Flüchtlinge

Anwohner der Bibliser Goethestraße kämpfen weiter um die freie Fläche

Ziemlich viel Frust bekommt Ewald Gleich (SPD) vom Gemeindevorstand beim Treffen mit Anwohnern der Goethestraße zu spüren. Sie sind gegen jede Bebauung, die geplante Flüchtlingsunterkunft sei nur der Anfang

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Corinna Busalt
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Anwohner der Goethestraße demonstrieren gegen die Bebauung des Goetheplatzes. Ewald Gleich (hinten rechts) hört sich ihre Argumente an. © Berno Nix

Biblis. Ziemlich viel Frust bekommt Ewald Gleich (SPD) vom Gemeindevorstand beim Treffen mit Anwohnern der Goethestraße zu spüren. Dabei betont er, nur als Bürger und nicht als Vertreter der Gemeinde oder gar des Bürgermeisters gekommen zu sein. Gleich verspricht dennoch, die Sorgen der Bibliser weiterzugeben und im Gemeindevorstand anzusprechen. Denn die Nachbarn des Goetheplatzes wehren sich weiter heftig gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft dort.

Ausländerfeindliche oder rechtsextreme Aussagen verbittet sich Gleich allerdings. „Sonst bin ich hier wieder weg.“ Gegen Flüchtlinge habe gar keiner etwas, betont Wortführer Hans Dieter Barth. Der Begriff sei ohnehin vorbelastet: „Flüchtlinge gab es früher schon, das waren Vertriebene, die eine Unterkunft brauchten. Und das brauchen auch die Flüchtlinge heutzutage.“ Allerdings nicht auf der Brachfläche entlang der Goethestraße, betont Barth, und zahlreiche Nachbarn stimmen ihm zu. Für Barth ist das Containerdorf, das laut Bürgermeister in sechs Wochen dort entstehen soll, auch nur ein Vorwand, um das Gelände zu bebauen. „Die Erschließung für rund zwei Millionen Euro dient doch dazu, hier dauerhaft Wohngebäude zu errichten. Dafür ist das Gelände aber nicht geeignet“, findet Barth. Dahinter scheppert gerade lautstark ein Güterzug vorbei und unterbricht die Unterhaltung.

Für Friedhofserweiterung verkauft

Für Hans Dieter Barth ist die Geschichte der Freifläche in der Goethestraße eine zutiefst persönliche: Das Grundstück, auf dem seltene Eidechsen und Orchideen heimisch sind, hat einmal ihm gehört. „Mein Vater hat hier eine Möbelfabrik betrieben, und ich wollte sie erweitern. Das hat mir die Gemeinde aber verwehrt.“ Er ist überzeugt, dass der Boden belastet ist, weil damals Pestizide genutzt wurden, um den Holzwurm zu bekämpfen. „Vier Meter hoch lagerte hier zeitweise Holz, das von der Rodung für den Bibliser Flugplatz stammte“, erinnert er sich. Mitte der 1950er Jahre sei das Sägewerk stillgelegt worden, er selbst betrieb die Möbelfabrik bis Anfang der 1990er weiter.

Danach wollte die Gemeinde das Grundstück nutzen, um den Friedhof zu vergrößern. „Nur dafür habe ich es verkauft, das wurde vertraglich festgelegt.“ Doch die Erweiterung ist wegen der zunehmenden Urnenbestattungen vom Tisch. „Das Gelände liegt seit Jahren brach“, sagt Barth. In seinen Augen hat es sich zu einem Biotop entwickelt - und schützt die Nachbarn vor dem Feinstaub und Lärm aus dem Gewerbegebiet hinter den Schienen.

Diese natürliche Barriere wollen die Anwohner nicht verlieren. „Fast eine Million Quadratmeter ist da zubetoniert, noch nicht mal Photovoltaik gibt’s auf den Dächern“, schimpft Barth. Wie solle Biblis da klimaneutral werden? Eine dauerhafte Bebauung widerspreche dem ohnehin. Doch laut Ewald Gleich war das Grundstück schon mehrfach im Gespräch: „Schon unter Felix Kusicka war hier ein Büro-Wohn-Komplex angedacht.“ Die Gemeinde sei zudem von höherer Stelle verpflichtet, angesichts der Wohnungsnot freie Grundstücke im Ort aufzulisten. Im März hat die Gemeindevertretung dann mehrheitlich beschlossen, dort Container für Flüchtlinge aufzustellen. „Das muss rückgängig gemacht werden“, fordert Barth. Wieder nicken alle.

Warum nicht kleinere Einheiten für nur 20 oder 30 statt 180 Flüchtlinge geplant seien, fragt sich Carsten Winkler. „Das wäre viel sinnvoller für die Integration.“ Aber auch viel teurer, wirft Ewald Gleich ein. Die Gemeinde müsse wirtschaftlich denken. Für Dagmar Hallinger, die nebenan wohnt, sind außerdem noch viele Fragen offen, die sie bei der Bürgerversammlung gestellt hat. „Warum bekommen wir keine Antworten? Wieso kommen die Gemeindevertreter nicht hierher, die für die Unterkunft gestimmt haben?“ Ihre Sorgen hat sie nun auch Landrat Christian Engelhardt geschildert, weil sie das Gefühl hat, vor Ort kein Gehör zu finden. „Gegenüber ist der Friedhof, wo die Menschen bei ihren Verstorbenen Ruhe finden möchten.“ Wenn rund 180 Flüchtlinge dort leben, sei das nicht mehr möglich, ist sie überzeugt.

Ewald Gleich verspricht, all diese Argumente und Ängste anzusprechen. Mehrfach plädiert er für einen „gesunden Dialog und respektvollen Umgang miteinander“. Zudem verweist er auf die Umweltschutz- und Bodengutachten auf dem Gelände. Doch die Anwohner winken nur ab. Spielgeräte und Barfußpfad für Kinder und Bänke für Senioren wünschen sie sich an der Stelle.

Container kommen in sechs Wochen

„Seit sechs Wochen arbeiten wir intensiv für die Baugenehmigung am Standort Goethestraße. Bald werden wir die Teilgenehmigung haben und dann mit den Tiefbauarbeiten anfangen“, sagt Bürgermeister Volker Scheib zur Situation in Biblis. Die Zuweisung nehme im Kreis wieder Fahrt auf und dementsprechend müssten die Städte und Gemeinden ihren Teil übernehmen. Er rechnet damit, dass die Container bis in sechs Wochen dort stehen und wiederum sechs Wochen später die ersten Geflüchteten einziehen könnten. Die Gemeinde habe viel Aufwand für den Artenschutz betrieben. Zaun- und Mauereidechsen wurden umgesiedelt, ebenso wurde die Ragwurz, eine seltene Orchideenart, an den neuen Standort am Gemeindesee gebracht. 

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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