haben die Kliniken der Grund- und Regelversorgung und wir als Universitätsklinikum keine auseinanderstrebenden Interessen.

Es gibt kaum eine Klinik in der Region, mit der wir nicht eine enge Kooperation haben. Wir stellen Chefärzte, und wir bieten Arztrotationen, um gemeinsam die Aus-, Fort- und Weiterbildung und das medizinische Fachpersonal für die umliegenden Krankenhäuser zu sichern. Ein weiteres Thema der erfolgreichen Zusammenarbeit ist zum Beispiel die Telemedizin, die stark gewachsen ist in den vergangenen Jahren.

Die regionale Krankenhausstruktur haben Sie auch gerade untersuchen lassen . . .

Erk: Wir haben gerade in der Metropolregion Rhein-Neckar alle unsere Patientenbehandlungsfälle gemeinsam analysieren lassen, insgesamt haben sich mehr als 20 Kliniken in der Metropolregion beteiligt. Dabei haben wir festgestellt, dass es schon heute kaum Überlappungen im Leistungsgeschehen zwischen der Universitätsmedizin Heidelberg und den Kliniken der Region gibt. Was die Krankenhausreform fordert, funktioniert bei uns bereits.

Das heißt, Sie sehen der KHVVG jetzt sehr gelassen entgegen?

Erk: Die geforderte Zentralisierung, die abgestufte Versorgung ist hier wie gesagt schon sehr, sehr gut umgesetzt. Natürlich werden sich Abläufe und Strukturen im Krankenhaus im Verlauf der Krankenhausreform verändern, aber das gehen wir jetzt mit allen Kooperationspartnern gemeinsam an.

Hat sich das UKHD zuletzt stärker organisatorisch oder finanziell engagiert, um das Krankenhaus Salem zu retten?

Debus: Wir können nicht einfach andere Kliniken finanziell unterstützen. Aber es gibt eine lange gemeinsame Tradition im Bereich der Viszeralchirurgie. Die haben wir organisatorisch noch einmal abgestimmt. Das St. Vincentius Krankenhaus war ebenfalls unser Kooperationspartner. Durch den Rückgang der Verweildauer und andere Effekte, auch der Pandemie, waren sowohl das Krankenhaus Salem als auch das Krankenhaus St. Vincentius nicht ausreichend ausgelastet.

Durch die Verlagerung der Aufgaben vom St. Vincentius zum Salem hat sich jetzt wieder eine vernünftige Auslastungssituation und eine bessere wirtschaftliche Situation eingestellt.

Im Newsweek Ranking sind wir international auf Platz 15, da wollen wir gerne unter die Top Ten kommen – daran arbeiten wir. Inhaltlich stehen wir gut da – und das wird wirtschaftlich gut begleitet.
Jürgen Debus Vorstandsvorsitzender am UKHD

Zum Zusammenschluss Heidelberg und Mannheim: Die GRN-Kliniken haben quasi ihr Veto eingelegt. Können Sie sich die Vorbehalte erklären?

Debus: Grundsätzlich erzeugt jede Veränderung in einem System, in dem alle Kliniken unter wirtschaftlich angespannten Bedingungen arbeiten, erst einmal Ängste. Gerade hat der Kreistag erneut eine größere Finanzspritze für die GRN-Kliniken bereitgestellt. Paradoxerweise untersagt uns gerade das Kartellrecht, dass wir Absprachen mit anderen Häusern treffen.

Damit würden wir auch den Verbund von Heidelberg mit Mannheim gefährden. Im Grunde wenden wir ein Regelsystem aus der freien Marktwirtschaft – das Kartellrecht – auf den Medizinbereich an, wo es eigentlich nicht hingehört. Ja, es wäre viel effizienter, wenn wir alle frei miteinander reden und die Angebote absprechen könnten.

Erk: Landrat Dallinger hat die Befürchtung geäußert, dass durch den Zusammenschluss eine Ausweitung der Universitätsmedizin in die Grund- und Regelversorgung erfolgt. Wir haben von Anfang an gesagt, dass das Ziel nicht die Erweiterung unseres Angebots in das Spektrum der Kooperationshäuser ist, zu denen auch die Rhein-Neckar Kliniken gehören, sondern ein Verbund der Universitätsmedizin. Es ist also gerade nicht eine Wettbewerbsaktion gegen die Grund- und Regelversorgung, sondern ermöglicht die Erweiterung des Angebots in der Maximalversorgung.

Wie gesund ist das UKHD aktuell?

Erk: Wir haben gerade den Jahresabschluss vorgestellt. Er weist ein fast ausgeglichenes operatives Ergebnis aus. Und das unter sehr schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen auch für die Universitätsmedizin: Die überwiegende Mehrheit der Universitätsklinika in Deutschland schreibt rote, teils tiefrote Zahlen. Wir hatten im vergangenen Jahr eine Umsatzrendite – so heißt das Verhältnis vom Umsatz zum Jahresergebnis – von etwa minus ein Prozent, während andere teilweise deutlich negativer liegen.

Vor dem Hintergrund, möglichst eigenständig auch Investitionen tätigen zu können, hätten wir natürlich gerne ein positives Ergebnis erreicht. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist das Erreichte ein akzeptables Ergebnis.

Debus: Wir stehen vor der Herausforderung, dass die Lohnkosten im nächsten Jahr um 90 Millionen Euro steigen werden. Anders als etwa bei der Lufthansa, die die Ticketpreise erhöhen kann, wenn die Gehälter der Piloten oder das Kerosin teurer werden, haben wir einheitliche Preise. Sie sind vorgegeben von unserem Kostenträger. Das betrifft alle Kliniken und das bringt das Gesundheitssystem an seine Grenzen.

Erk: Die 90 Millionen Euro müssen in Relation zum Gesamtumsatz von 1,8 Milliarden Euro gesehen werden. Für eine gute Wirtschaftlichkeit ist die Zahl der Patienten wichtig. Es ist uns gelungen, im Verlauf dieses Jahres wieder Patientenzahlen wie vor der Pandemie zu erreichen. Das ist bisher nur in wenigen Kliniken in Deutschland der Fall, auch in vielen Universitätskliniken nicht. Das verdanken wir unter anderem dem guten Ruf unserer Universitätsmedizin, und einer damit korrespondierenden hohen Nachfrage.

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Wie sieht es auf der die klinischen und wissenschaftlichen Seite aus?

Debus: Da waren wir sehr erfolgreich. In einem Ranking war die medizinische Fakultät auf Platz eins in Deutschland und unsere Studierenden haben auf dem besten Platz abgeschlossen bei den Examina. Im Newsweek Ranking sind wir international auf Platz 15, da wollen wir gerne unter die Top Ten kommen – daran arbeiten wir. Inhaltlich stehen wir gut da – und das wird wirtschaftlich gut begleitet.

Sind die ausländischen Patienten, etwa aus Nahost, wieder zurück?

Debus: Wir haben internationale Patienten aus dem Nahen und Fernen Osten genauso wie aus Amerika. Wir bieten Therapieoptionen, die es teilweise nicht einmal in den USA gibt. Mit diesen Patientenzahlen sind wir fast wieder auf dem alten Niveau. Aber wir versuchen auch, das nicht zu übertreiben. Wir müssen erst einmal dafür sorgen, dass die Infrastruktur für die Patienten da ist, die wir hier vor Ort versorgen müssen.

Erk: Insgesamt haben wir zuletzt aus mehr als 140 Ländern Anfragen erhalten. Da geht es häufig um Patienten, die in ihrem Land keine Behandlungsoptionen besitzen. Oder auch um eine Zweitmeinung.

Beschäftigte und Arbeitgeber zahlen hierzulande Rekordbeiträge in die Krankenkassen. Kommt das bei Ihnen an?

Erk: Die jährliche vom Bund festgelegte Anpassungsrate gibt vor, wie unsere Preise steigen. Das spiegelt allerdings nicht 1:1 die wirkliche Kostensteigerung wider. Gerade ist die sogenannte Veränderungsrate für nächstes Jahr veröffentlicht worden: etwas über 4,4 Prozent. Das kommt tatsächlich als allgemeine Erhöhungsrate unserer Erlöse bei der stationären Behandlung an. Allerdings liegt allein bei den tariflichen Lohnkosten die Kostensteigerung bei rund sieben Prozent.

In den vergangenen zwei, drei Jahren ging diese Schere besonders weit auseinander. Die aktuellen Raten im neuen Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz holen das noch nicht auf, auch deshalb überlegen manche Länder, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

Wie bewerten Sie das KHVVG?

Erk: Es gibt gute Ansätze, aber es sind lange nicht alle Probleme gelöst. Die Rolle der Universitätsmedizin wird genauso wie die Kindermedizin gestärkt, letztere war in den vergangenen Jahren unterfinanziert. Bei der sogenannten Vorhaltefinanzierung, die die Kliniken unabhängiger von der Patientenfallzahl machen soll, bleiben Unsicherheiten. Das veränderte Pflegebudget wird bei uns finanziell negative Auswirkungen haben, weil das Pflegepersonal unterstützende Kräfte nicht mehr auskömmlich finanziert werden. Grundsätzlich brauchen wir aber eine Krankenhausreform, um vor dem Hintergrund der Demografie die Versorgungsqualität sichern und weiterentwickeln zu können.

Wie steht es um den Neubau des Herzzentrums?

Debus: Das Herzzentrum ist für uns ein ganz zentraler Baustein für die Entwicklung des ganzen Campus. Es ist gleichzeitig ein Innovations-Hub für die Universitätsmedizin, weil wir dort alle Fächer, die zum Thema Herz arbeiten, unter ein Dach bringen wollen – begleitet von einer starken Digitalisierung. In der Inneren Medizin werden dadurch Flächen frei. Dort könnten Neurologie und Neuroradiologie aus der Kopfklinik einziehen.

Der Plan ist, schrittweise die Kopfklinik freizuziehen, indem an die Chirurgie zusätzlich ein Ersatz-Neubau errichtet wird. Dann kann die Kopfklinik saniert werden. Sie ist seit 1988 im klinischen Betrieb. Das Herzzentrum könnte der erste Baustein und Auftakt zu einer Rochade sein, die uns die nächsten 20 Jahren beschäftigen wird. Zur Finanzierung des Herzzentrums gibt es einen Kabinettsbeschluss, allerdings warten wir auf den Landtagsbeschluss, der im Dezember hoffentlich die Mittel endgültig freigibt. Wir bereiten das Baufeld bereits vor und reißen gerade die alte Kinderklinik, den Infektionsbau und demnächst das markante Hochhaus ab.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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