Mannheim. In den vergangenen Tagen war es mal wieder soweit: Die Fahrt durch den Fahrlachtunnel war eingeschränkt. Wegen Wartungs- und Reparaturarbeiten hatte die Verwaltung zwei Wochen lang je eine Röhre schließen und den Verkehr durch die andere leiten müssen. Nachdem der Tunnel von August 2021 an fast zwei Jahre lang komplett gesperrt war, sind die Pendlerinnen und Pendler aber größere Sorgen gewohnt.
Seit Mitte Mai fließt der Verkehr durch den Tunnel immerhin wieder. Ein Akteneinsichtsausschuss hat sich in den vergangenen Monaten damit beschäftigt, wie es überhaupt dazu hat kommen können, dass der Tunnel am 3. August 2021 wegen gravierender Mängel abrupt geschlossen werden musste. Am Dienstag stellte der Fraktionsvorsitzende der Mannheimer Liste, Holger Schmid, den Abschlussbericht vor. Den Ausschuss hatten zehn Stadträtinnen und Stadträte aus allen Fraktionen gebildet. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was hat der sogenannte Akteneinsichtsausschuss gemacht?
Um die jahrzehntelangen Versäumnisse nachvollziehen zu können, die zur vollständigen Sperrung geführt haben, hatte der Gemeinderat im Februar den Ausschuss eingesetzt, dessen Mitglieder die Akten einsehen durften. Die Fraktion Freie Wähler/Mannheimer Liste hatte das Gremium gefordert. Auch der damalige Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) sprach sich dafür aus. In fünf Sitzungen unter der Leitung von Bildungsbürgermeister Dirk Grunert (Grüne) - dessen Dezernat keine Verantwortung für den Tunnel hatte - arbeitete der Ausschuss die Akten durch.
Hatten die Mitglieder fachkundige Unterstützung?
Nein. Der Akteneinsichtsausschuss war kein Untersuchungsausschuss. Ein solches Gremium, das auch Personen hätte vernehmen dürfen, gibt die Gemeindeordnung nicht her. Die Mitglieder des Ausschusses durften sich lediglich anhand der Akten ein Bild machen - und auf keine externe Hilfe zurückgreifen.
Welches Ergebnis zieht der Ausschuss nach Sichtung der Akten?
Ein klares Ergebnis gibt es nicht - zumindest nicht, wenn man auf eine eindeutige Klärung der Schuld gehofft hatte. „Der Akteneinsichtsausschuss in Bezug auf den Fahrlachtunnel ist aufgrund der besonderen, hohen technischen Komplexität für die Mitglieder ohne Hinzuziehung fachlichen Rates nur bedingt geeignet, einen wesentlichen Beitrag zur nötigen Aufklärung zu leisten“, erklärt Schmid. „Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die Gemeindeordnung einen Untersuchungsausschuss ermöglichen würde.“
Hat der Ausschuss also gar nichts herausbekommen?
Jein. Der Ausschuss betont, dass bis zum Abschluss des Baus eine „umfangreiche Dokumentation“ vorhanden sei. Danach sei diese aber „schwieriger nachzuvollziehen“. Aus den Akten geht hervor, dass sich immer wieder Zuständigkeiten für den Tunnel geändert hatten, was zur Folge hatte, dass Teilbereiche zwar weiterbearbeitet worden seien - „ein fachübergreifender Austausch und Abstimmung allerdings nicht zu erkennen sind“. Der Bericht stützt die Annahme der Verwaltung aus dem Mai, dass sie jahrzehntelang zu kleinteilig organisiert war. „Eine konkrete, zielgerichtete Organisationsverfügung fehlte“, heißt es im Bericht des Ausschusses. Zudem wurde ein Tunnelmanagement erst 2020 eingerichtet. „Es ist unverständlich, dass für ein solch komplexes Bauwerk wie den Fahrlachtunnel nicht von Beginn an ein koordinierendes Monitoring und Projektsteuerungssystem bestanden hat“, kritisiert Schmid für die Ausschussmitglieder.
Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren
Welche Lücken weisen die Akten auf?
Anscheinend viele. Von der Eröffnung 1994 bis zur Schließung 2021 gebe es keine durchgängige Aktenlage. Deshalb sei nicht nachvollziehbar, inwiefern neue Vorschriften „systematisch und unverzüglich“ angewandt und die Wartung des Bauwerks angepasst wurden. In einer wichtigen Richtlinie für die Tunnelsicherheit aus dem Jahr 2006 war die Einrichtung eines Tunnelmanagers gefordert worden - dieser wurde für den Fahrlachtunnel erst 2021 eingeführt. Ein Gutachten aus dem Jahr 2020 hatte mehrere Mängel im Tunnel festgestellt. Seit wann die existierten, sei dem Gutachten nicht zu entnehmen. „Wir müssen die Vermutung anstellen - da die Aktenlage sehr dürftig ist - dass die Probleme schon länger vorgelegen haben“, so Schmid. Zwar hat es laut Akten seit Anfang der 2010er-Jahre „umfangreiche Investitionen“ in den Brandschutz gegeben. Rückblickend aber „muss sich bis 2020 ein Wartungs- und Instandhaltungsrückstau aufgebaut haben, sonst könnte das Ergebnis der Schließung so nicht erfolgt sein“, heißt es im Bericht. Ab wann es Versäumnisse gab, „müsste mit fremder Expertise definiert werden. Dies kann der Ausschuss in Ermangelung eigener Expertise und der fehlenden Möglichkeit, diese beizuziehen, nicht vornehmen.“
Wie geht es nun weiter mit der Aufarbeitung?
Die ist mit dem Abschluss des Akteneinsichtsausschusses abgeschlossen, heißt es. Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) hatte im Gemeinderat erklärt, dass die Verwaltung als Lehre einen Manager geschaffen habe, der für den ganzen Tunnel zuständig sei. Dazu zählten betriebliche, technische und bauliche Maßnahmen. Außerdem hat die Verwaltung die geteilte Zuständigkeit abgeschafft. Seit 2020 ist das inzwischen von Erster Bürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) geführte Dezernat für das Bauwerk alleinverantwortlich, was eine der wichtigsten Lehren sei, erklärte Specht.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-ein-geschlossener-tunnel-und-viele-offene-fragen-_arid,2147114.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Zu wenig Klarheit beim Fahrlachtunnel