Nahost-Konflikt

Mannheimer Starfotograf darf Bilder nicht in Alter Feuerwache zeigen

Nach dem Terrorangriff der Hamas reiste der Mannheimer Künstler Luigi Toscano nach Israel und fotografierte Überlebende. Die Alte Feuerwache will seine Bilder jedoch nicht zeigen. Gab es eine Einflussnahme?

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Martin Geiger
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So ähnlich hätte es aussehen können: Eine am Computer erzeugte Projektskizze der abgelehnten Ausstellung. © Luigi Toscano

Mannheim. Dieser Facebook-Post ist brisant, für Mannheim sogar sehr brisant. Schließlich stammt er nicht von irgendjemandem, sondern von dem bekannten Fotokünstler und Filmemacher Luigi Toscano. Und es geht nicht um irgendein Thema, sondern um das derzeit mit am emotionalsten diskutierte: die entsetzlichen Terroranschläge der Hamas auf jüdische Kinder, Frauen und Männer am 7. Oktober 2023 und ihre Folgen.

Nur wenige Monate später war Toscano in Israel und hat Überlebende des Kibbuz Nir Oz fotografiert. Jetzt im Oktober schreibt er auf Facebook: „Ursprünglich plante ich eine Ausstellung an der Fassade der Alten Feuerwache in Mannheim zu zeigen. Leider wurde mir diese Ausstellung vom Oberbürgermeister der Stadt Mannheim nicht genehmigt.“

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Die Bilder der abgelehnten Toscano-Ausstellung

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Diese Zeilen werfen jede Menge Fragen auf. Und Toscano, der mit seinen bewegenden Bildern von Holocaust-Überlebenden nicht nur in Mannheim berühmt geworden ist, sondern weltweit Beachtung gefunden hat, ruft schon nach wenigen Minuten zurück, um einige davon zu beantworten.

„Ich war geschockt“, sagt Mannheimer Fotograf Toscano, „ich möchte etwas tun“

„Ich war geschockt“, erzählt er, welche Spuren der 7. Oktober bei ihm hinterlassen hat. Durch seine Ausstellung „Gegen das Vergessen“ habe er Freunde in Israel, weshalb ihn die Gräueltaten besonders betroffen gemacht hätten: „Es hat mich berührt.“ Und die Entwicklung, die danach einsetzte, habe ihn traurig gemacht: „Der Nahost-Konflikt und die Palästina-Frage sind in den Vordergrund getreten. Und die Opfer sind in den Hintergrund geraten.“ Da sei ihm klar geworden: „Ich möchte etwas tun!“

Kommentar Abgelehnte Toscano-Ausstellung: Nachvollziehbar - und womöglich falsch

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Von der jüdischen Gemeinde, vom Privatmann Thorsten Riehle und einem dritten anonymen Spender bekommt er Geld für die Fahrtkosten, reist nach Israel und lässt sich dort durch den Kibbuz Nir Oz führen, der nahe an der Grenze zum Gazastreifen liegt und als einer der am schlimmsten getroffenen gilt. Was er dort sieht, kann er kaum ertragen: „Das war keine Zerstörung: Das war Vernichtung. Das war ein Abschlachten.“ Am schlimmsten sei der Leichengeruch gewesen: „Der war noch in den Gebäuden drin.“

Anschließend trifft er sich mit Überlebenden und versucht, das Grauen in Porträtbildern sichtbar zu machen. Dazu fotografiert er 15 Personen mit geschlossenen Augen. „Wenn man nachdenkt, sich erinnert, hat man so einen Moment, wo man die Augen schließt“, erklärt er.

Hat der Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht ein Veto eingelegt?

„Schwarzer Shabbat - Black Shabbat“ nennt er das Projekt, mit dem er „auf die individuellen Geschichten und das Leid dieser Überlebenden aufmerksam machen“ will, wie es im Begleittext heißt. Die Fotos seien „ein Mahnmal für die Opfer“ und ein „Appell an die Menschlichkeit in einer von Konflikten gezeichneten Welt“.

Toscano will erinnern, aufrütteln, erklärt er, aber auch Räume schaffen für Aufarbeitung, womöglich gar für Versöhnung: „Künstler müssen Angebote machen für eine Auseinandersetzung und für Aufklärung.“ Und er will dabei alle im Blick behalten: Mittelfristig plane er einen Dokumentarfilm über Waisenkinder auf beiden Seiten des Gazastreifens.

© Luigi Toscano

Zurück in Mannheim möchte er seine Fotos an die Fassade des MVV-Hochhauses projezieren, erzählt er. Doch das Energieunternehmen habe sich in dem spannungsgeladenen Umfeld des Nahostkonflikts gegen solch eine öffentlichkeitswirksame Aktion entschieden. Man zeige auf dem Bildschirm am Hochhaus nur noch eine kleine Auswahl von Informationen, sagt dazu eine Sprecherin des Unternehmens: „Dieser Logik folgend, haben wir entschieden, eine Veröffentlichung von Fotos von Luigi Toscano am Hochhaus nicht zu realisieren.“ Der Künstler sagt dazu: „Das war eine Tatsache, mit der ich ganz gut leben kann.“

Also geht er auf die Alte Feuerwache zu, die bereits seine „Gegen das Vergessen“-Bilder zeigte. Christian Handrich, der Geschäftsführer des Kulturzentrums, das eine Tochtergesellschaft der Stadt ist, sei sehr angetan gewesen, berichtet Toscano, und habe ihm signalisiert: „Ja, das will ich.“ Er müsse es jedoch zunächst „im Haus“ klären.

Diese Klärung dauert Toscano zufolge sechs bis sieben Wochen. Dann, vor dem Sommer, habe er übermittelt bekommen: „Luigi, das will er nicht.“ Gemeint ist damit Oberbürgermeister Christian Specht (CDU). Wer ihm das gesagt hat, will Toscano nicht verraten. Er zeigt sich verärgert: „Ich hatte noch nicht mal eine echte Begründung.“

Aber kann es sein, dass der Oberbürgermeister oder jemand anderes von der Stadt Einfluss nimmt auf das kulturelle Programm der Alten Feuerwache? Dass deren Macher gar eine Genehmigung brauchen, wie es Toscanos Facebook-Post nahelegt?

Alte Feuerwache ist gemeinnützige Tochtergesellschaft der Stadt Mannheim

Zwar ist die Alte Feuerwache eine gemeinnützige Tochtergesellschaft der Stadt Mannheim, die einen Aufsichtsrat hat, dem sechs Gemeinderäte verschiedener Parteien angehören, die unter dem Vorsitz von Kulturbürgermeister Thorsten Riehle (SPD) tagen. Aber ist die Freiheit der Kunst damit begrenzt?

Die Antwort von Dirk Schuhmann, dem Chef der Pressestelle der Stadtverwaltung, lässt Raum für Interpretationen: Das Team der Alten Feuerwache agiere bei der Programmgestaltung „in der Regel eigenständig“. Eine Einflussnahme von Christian Specht schließt er explizit aus: Der OB-Bereich sei an der Absage „nicht beteiligt“ gewesen.

Mannheimer OB und Alte Feuerwache dementieren Einmischung

Das Kulturzentrum selbst weist jede Einflussnahme zurück: „Über das kulturelle Programm entscheidet die Alte Feuerwache selbst“, betont eine Sprecherin. Zur Absage sei es vielmehr aus anderen Gründen gekommen: Nach den ersten Gesprächen habe man geprüft, „ob wir die aufgrund der aktuellen konfliktgeladenen Situation zu erwartenden zahlreichen, teils sehr kontroversen Reaktionen der Öffentlichkeit in angemessener Weise bearbeiten und begleiten können“. Wegen des kleinen Teams und des laufenden Veranstaltungsbetriebs habe man „diese Fragestellung für uns nicht klar bejahen“ können.

Toscano kann das einerseits nachvollziehen: „Es ist mir bewusst, dass es heikel ist.“ Darum habe er durchaus ein gewisses Verständnis dafür, wenn jemand sich dagegen entscheide, seine Werke großformatig im öffentlichen Raum zu präsentieren: „Menschlich kann ich das verstehen.“

© Luigi Toscano

Andererseits ist er gefrustet. Oder besser gesagt: enttäuscht. Über die Kommunikation und die Art und Weise des Umgangs: „Darum geht es mir eigentlich. Das ist nicht okay.“ Wenn er zu einem Gespräch eingeladen worden wäre, um die Sache zu erörtern, sagt er, hätten die Wogen nicht so hoch geschlagen: „Ich hätte Verständnis dafür, wenn er es mir persönlich gesagt hätte. Das wäre ein feiner Zug gewesen.“

Bilder in der jüdischen Gemeinde Mannheim zu sehen

So habe es beispielsweise die Deutsche Bahn gemacht. In Kooperation mit ihr wollte er seine Werke auch in Berlin zeigen, erzählt er. Auch da sei die Ausstellung letztlich nicht zustande gekommen. Aber immerhin habe man sich da mit ihm an einen Tisch gesetzt und gemeinsam nach Lösungen gesucht: „Das ist anständig. So sollte es sein.“

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Mit dem Umgang mit seinem Projekt „Schwarzer Shabbat - Black Shabbat“ in seiner Heimatstadt hadert der viel beachtete Fotokünstler dagegen weiterhin: „Vielfalt einerseits anzupreisen und sie andererseits zu beschneiden, das passt nicht zusammen.“ Sein Frust ist hörbar: „Dann habe ich keine große Lust mehr, hier in Mannheim zu leben.“ Ganz zuschlagen will er die Türen aber nicht: „Ich würde mir wünschen, dass wir die Möglichkeit haben, miteinander zu reden.“

Zu sehen sind einige seiner Bilder in Mannheim nun trotzdem: Vier davon werden in der jüdischen Gemeinde ausgestellt. Wer sie betrachten möchte, sollte sich vorab telefonisch beim Gemeindebüro (Telefon 0621/15 39 74) anmelden.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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