Mannheim. In der Vergangenheit konnte man Weihnachtsliedern in den Wochen vor Heiligabend gefühlt überall begegnen: Sie waren zudem ein fester Bestandteil auf Weihnachtsmärkten. Doch aufgrund der deutlich höheren GEMA-Gebühren verzichten viele Stände dieses Jahr auf Musik. Was denken die Besucher über den stillen Budenzauber? Wirkt sich das auch auf den Umsatz aus? Wir haben uns auf den Mannheimer Weihnachtsmärkten umgehört.
Statt „O du fröhliche“ ist auf den Kapuzinerplanken stille Nacht angesagt: Hier läuft keine Musik. Die Geräuschkulisse setzt sich vor allem aus dem Stimmengewirr der Besucherinnen und Besucher zusammen. Monja und Inna fehlt die musikalische Untermalung. „Es ist traurig, denn die Musik trägt zur Stimmung bei“, sagt Monja. Inna gibt ihr Recht. „Sie gehört dazu. Und wenn man hier so nah an der Straße ist, wäre Musik schon schöner.“
Tobias und Katharina sind ehemalige Mitbewohner und haben sich auf dem Weihnachtsmarkt zu einem Glühwein getroffen. „Mir ist es nicht aufgefallen, dass keine Musik läuft“, gesteht Tobias. Katharina fände es gut, wenn Weihnachtsmusik gespielt würde. „Man kommt dadurch eher in Weihnachtsstimmung“, sagt die 26-Jährige aus Mannheim. Heike ist mit ihrer besten Freundin Cornelia und deren Tochter Lynn unterwegs. Das Trio hat Verständnis dafür, dass viele Stände auf Weihnachtslieder verzichten. „Das ist für mich total nachvollziehbar“, sagt Heike, die die Musik aber trotzdem vermisst. „Vielleicht hätte man sich mit Musik auf dem Markt noch wohler gefühlt.“ Dennoch findet sie die Entscheidung der Stände gut. Cornelia empfindet die hohen Gebühren der GEMA gar als Abzocke. „Das geht gar nicht“, moniert sie. Lynn findet die Vorgehensweise der GEMA „frech“.
Der Schmuckdesigner Felix Westenberger hat einen Stand auf den Kapuzinerplanken. Dass es dieses Jahr ruhig bleibt, stört ihn nicht. „Weihnachtsmusik ist schon im Radio nervig“, sagt er. „Da muss ich es nicht auch den ganzen Tag bei der Arbeit hören.“ Schräg gegenüber bietet Uschi Münch unter anderem süße Leckereien wie prächtige Lebkuchenherzen, gebrannte Mandeln oder Schokofrüchte an. Die Inhaberin von „Uschis Knusperhaus“ ist Schaustellerin in sechster Generation. „Ich bedauere es sehr“, sagt die Mannheimerin betrübt: „Weihnachtslieder gehören zur Weihnachtszeit dazu.“ Das Fehlen der Musik gehe zu Lasten der Atmosphäre. „Wir sind schon sehr verärgert.“ Zumal viele Schaustellerkollegen das ganze Jahr GEMA-Gebühren bezahlen, findet sie die Erhöhung „knallhart“, so die 58-Jährige.
„Beim Arbeiten merken wir nichts“
Willy und Anton van de Aar kommen aus den Niederlanden auf die Kapuzinerplanken – seit 28-Jahren, verrät Willy van de Aar, während sie frischen Teig für den Spekulatius, der am Stand gebacken wird, ausrollt. Dass die Musik fehlt, sei ein wenig an ihnen vorbeigegangen, gesteht sie und fügt lächelnd hinzu: „Wenn wir am Arbeiten sind, merken wir das nicht.“ Über weniger Umsatz klagen die beiden nicht. „Wir verkaufen nicht weniger als sonst.“ Der Stand locke viele Kunden an, weil es dort so lecker dufte.
Wer über den Paradeplatz flaniert, kommt an der Waldhütte nicht vorbei. Ein singender Elch zieht die Blicke auf sich, aus den Boxen tönt „Last Christmas“. Weihnachtlicher geht es wohl kaum. In der Hütte, wo man Plätze reservieren kann, genießen die Besucher den Abend. An der Waldhütte sorgen entweder Livemusik oder ein DJ für musikalische Untermalung, erzählt Markus Rick, Veranstalter des Märchenwalds. „Wir machen stundenweise Musik.“ Man wolle der Kundschaft etwas bieten. „Die Leute möchten ein schönes Event.“ Zudem gebe es Stehtische, wo Stammtische für die einzelnen Mannheimer Stadtteile zu finden sind. „Wir setzen uns sehr mit der Stadt Mannheim auseinander.“
Bei den Leuten kommt das Konzept gut an: Rund um den Essensstand tummeln sich die Besucherinnen und Besucher. Manfred und Laura beobachten den Elch amüsiert. „Ich finde es wunderschön“, sagt der Käfertaler, der großen Wert auf Traditionen legt. Den beiden gefällt es, dass hier Musik läuft, weil es zur weihnachtlichen Stimmung beiträgt, wie sie finden. Dass es woanders still bleibt, bedauern sie. „Es ist schade für die Kinder“, so Laura.
Musik kommt lediglich vom Kinderkarussell
Auf dem großen Weihnachtsmarkt rund um den Wasserturm ist es still, Musik kommt lediglich vom Kinderkarussell. Barbara ist mit ihrer Schwiegermutter Maria und ihrem fünfjährigen Sohn Oliver unterwegs. „Ich finde es schade, dass es keine Musik gibt“, sagt Barbara. „Ich auch“, fügt Oliver hinzu. Maria sieht das anders. „Bisher habe ich die Musik nicht vermisst“, sagt sie. Manche Songs gehen ihr sogar auf die Nerven. „Wenn ich manche Lieder im Radio höre, schalte ich es aus.“
Auch eine 42-Jährige aus Mannheim, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, findet es sogar angenehm, dass es auf dem Markt still bleibt. „Das ist oft für die Kinder ziemlich laut“, sagt die Mutter, die eine schöne Beleuchtung wichtiger findet.
Tarek Najdi verkauft an seinem Stand holländischen Bauernkäse. „Eigentlich schade“, sagt der junge Mann, der die Erhöhung der GEMA-Gebühren nicht so schön findet. „Man braucht hier die Stimmung“, sagt er. Auf den Umsatz wirke sich die fehlende Musik jedoch nicht aus. Bei einer Bude, die unter anderem Weihnachtsdeko verkauft, bestätigt der Mitarbeiter, dass ohne Musik etwas fehle. „Die Kundschaft erwähnt es immer wieder.“
Johanna ist mit ihrem anderthalbjährigen Sohn Ben und ihren Eltern Hans und Susanne auf dem Weihnachtsmarkt. „Die GEMA macht alles kaputt“, sagt Hans. Auch Johanna findet, dass die Stimmung verloren gehe. „Es ist schade, dass mein Sohn den Weihnachtsmarkt nicht so wie wir damals miterleben kann“, findet die junge Frau. Für die Entscheidung der Standbetreiber, keine Musik anzubieten, haben sie aber volles Verständnis.
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