Frau Schurzmann, Sie wollten früher Leistungssportlerin werden. Wann haben Sie zum letzten Mal Ihr Pferd aus dem Stall geholt?
Denise Schurzmann: Gestern. Ich reite fast jeden Tag. Ich benötige diesen Ausgleich, denn der Beruf und das Ehrenamt sind natürlich sehr stressig. Meine Pferde sind für mich wie Freunde und gehören zur Familie. Gerade 2015 war das für mich sehr wichtig, ich brauchte nach diesem brutalen Schicksalsschlag einfach eine Konstante im Leben.
Die Powerfrau
- Denise Schurzmann wurde am 26.Januar 1989 in Rosenheim (Oberbayern) geboren. Sie studierte Wirtschaft und Executive Management.
- Seit 2015 leitet sie als Geschäftsführerin den Familienbetrieb Krause Industrieschaltanlagen GmbH in Raubling (bei Rosenheim).
- 2021 übernahm Schurzmann den Bundesvorsitz der Wirtschaftsjunioren (WJD) für zwei Jahre. Es ist der größte Verband von jungen Unternehmern und Führungskräften in Deutschland.
- Die nächste Bundeskonferenz der Wirtschaftsjunioren startet am 15. September in Mannheim. Die Konferenz dauert vier Tage.
Damals ist Ihr Vater an Leber-krebs gestorben. Sie mussten als 26-Jährige ins kalte Wasser springen und eine Firma mit 40 Mitarbeitern und mehreren Millionen Euro Umsatz übernehmen.
Schurzmann: Das war für mich eine sehr schwere, aber auch spannende Zeit. Ganz fremd war mir das Unternehmen aber nicht. Ich habe schon seit 2010 immer wieder in den Betrieb hineingeschnuppert. Sie müssen aber wissen, dass ich in dem Branchenumfeld, in dem wir mit unseren Industrieschaltanlagen unterwegs sind, durchaus etwas heraussteche.
Inwiefern?
Schurzmann: Ich kann Ihnen sagen: Bis heute saß ich noch nie mit einer weiblichen Vertragspartnerin am Tisch. Ich habe es in dieser klassischen Männerbranche bei Verhandlungen nur mit Männern zu tun.
Und wie kommt man als Frau in der Männerwelt zurecht?
Schurzmann: Am Anfang sind mir sehr viele Vorurteile begegnet.
Welche denn?
Schurzmann: Als junge, blonde Frau wurde ich natürlich immer gefragt: Was haben Sie denn vorher gemacht? Unterschwellig wurde also angezweifelt, dass ich überhaupt ein Unternehmen leiten könnte.
Sie meinen, die hielten Sie für zu dumm für diesen Job?
Schurzmann: Nein, so krass war es nicht. Es ging eher um meinen Background. Was hat die denn studiert? Was hat sie gemacht? Ich war ja bis zum Tod meines Vaters nur im Hintergrund tätig. Ich durfte kein einziges Vertriebsgespräch mit den Kunden über Preise oder Zahlungsmodalitäten führen. Ich musste also in der Tat – wie Sie es ausgedrückt haben – ins kalte Wasser springen. Das war eine große Herausforderung.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Gegen Schicksalsschläge sind wir alle machtlos. Sind Sie aber nicht dennoch ein Paradebeispiel dafür, dass in Familienunternehmen der Übergang oft nicht professionell genug geregelt wird?
Schurzmann: Das ist bei mir definitiv so gewesen, aber Sie haben recht, ich bin da kein Einzelfall. Mein Vater hat dieses Unternehmen aufgebaut. Für diese Generation ist es einfach schwierig, loszulassen und den Betrieb ihren Kindern zu überlassen. Es geht da ja um ihr Lebenswerk. Das hat übrigens nichts damit zu tun, ob die Nachkommen männlich oder weiblich sind, wie ich im Gespräch mit den jungen Kolleginnen und Kollegen meines Verbands festgestellt habe. Ich persönlich hätte mir jedenfalls gewünscht, dass mein Vater in der Anfangszeit als Berater an meiner Seite gewesen wäre.
Als Unternehmenschefin haben Sie ja schon genug zu tun, dennoch haben Sie 2021 erfolgreich für den Bundesvorsitz der Wirtschaftsjunioren kandidiert. Kommen Sie da überhaupt noch zum Schlafen?
Schurzmann: Die Nächte werden definitiv kürzer, und natürlich habe ich auch weniger freie Wochenenden. Aber meine sieben Stunden Schlaf nehme ich mir, von Ausnahmen abgesehen, schon.
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Warum haben Sie sich den zusätzlichen Job denn angetan, sind Sie ein Workaholic?
Schurzmann: Nein, daran liegt es nicht. Ich will einfach die Stimme der jungen Wirtschaft sein. Und zwar laut und deutlich. Außerdem bin ich mit den Wirtschaftsjunioren aufgewachsen, ich habe das im Blut. Meine Eltern waren auch dort aktiv, mein Vater war stellvertretender Bundesvorsitzender, ich bin schon als kleines Mädchen zu den Veranstaltungen mitgegangen. Die erste habe ich 1988 im Bauch meiner Mama besucht. Sie meinte, das habe mir gut gefallen. Ich hätte arg getobt. Der Bundesvorsitz ist eine super Möglichkeit für mich persönlich. Man kann nicht immer nur schimpfen, sondern muss auch etwas tun.
Was unterscheidet denn die junge Wirtschaft von der alten?
Schurzmann: Ich glaube, dass wir einen anderen Blick auf die Politik haben. Wir sind die Generation, die mit den Entscheidungen der Bundesregierung die nächsten 20 Jahre leben muss. Das Thema Nachhaltigkeit spielt bei uns eine große Rolle. Laut unserer Umfrage wären drei von vier jungen Unternehmerinnen und Unternehmer bereit, für mehr Nachhaltigkeit auf kurzfristige Entlastungen bei der Energie- und CO2-Steuer zu verzichten. Und das Thema Digitalisierung ist auch sehr wichtig.
Seit der Pandemie wissen wir, dass wir in einer digitalen Wüste leben.
Schurzmann: Genau. Dabei geht es nicht nur um fehlendes Breitband in meinem Betrieb, digitale Verwaltungsprozesse könnten auch für weniger Bürokratie sorgen. Ein Fünftel unserer Mitglieder stellt gar keine Anträge auf Fördermittel, weil das viel zu kompliziert ist. Auch bei Unternehmensgründungen ist die Bürokratie ein Riesenproblem. In Lettland ist eine Gründung in 24 Stunden möglich – digital. Wir brauchen da viel mehr Wandel. Ich habe mitten in der Pandemie im Dezember 2020 den Standort einer meiner GmbHs gewechselt. Ich musste persönlich in der alten Gemeinde erscheinen, und mit der Abmeldung bei der neuen aufkreuzen. Das ist doch unglaublich.
Sie wurden von der Jury von „Business Insider“ in die Top 25 der „Zukunftsmacherinnen“ gewählt. Wie stellen Sie sich die Zukunft vor?
Schurzmann: Wir müssen aufpassen, dass die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt wird. Ich habe die anderen Stichpunkte ja schon erwähnt: Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Bürokratieabbau – wir brauchen einen Schub nach vorn. Was uns besonders plagt, ist natürlich der Fachkräftemangel, der uns in Zukunft noch mehr Kummer bereiten wird. Wir müssen da neue Wege einschlagen.
Zum Beispiel mit der 42-Stunden-Woche und der Rente mit 70?
Schurzmann: Das sind Themen, bei denen unser Verband keine Meinung hat.
Sie haben als Unternehmerin aber bestimmt eine.
Schurzmann: Natürlich. Das Gerede über die 42-Stunden-Woche geht total an den Bedürfnissen der Beschäftigten vorbei. Als ich vor zwölf Jahren in das Unternehmen kam, hatten wir zwei bis drei Arbeitszeitmodelle, aktuell sind es bei 50 Mitarbeitern rund 30. Die Beschäftigten wollen flexible Arbeitszeiten und fordern das auch ein. Die Zeiten haben sich geändert. Heute muss sich der Arbeitgeber bei den Arbeitnehmern bewerben und auf deren Wünsche eingehen.
Als Boomer habe ich es anders als meine Kinder nicht so mit der Work-Life-Balance.
Schurzmann: Das mag sein. Die Work-Life-Balance steht in unserem Betrieb vor allem bei den Jüngeren hoch im Kurs. Als Arbeitgeber muss ich mich darauf einstellen, dass nicht nur die Älteren ihre Arbeitszeit reduzieren wollen. Sonst arbeitet keiner mehr bei mir.
Und was halten Sie von der Rente mit 70?
Schurzmann: Gar nichts. So lange arbeitet in Europa doch keiner. Ich würde mir aber eine flexible Altersgrenze wünschen. Denn es gibt ja Frührentner, die würden gerne ein bisschen weiter arbeiten, unterlassen das aber wegen der zu niedrigen Hinzuverdienstgrenze. Die Bundesregierung will diese jetzt streichen. Das finde ich gut.
Wie kommen Sie mit dem neuen Wirtschaftsminister Robert Habeck zurecht?
Schurzmann: Sehr gut. Ich werde ihn am 27. September treffen, wir hatten aber schon Online-Meetings. Ich habe den Eindruck, dass im Wirtschaftsministerium in diesen schwierigen Zeiten hart gearbeitet wird. Die Heidelberger Staatssekretärin Franziska Brantner wird ja die Eröffnungsrede bei unserer Bundeskonferenz halten.
Lob für Grünen-Politiker von den Wirtschaftsjunioren. Ich dachte immer, dass Ihr Verband eher auf Schwarz oder Gelb steht.
Schurzmann: Das ist ein Vorurteil. Es gibt natürlich auch bei uns Mitglieder, die die Grünen wählen. Wir sind da divers aufgestellt.
Wer kommt denn Ihren Vorstellungen von einem guten Politiker am nächsten: Robert Habeck, Olaf Scholz oder Christian Lindner?
Schurzmann: Da wir ja als Verband sehr unparteiisch sind und mit allen sprechen, will ich keine Auskunft geben. Die haben alle ihre Vorteile und ihre Schwächen. Zusammen können sie es aber gut wuppen.
Die nächste Bundeskonferenz startet am 15. September in Mannheim. Waren Sie schon mal hier?
Schurzmann: Nein. Ich freue mich sehr auf Mannheim.
Nächstes Jahr müssen Sie aber wiederkommen.
Schurzmann: Warum?
Als Springreiterin ist für Sie das Maimarkt-Turnier doch Pflicht.
Schurzmann: Das stimmt. Da war ich auch noch nie. Aber nächstes Jahr endet ja meine Amtszeit, dann habe ich auch wieder mehr Zeit für den Leistungssport. Wer weiß, vielleicht gebe ich dann in Mannheim sogar mein Comeback.
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