Mannheim. Fünf Spielstätten hatte der SV Waldhof Mannheim in seiner bis heute 114-jährigen Vereinsgeschichte. Vier davon - das Schlammloch, das Waldhof-Stadion am Alsenweg, das Südweststadion in Ludwigshafen und natürlich auch das Carl-Benz-Stadion - sind noch erhalten. In jeder dieser vier Spielstätten ist trotz des verblassten Glanzes früherer Tage noch immer ein Knistern zu spüren, der Hauch von großen Fußballkämpfen und vor allem einem großen Stück Klub-, Sport- und gar Stadthistorie liegt noch immer in der Luft und vereint sich mit dem Wunsch nach gelebter Vereinskultur. Der einzige Platz, der heute nicht mehr existiert, ist der Sandacker, der sich seinerzeit direkt angrenzend an die Waldhof-Schule befand und von 1911 bis 1924 die Heimat des SVW war.
Sieht man von den Bundesliga-Jahren der Blau-Schwarzen ab, so dürfte der Sandacker die Spielfläche des Vereins gewesen sein, die eine der erfolgreichsten Epochen des SV Waldhof erlebte; hier ging auch der berühmte und gefürchtete 3H-Sturm mit Seppl Herberger, Willi Hutter und Karl Höger auf Torejagd und reifte zu Nationalspielern.
Verbindung zwischen Stadtteilen
In den 1930er Jahren wurde die aufgegebene Spielfläche von den örtlichen Nationalsozialisten als zentraler Aufmarschplatz genutzt, später bezog die Spiegelfabrik das Gelände in ihren Planungen der Rohstoffversorgung mit ein und baute Sand ab und verfüllte die Gruben mit Schlacke der Schmelzöfen.
Das einstige, ruhmreiche und mit Fußballgeschichte nahezu getränkte Sportgelände war dem Beutezug der Natur freigegeben. Heute zeugt in der verwilderten Strauch- und Waldfläche rein gar nichts mehr von der Nostalgie einstiger Fußball-Schlachten.
Aus der Vereinsgeschichte des SV Waldhof war ein bedeutendes Kapitel herausgerissen, das nun nachträglich wieder mit neuen Seiten gefüllt werden soll. Nachdem Saint Gobain im Jahr 2017 begann, sich zurückzuziehen und das insgesamt 34 Hektar große Gelände zum Verkauf und einer neuen Bestimmung freizugeben, machten sich die Bürgerinitiative (BI) Waldhof-West, das Fanprojekt gemeinsam mit dem Fandachverband PRO Waldhof e.V. sowie die angrenzende Waldhof- und Johannes-Gutenberg-Schule daran, sich für einen „neuen Sandacker“ stark zu machen.
„Für uns waren hinsichtlich der Neu-Nutzung des Geländes drei Punkte wichtig: Erhaltung des Spiegelschlöss’ls, Erhaltung des Schlammlochs und Wiederherstellung des Sandackers“, sagt Jürgen Kurtz, Sprecher der Bürgerinitiative und seit vielen Jahren als Anwohner und Waldhof-Fan sehr rührig und engagiert in diesem Wohngebiet tätig. „Wir wollen in diesem engen zugeparkten Stadtteil eine Sport- und Freizeitmöglichkeit herstellen. Zudem wäre den Schulen eine wichtige Möglichkeit für Freiluft-Sport gegeben.“ Letztlich geht es auch darum, eine Verbindung zwischen den Stadtteilen Luzenberg und Waldhof-West zu schaffen und „zusammenzuführen, was zusammen gehört“, wie Daniel Gamer von PRO Waldhof e.V. in einem Radio-Interview mit dem SWR4 erklärte.
Das Engagement um einen neuen Sandacker hat inzwischen auch die Vereinsführung des SV Waldhof Mannheim auf den Plan gerufen. „Hier liegt die Heimat des SV Waldhof, hier ist die DNA des Vereins begründet. Die Familie Beetz hat sich bereit erklärt, sich wirtschaftlich zu beteiligen hinsichtlich eines Quartiersportplatzes und sozialen Wohnungsbaus“, erklärt Markus Kompp, Geschäftsführer der Spielbetriebs-GmbH des Drittligisten.
Kompp befindet sich seit einigen Wochen im Hintergrund im Austausch mit den politischen Vertretern der Stadt Mannheim. „Saint Gobain haben wir ebenso kontaktiert, aber bislang keine Rückmeldung erhalten und freuen uns auf den Austausch“, so Kompp.
Umfangreicher Baumbestand
Corinna Hiss, Sprecherin des Baudezernats der Stadt Mannheim, erklärte zum Stand der Initiative auf Anfrage dieser Redaktion: „Auf den Flächen südlich der Schule hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein umfangreicher Baumbestand entwickelt, der rechtlich als Wald einzustufen ist. Im Rahmen der Bürgerbeteiligung wurde die Idee einer Sportfläche mehrfach in die Diskussion eingebracht. Der Vorschlag ist zwar durchaus charmant und plausibel, allerdings mit der Frage des Grün- und Walderhalts im Gesamtgebiet abzuwägen. Insofern kann eine solche Entscheidung nur im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zur Entwicklung der Spiegelfabrik getroffen werden. Dieses ist noch nicht abgeschlossen.“
Für Jürgen Kurtz von der BI Waldhof-West und Martin Willig vom Fanprojekt, die bei einer Begehung mit dieser Redaktion zugegen waren, hat die Initiative über den fußballhistorischen Gedanken hinaus auch einen stadtgesellschaftlichen Aspekt: „Es geht darum, das Beste für den Stadtteil zu erwirken, eine weitere Identifikation und eine Erweiterungsfläche für die Schule zu schaffen.“ Im Frühjahr soll eine neue Bürgerbeteiligung erfolgen, Kurtz hofft auf eine rege Beteiligung aus dem Stadtteil - und auf den nächsten Schritt in Richtung „neuen Sandacker“.
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