Mannheim. Frachtschiffe kämpfen seit Wochen mit Niedrigwasser. Binnenschiffer müssen bei ihrer Ladung den Tiefgang des Schiffes beachten. Bei niedrigen Wasserständen können sie weniger Fracht befördern - irgendwann wird der Transport unwirtschaftlich. Wie ist die Lage bei Unternehmen in der Region, die auf Transporte per Schiff angewiesen sind? Wie sieht es in den Containerterminals aus? Diese Redaktion hat sich umgehört.
Hildebrandmühle Mannheim
In der Hildebrandmühle im Bonadieshafen wird Hartweizen verarbeitet, vor allem zu Gries für die Nudelindustrie. Schiffe sind dort ein wichtiges Verkehrsmittel, insbesondere für den Abtransport der Kleie, die in der Produktion übrig bleibt. Sie wird in der Tiernahrungs- und Kosmetikindustrie weiterverwendet - und dazu verschifft: Pro Woche etwa 500 Tonnen. „Wenn die Kleie bei uns liegen bleibt, ist das ein großes Problem“, sagt ein Sprecher der Goodmills GmbH, zu der die Mannheimer Mühle gehört.
„Kleinere Schiffe fahren im Moment zwar noch, aber mit deutlich verminderter Kapazität - es braucht also zwei bis drei Schiffe statt einem.“ Für den Transport würden erhebliche Zuschläge fällig, da den Schiffern für die fehlenden Mengen ein Ausgleich gezahlt werde. Auf Lkw umzusteigen, sei schwierig: „Auf einem kleinen Schiff bekommt man bis zu 500 Tonnen unter, in einem Lkw nur 25“, so der Sprecher. Bei der Anlieferung des Rohstoffs Hartweizen, der zu einem großen Teil aus Kanada und Frankreich zu der Mannheimer Mühle kommt, hatte Goodmills zuletzt sogar verstärkt auf Schiffe zurückgreifen müssen: Dem Sprecher zufolge hat die Bahn-Tochter DB Cargo dem Mühlenbetreiber nämlich vor einigen Wochen kurzfristig einen Zug gekündigt. „Den hatten wir extra gechartert, um mehrere 1000 Tonnen Hartweizen, die wir bereits reserviert hatten, aus dem Raum Paris nach Mannheim zu bringen. Dafür mussten wir plötzlich eine andere Lösung finden.“ Am Ende habe man Schiffe genutzt. Inzwischen werde der Hartweizen in Mannheim weitgehend per Lkw angeliefert.
Grosskraftwerk Mannheim
Wichtiger Brennstoff: Um Strom und Fernwärme zu erzeugen, bezieht das Grosskraftwerk Mannheim (GKM) Steinkohle aus der ganzen Welt. Von den großen Seehäfen gelangt die Kohle über den Rhein zum GKM. Durch die Trockenheit der vergangenen Monate führe der Fluss aktuell zwar wenig Wasser, und es komme zu Einschränkungen beim Transport, erklärt eine Sprecherin. Doch Kohle gebe es genug auf Halde, zeitweise Lieferengpässe habe man daher gut im Griff. „Unser Vorrat ist generell der Jahreszeit entsprechend ausgelegt und reicht für mehrere Wochen“, teilt die Sprecherin mit. Das GKM sichere sich frühzeitig „Frachtkapazitäten“. Aber was, wenn die Niedrigwasser-Lage angespannt bleibt? Die Sprecherin schließt für diesen Fall Produktionseinschränkungen in den nächsten Wochen nicht gänzlich aus.
Das GKM verfügt über einen Schienenanschluss. Kohle könnte also auch per Güterzug geliefert werden. Nach Plänen der Bundesministerien für Wirtschaft und für Verkehr sollen Güterzüge Vorrang vor Personenzügen erhalten. Nämlich dann, wenn sie Kohle, Gas, Öl oder Trafos geladen haben - also alles, was Kraftwerke und Fabriken am Laufen hält. Für Steinkohle von Güterzügen besteht beim GKM kein Bedarf, zumindest noch im Moment.
BASF
Beim Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen ist die Produktion durch das Niedrigwasser nicht beeinträchtigt - noch nicht. „Wir können aber für die nächsten Wochen Reduktionen in den Produktionsraten einzelner Anlagen nicht vollständig ausschließen“, sagte eine Sprecherin. In diesem Fall würden Kunden frühzeitig und umfassend informiert. Seit 2018 seien einige Maßnahmen eingeleitet worden, „um den Standort Ludwigshafen widerstandsfähiger gegen Niedrigwasserereignisse zu machen und die Versorgungssicherheit der Produktion zu erhöhen“. Dadurch könnten die derzeitigen und prognostizierten Pegelstände besser gemanagt werden.
Zu den weiteren Maßnahmen gehört ein digitales Frühwarnsystem für Niedrigwasser mit einer Vorwarnzeit von bis zu sechs Wochen, das mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde umgesetzt wurde. Außerdem chartere die BASF vermehrt moderne Schiffe, die für Niedrigwasser geeignet sind. Nach dem letzten extremen Niedrigwasser 2018 wurde die Entwicklung von Schiffsneubauten vorangetrieben. Ein Schiff mit hoher Tragfähigkeit bei geringem Tiefgang für die Standortversorgung in Ludwigshafen ist derzeit im Bau (wir berichteten). Im Werk wurden zudem die Rückkühlkapazitäten ausgebaut und Kühlwasserströme optimiert, um während heißer Wetterphasen Produktionsunterbrechungen zu verhindern und sich unabhängiger vom Flusswasser des Rheins zu machen.
„Für den Warenumschlag ist der niedrige Wasserstand aktuell ein Riesenproblem“, sagt Marco Speksnijder, Geschäftsführer von Contargo Rhein-Neckar mit Terminals in Mannheim und Ludwigshafen. Weil der Pegel in Kaub für die meisten Schiffstypen zu niedrig ist, werden nur noch wenige Container über das Wasser transportiert. Regulär könne ein Schiff etwa 100 bis 150 Container laden. „Um die gleiche Menge an Containern zu transportieren, brauchen wir jetzt vier bis fünf Schiffe.“
Alternativ sei eine Zugverbindung zwischen Mannheim und Duisburg aufgebaut worden, auf der zwei Mal pro Woche Züge pendeln, um die Lücke zwischen Nieder- und Oberrhein und weiter zu den Seehäfen Rotterdam und Antwerpen zu schließen. Auch die Züge nach Hamburg und Bremerhaven seien aufgestockt worden, ebenso nach Rotterdam, das bis zu zehn Mal pro Woche angesteuert werde. Vereinzelt würden auch Lastwagen Richtung Antwerpen und Rotterdam geschickt.

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Hinzu kommen, so Speksnijder, weiterhin die Folgen der Corona-Pandemie mit langen Abfertigungs- und Wartezeiten in den (See-)Häfen sowie der Ukrainekrieg. „Der komplette Logistikmarkt ist momentan sehr angespannt.“ Man sei im ständigen Kontakt mit den Kunden und Firmen, doch eine Priorisierung bestimmter Güter gebe es nicht. „Wir warten jetzt auf Regen, um vorübergehend einen Anstieg des Pegels Kaub zu haben“, hofft er. Und wenn es nicht oder kaum regnet? „Dann wird es spätestens Mitte bis Ende nächster Woche sehr, sehr dünn.“ Wenn auch am Niederrhein die Schifffahrt eingestellt werde, würden die Terminals volllaufen, und man könne keine Container mehr annehmen. „Momentan können wir nur von Tag zu Tag schauen.“
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