Frankfurt. Wenn Banken zusammenbrechen, ist der Schaden immens – für Sparer, Kreditnehmer, Anteilseigner. Eine große Bankenpleite kann Staaten in Bedrängnis bringen und Finanzkrisen auslösen. Um das europäische Bankensystem resilienter zu machen, ringt die EU um ein gemeinsames Regelwerk darüber, wer wen absichert, wer im Krisenfall haftet, und wer entscheidet. Die deutschen Banken tun sich mit einer gemeinsamen EU-Haftung schwer, weil sie eigene Sicherungssysteme aufgebaut haben. Vor allem regionale Sparkassen und Genossenschaftsbanken möchten nicht für Schäden europäischer Großbanken aufkommen müssen. Nun gibt es einen ersten Kompromiss.
Was ist die CMDI-Reform?
Das „Crisis Management and Deposit Insurance Framework“ (CMDI) regelt den Umgang mit in Schieflage geratenen Banken in der EU. Ziel ist es, dass Kreditinstitute möglichst nicht mehr mit Steuergeldern gerettet werden müssen. Nach dem Willen der Europäischen Kommission sollen Banken in Schwierigkeiten künftig häufiger in einem geordneten Verfahren – dem sogenannten Abwicklungsmechanismus – aus ihrer Schieflage befreit werden. Eigentümer und Gläubiger sollen vorrangig haften. Die EU-Kommission möchte, dass die für eine Abwicklung zuständigen Behörden dafür auch bei kleinen und mittelgroßen Banken bis zu einer Bilanzsumme von 80 Mrd. Euro mehr Befugnisse erhalten.
Was ist der Unterschied zwischen Abwicklung und Insolvenz?
Wird eine Bank insolvent, wird der sogenannte Entschädigungsfall festgestellt. In einem solchen Fall wird die Bank meist vollständig liquidiert und verschwindet vom Markt. Es gibt keine Rettung oder Restrukturierung. Die Haftung liegt primär bei den Gesellschaftern und den Gläubigern. Die Einleger erhalten ihr Geld bis zur gesetzlichen Grenze zurück (meist 100.000 Euro). Das gesetzliche Einlagensicherungssystem prüft Ansprüche und zahlt berechtigten Kunden ihr Geld aus – meist innerhalb von sieben Tagen.
Was geschieht, wenn die Bank sehr groß ist?
Ist das gefährdete Institut aber von besonderer Bedeutung oder so groß, dass sein Untergang andere Banken mitzureißen droht, kann es durch Investoren oder staatliche Hilfe gerettet und neu strukturiert werden. Während der globalen Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 geriet zum Beispiel die Commerzbank in Bedrängnis und musste durch den deutschen Staat aufgefangen werden.
Was passiert bei einer Bankenabwicklung?
Das Verfahren greift, wenn die Abwicklungsbehörde zu dem Ergebnis kommt, dass der Abwicklungsmechanismus besseren Schutz für Kunden und Finanzstabilität bietet. Ziel ist es, die Bank ohne Einsatz von Steuergeldern zu restrukturieren oder vom Markt zu nehmen. Im Verlauf einer Bankenabwicklung können Teile der Bank auf ein temporäres Institut, eine sogenannte Brückenbank, übertragen werden. Möglich sind auch ein Verkauf oder Teilverkauf oder die Auslagerung und Verwertung problematischer Vermögenswerte. Verluste werden auf Eigentümer und Gläubiger verteilt. Einlagen bis 100.000 Euro sind geschützt. Nationale Einlagensicherungssysteme können zur Finanzierung herangezogen werden, wenn die Bank nicht genug eigene Mittel hat.
Was ist der einheitliche europäische Abwicklungsfonds (SRF)?
Der SRF unterstützt die geordnete Abwicklung von Banken, deren Ausfall das Finanzsystem gefährden könnte. Er tritt ein, wenn die Mittel von Aktionären und Gläubigern nicht ausreichen, um alle Forderungen zu decken. Der Fonds wird durch Beiträge von Banken in den teilnehmenden EU-Staaten finanziert. Seit 2016 bis Ende 2023 musste die europäische Kreditwirtschaft den Fonds durch Einzahlungen aufbauen. Das Fondsvolumen soll mindestens einem Prozent der gedeckten Einlagen aller teilnehmenden Banken entsprechen. Verwaltet wird er vom Single Resolution Board (SRB) mit Sitz in Brüssel. Die zuständige nationale Abwicklungsbehörde ist die Bankenaufsicht Bafin.
Über welche Aspekte der Reform wurde gestritten?
Gerungen wurde unter anderem um die Frage, nach welchen Kriterien auf den gemeinsamen Abwicklungsfonds zugegriffen werden darf, wie und wann er im Falle einer großen Bankenpleite wieder aufgefüllt werden muss und ob es dabei eine Art Verursacherprinzip geben soll. Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland verweisen darauf, dass sie eigene Rücklagen unterhalten, in die alle Mitglieder einzahlen. Dadurch sei sichergestellt, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken gar nicht erst zu einem Fall für den SRF werden. Gerät ein Mitglied in eine Krise, springen die anderen ein. Damit das nicht ständig passiert, haben die jeweiligen Verbände – konkret deren Institutssicherungssystem – das Recht zu prüfen und im Ernstfall – auch präventiv – einzugreifen. Es darf Sanierungskonzepte entwickeln, das Management beraten oder sogar austauschen.
Was ist „bridge the gap“?
CMDI erlaubt den Einsatz von Mitteln aus nationalen Einlagensicherungssystemen, um eine Bank geordnet abzuwickeln, bevor der einheitliche europäische Abwicklungsfonds (SRF) aktiviert wird. Ziel ist es, eine reibungslose Übertragung von Vermögenswerten und Einlagen auf ein anderes Institut zu ermöglichen – etwa im Rahmen einer Brückenbankstrategie.
Was bedeutet „Superpräferenz“?
Um ihrer Aufgabe nachkommen zu können, haben die Einlagensicherungssysteme einen bevorzugten Gläubigerstatus. Werden im Falle einer Insolvenz die verbliebenen Vermögenswerte an die Gläubiger verteilt, genießen sie Vorrang. Diesen Vorrang sollten sie nach den ursprünglichen Reformplänen der Kommission verlieren, um eine geordnete Abwicklung über Institutsgrenzen hinweg zu erleichtern. Die deutsche Kreditwirtschaft befürchtete eine Auszehrung der Einlagensicherung.
Was unterscheidet die CMDI-Reform von der Diskussion um eine gemeinsame europäische Einlagensicherung (EDIS)?
Über eine gemeinsame europäische Einlagensicherung verhandeln die EU-Staaten bereits seit dem Jahr 2015. Die Kommission betrachtet eine gemeinsame Einlagensicherung als dritte Säule der geplanten Bankenunion – neben der gemeinsamen Bankenaufsicht und der gemeinsamen Bankenabwicklungsbehörde. Im Gegensatz zum CMDI sollen die Einlagen europäischer Bankkunden durch einen gemeinsamen europäischen Fonds abgesichert werden. Im Falle einer Insolvenz würden alle Forderungen durch ein gemeinsames System abgesichert. Die Idee stößt insbesondere in Deutschland auf Skepsis, unter anderem, weil sie bestehende Systeme infrage stellen würde. Bankenvertreter argumentieren, dass die Vergemeinschaftung von Risiken dazu führen würde, größere Risiken einzugehen. Kleinere Banken müssten für die weit größeren Risiken von Großbanken mit haften. Nach erfolgreicher Reform der Einlagensicherung werde die Diskussion um EDIS dennoch wieder Fahrt aufnehmen, erwarten Bankenvertreter.
Wie geht es weiter?
Die europäischen Gesetzgeber haben sich auf Kernaspekte der CMDI- Reform verständigt. Jetzt müssen noch die Details ausgearbeitet und die Reform dann in den Mitgliedsländern implementiert werden. Das nun beginnende Verfahren nennt sich „technischer Trilog“. Trilog, weil die wesentlichen Gesetzgebungsorgane der EU – das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission – beteiligt sind.
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