Industrie

Warum wollen Sie Thyssenkrupp zerschlagen, Herr López ?

Der Vorstandschef von Thyssenkrupp hat weitreichende Pläne für den Umbau des Traditionskonzerns – mit Folgen für Jobs und Standorte. Im Interview verteidigt er die Maßnahmen.

Von 
Ulf Meinke
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Miguel López ist seit Juni 2023 Vorstandsvorsitzender von Thyssenkrupp . © picture alliance/dpa

Essen. Miguel López hat einen radikalen Plan für Thyssenkrupp entwickelt. Sollte er Wirklichkeit werden, wäre eines der traditionsreichsten deutschen Industrieunternehmen nicht mehr wiederzuerkennen. Schrittweise will der deutsch-spanische Manager sämtliche Geschäfte aus dem Konzern ausgliedern.

Von der derzeitigen Thyssenkrupp AG in Essen bliebe nur noch eine kleine Finanz-Holding übrig, gleichzeitig sollen mehrere neue Unternehmen entstehen. Seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren hat López schon oft heftige Kritik von Arbeitnehmervertretern auf sich gezogen. Im Interview verteidigt er seinen Plan, mit dem er Thyssenkrupp auseinandernehmen will.

Herr López, viele Ihrer Vorgänger hatten bei Thyssenkrupp das Ziel, den Laden zusammenzuhalten. Sie planen jetzt das Gegenteil und wollen den Konzern zerlegen. Warum?

Miguel López: Ich will Thyssenkrupp stärken. Der zentrale Punkt ist: Wir wollen fünf Unternehmen schaffen, die wettbewerbsfähig sind. So entsteht Wachstum. Indem wir unsere verschiedenen Geschäfte eigenständig aufstellen, gewinnen wir an Stärke.

Thyssenkrupp ist seit vielen Jahren ein breit aufgestellter Industriekonzern mit Geschäften rund um Stahl, Autos, Maschinen und U-Boote. Ist das Konglomerat Thyssenkrupp gescheitert?

López: Der Konzern verändert sich, so wie sich auch andere Unternehmen verändert haben. Es gibt viele gute Beispiele von Konzernen, die einen ähnlichen Ansatz wie wir bereits erfolgreich umgesetzt haben – Siemens, General Electric oder Continental beispielsweise.

Ein im Bau befindliches U-Boot liegt in der Werft von ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel. © Marcus Brandt/dpa

Wollen Sie Thyssenkrupp zerschlagen, weil das Modell des Mischkonzerns den Investoren nicht mehr vermittelbar ist?

López: Es geht hier nicht um eine Zerschlagung. Richtig ist: Wir wollen schrittweise alle Geschäftsbereiche von Thyssenkrupp verselbstständigen. Aber wir sagen auch klar: Bei sämtlichen Aktivitäten – der Stahl ausgenommen – streben wir eine Mehrheitseigentümerschaft an. Wir behalten also die Kontrolle.

Aber das ist doch ein Eingeständnis des Scheiterns. Die Botschaft lautet: Thyssenkrupp schafft es in vielen Geschäftsbereichen nicht mehr allein.

López: Wir sind prinzipiell auch offen für Partnerschaften – wenn wir uns dadurch verbessern und unsere Leistungsfähigkeit steigern können. Davon profitieren letztlich auch unsere Beschäftigten und unsere Aktionäre.

Von wenigen Jahren ist Thyssenkrupp aus dem Dax abgestiegen. Eine Rückkehr erscheint mit der neuen Strategie eher unrealistisch. Gehört zur ehrlichen Bestandsaufnahme auch: Thyssenkrupp verliert an Bedeutung?

López: Was wir jetzt tun, machen wir, um Thyssenkrupp zu neuer Stärke zu führen. Im Vordergrund steht Wachstum. Ich bin überzeugt davon, dass wir ein Erfolgskonzept für die Zukunft haben.

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Sie haben kurz nach Ihrem Amtsantritt gesagt: Die Aktionäre sind lange Zeit zu kurz gekommen. Bedienen Sie vor allem deren Interessen, wenn Sie den Konzern nun filetieren?

López: Alle werden profitieren, unsere Kunden, unsere Beschäftigten und die Aktionäre.

Noch in diesem Jahr wollen sie die Marine-Sparte ausgliedern, zu der insbesondere der Bau von U-Booten und Überwasser-Kriegsschiffen gehört. Ihre Aktionäre sollen neue Marine-Aktien bekommen. Wäre es nicht sinnvoll gewesen, dass Sie erst mal hier unter Beweis stellen, dass Ihr Konzept funktioniert?

López: Wir sind bei unserem geplanten Börsengang für die Marine auf einem guten Weg. Die Resonanz am Kapitalmarkt ist positiv. Zugleich sind wir der Auffassung: Es ist gut, dass die Öffentlichkeit jetzt unsere langfristige Strategie für die kommenden Jahre kennt. Wichtig ist, dass wir eins nach dem anderen machen und Schritt für Schritt vorgehen.

Planen Sie über den Börsengang der Marine-Sparte weitere Börsengänge in den kommenden Jahren?

López: Wir konzentrieren uns nun darauf, jedes unserer Geschäfte wettbewerbsfähig aufzustellen und kapitalmarktfähig zu machen. Das steht im Vordergrund. Damit eröffnen wir uns die Option für weitere Schritte.

Wir müssen unsere Geschäfte jetzt fit für die Zukunft machen, um wieder wachsen zu können

Die IG Metall fordert im Zusammenhang mit der Neuaufstellung von Thyssenkrupp Job- und Standort-Garantien. Können Sie den Beschäftigten diese Sicherheit geben?

López: Das Thema Job- und Standort-Garantien ist inhaltlich von der Frage der künftigen Aufstellung als Konzernführungsgesellschaft zu trennen. In unseren Geschäftsbereichen laufen diverse Programme, damit wir unsere Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität steigern. Das ist auch notwendig. Wir müssen unsere Geschäfte jetzt fit für die Zukunft machen, um wieder wachsen zu können.

Auf Thyssenkrupp lasten milliardenschwere Pensionsverpflichtungen. Werden diese auf die einzelnen Unternehmen übertragen?

López: Im Grundsatz nimmt jedes verselbstständigte Unternehmen seine Verpflichtungen mit.

Der Vorteil des Mischkonzerns Thyssenkrupp war: Falls es Probleme in einem Geschäftsbereich gab, existierte eine Absicherung durch den Gesamtkonzern. Diese Rückversicherung fällt nun weg. Sind die Einzelteile von Thyssenkrupp denn überhaupt allein überlebensfähig?

López: Wir arbeiten gerade hart daran, dass jeder Geschäftsbereich für sich genommen wettbewerbsfähig ist.

Mit mehr als 30.000 Beschäftigten ist das Autozulieferer-Geschäft ihre personalintensivste Sparte. Gemessen an der Konkurrenz ist der Bereich aber klein. Wird eine Firma wie diese nicht unmittelbar zum Übernahmekandidaten?

López: Ich bin fest davon überzeugt, dass Automotive Technology als fokussiertes, agiles Unternehmen hervorragende Chancen am Markt hat. Aber klar ist auch: Dafür müssen wir uns anstrengen und es ebenfalls fit machen.

Wenn die Thyssenkrupp AG künftig nur noch eine Finanz-Holding sein sollte, wäre wohl kaum eine große Konzernzentrale in Essen erforderlich. Kommen Sie dann mit 100 Arbeitsplätzen in der Zentrale aus?

López: Wie viele Beschäftigte wir künftig in der Zentrale benötigen, haben wir noch gar nicht festgelegt. Klar ist doch: Die Menschen, die bei uns tätig sind, arbeiten für die Geschäfte. Ihre Tätigkeitsgebiete fallen mit der Neuaufstellung nicht einfach weg.

Ich will aus Thyssenkrupp ein starkes Unternehmen machen

Wollen Sie langfristig Holding-Chef bei Thyssenkrupp bleiben? Ihr Vertrag läuft nur noch ein Jahr – und müsste nach den üblichen Gepflogenheiten in der Industrie bald verlängert werden?

López: Ich sehe meine Aufgabe, ja meine Mission in der Weiterentwicklung von Thyssenkrupp. Das ist mein ausdrücklicher Wille und mein festes Ziel. Ich will aus Thyssenkrupp ein starkes Unternehmen machen.

Im September planen Sie eine Führungskräftetagung in Madrid. Für eine solche Tagung im Ausland, während in vielen Geschäftsbereichen von Thyssenkrupp Sparprogramme laufen, habe er kein Verständnis, kritisiert Betriebsratschef Tekin Nasikkol. Überdenken Sie Ihre Pläne für Madrid noch einmal?

López: Das globale Führungskräftetreffen ist bei Thyssenkrupp seit vielen Jahren ein klassisches Regelformat. Es ist wichtig, dass sich das rund 100-köpfige Top-Management zweimal im Jahr versammelt, um die kommenden Schritte gemeinsam zu besprechen. Bei den Treffen wird intensiv gearbeitet. Ob die internationalen Kolleginnen und Kollegen dafür aber über Düsseldorf nach Essen anreisen oder nach Madrid fliegen, macht keinen großen Unterschied.

Im Zusammenhang mit Ihren Plänen werden Sie auch persönlich hart attackiert. Der nordrhein-westfälische SPD-Fraktionschef Jochen Ott hat Sie als den „schlechtesten Manager Deutschlands“ bezeichnet. Geht Ihnen diese Kritik nah?

López: Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Die Masche verfängt nicht. Ich bin davon überzeugt, das Richtige zu tun.

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