Schillertage am NTM

Jubel für zwei Schiller- und Schauspiel-Königinnen im Alten Kino

Auf Franklin, in der Ersatzspielstätte Altes Kino, feierte das Festival-Publikum die spürbare Urkraft der Sprechtheaterkunst. Barbara Nüsse und Karin Neuhäuser brillierten dort in "Maria Stuart und Elisabeth". Wir jubeln mit

Von 
Ralf-Carl Langhals
Lesedauer: 
Königlich: Barbara Nüsse (Elisabeth, li.) mit Karin Neuhäuser (Maria). © Armin Smailovic

Mannheim. Eine Haltestelle im Nirgendwo. Vor einem Altersheim sei sie gelegen, meinen die einen. Nicht auf den Bus, sondern auf Godot oder das Schafott würden die zwei Damen warten, andere. In das Alte Kino auf Franklin, wo Straßen noch ins Leere führen, Haltestellen vor toten Gleisen der Inbetriebnahme harren, Sandpisten und Baustellenabsperrungen Trostlosigkeit verbreiten, bildet das Bühnenbild von Matthias Koch das Draußen jedenfalls kongenial ab: Von hier aus geht es nicht weiter.

Dass der Raum so gut in den Raum passt, ist freilich Zufall, ist es doch keine NTM-Inszenierung, sondern ein Gastspiel des Hamburger Thalia Theaters, wo Regisseur Antú Romero Nunes diesen Dialog 2020 im größten Corona-Tohuwabohu an den Schluss seines Schiller-Triptychons „Ode an die Freiheit“ gestellt hatte. Um die bei launigen Nachgesprächen im luftig-bunten Festivalzentrum meist gestellte Frage, wieso man denn nicht alle drei Stücke zu sehen bekommen habe, vorweg zu beantworten: Die beiden anderen Teile („Wilhelm Tell“ und „Kabale und Liebe“) sind auch in Hamburg leider bereits abgespielt.

Ein Duell auf Augenhöhe

Umso mehr freute sich Mannheims Schillerwelt auf den Erhalt der „Maria Stuart“, die mit dem Untertitel „Ein Duell zweier Königinnen“ zu „Maria Stuart und Elisabeth“ wurde. Und namentliche Gleichberechtigung tut hier wahrlich Not, denn besetzt sind die mit Haarteilen bekrönten Häupter mit Karin Neuhäuser (Maria) und Barbara Nüsse (Elisabeth) - und somit mit zwei Königinnen des Schauspielfaches. Das darf man ohne Schmu einfach mal so feststellen.

Mehr zum Thema

Schillertage am NTM

"Wilhelm Tell" mit ukrainischen Kriegsbezügem am TiG7

Veröffentlicht
Von
Martin Vögele
Mehr erfahren
Schillertage am NTM

"Johanna (to go)" aus Düsseldorf im Kulturhaus Käfertal

Veröffentlicht
Von
Ralf-Carl Langhals
Mehr erfahren
Leben

Heteraclub und die Schillertage: „Alle haben das Recht, sexy zu sein“

Veröffentlicht
Von
Gisela Stamer
Mehr erfahren

Dass die Besetzung auch mit umgekehrter Rollenverteilung funktioniert hätte, belegt ein finaler Regieeinfall in einem ansonsten erfrischend klassischen Theaterabend, der auf die Urkraft der Sprechtheaterkunst setzt: kluge Texte, starke Charaktere, funktionierende Dialoge und exzellente Schauspielerinnen. Ein Fest ist es daher, der feinnervig-beiläufigen Eysoldt-Ring-Trägerin Barbara Nüsse und der seelenvoll-abgebrühten Karin Neuhäuser bei ihrem bewundernswert lässigen und dennoch messerscharfen Duell zu folgen. Die berühmte fingierte Begegnung zu Fotheringhay (III. Akt, 4. Szene) gerät bei Schiller-Hochamtszelebranten alten Schlages nicht selten höchst filmdramatisch. Allzu flotte Inszenierungen missverstehen die Szene hingegen als wohlfeilen Haudrauf-Zickenkrieg voll hysterischer Schreierei und mit Comedy-Faktor.

Mit dramatischer Leichtherzigkeit

Das N-Trio Nunes, Nüsse, Neuhäuser geht keinen der ausgetretenen Pfade. Stattdessen begegnet man sich hier mit lässiger Leichtherzigkeit filmisch kollegial, familiär schwesterlich und frauensolidarisch, dann auch wieder still hasserfüllt, schwermütig oder sarkastisch. Der Versuchung, den dramatischen Plot zum puren Diven-Zank großer Miminnen werden zu lassen, erliegen die Akteurinnen dabei selbstverständlich nicht. Dafür sind sie beide zu klug, zu erfahren, zu sensibel - wie Theater, wenn es gut ist.

Im Alten Kino Franklin wurde es wohl einhellig so empfunden, laut war hier nur der donnernde Applaus, mit Fußgetrampel (lange her in Mannheim). Bravo! Und danke.

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen