Arbeitswelt

Warum finden viele junge Leute nicht in den Job?

Wenn zu viele junge Leute ohne Ausbildung bleiben, stimmt etwas nicht beim Übergang von der Schule in den Beruf. Arbeitsmarktforscher haben sogar schon eine neue Kategorie ersonnen. Eine Analyse

Von 
Wolfgang Mulke
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Die Suche nach einer geeigneten Ausbildung ist für einen großen Teil junger Menschen erst einmal kompliziert. © istock

Für die Nachwuchssuche lassen sich Unternehmen etwas einfallen, um einen guten Eindruck zu vermitteln. „Kreative, Globetrotter, Erfinder, Klimaschützer und vieles mehr…“ heißt es zum Beispiel auf der Webseite des Handwerks zur Bandbreite erwünschter Bewerber. Man macht sich interessant für eine individualistisch geprägte Generation. Nachwuchs fehlt nicht nur in der Pflege oder im Handwerk. Der Mangel hat inzwischen viele Branchen erfasst. Zugleich meldete das Bundesinstitut für Berufliche Bildung (BIBB) gerade eine erschreckende Statistik. Danach haben 2,6 Millionen junge Leute unter 34 Jahre keine Ausbildung. 50 000 Schüler verlassen die Schulen jährlich ohne Abschluss. Gleichzeitig blieben in diesem Jahr bisher mehr als 200 000 Lehrstellen unbesetzt. Wie passt das alles zusammen?

Darauf gibt es keine einfache Antwort, auch wenn von Älteren häufig Vorwürfe laut werden, die Jungen würden sich eher für ein Sabbatical und Arbeit im Homeoffice interessieren als für eine anstrengende wie zeitraubende Karriere. Manche Erzählung bestätigt diesen Eindruck. „Die Bewerber fragen gar nicht zuerst nach Geld, sondern was wir ihnen sonst bieten“, berichtet ein für die Einstellungen seiner Abteilung bei einem Autokonzern Zuständiger. Doch ist das eher ein Phänomen in den Berufen, wo sich bereits gut ausgebildete Bewerber zwischen verschiedenen Angeboten entscheiden können.

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Eine Studie des Instituts Yougov im Auftrag des Karriereportals Linkedin widerlegt die These von der faulen Generation Z, also den zwischen 16- und 24-jährigen. Demnach wollen fast zwei Drittel der B

efragten schnell Karriere machen. Mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich eine solide berufliche Karriere. Acht von zehn Leuten sind demnach zu „harter Arbeit“ bereit, wenn die Bezahlung stimmt. Dagegen ist eine gute Work-Life-Balance nur für 35 Prozent besonders wichtig. Eine andere Frage weist aber den Weg zu einem verbreiteten Problem. Jeder fünfte fühlt sich von der Berufsorientierung überfordert.

Fehlende Orientierung

Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Auch hier sticht heraus, dass sich nur jeder Dritte durch die Schule gut auf das Berufsleben vorbereitet sieht. Die fehlende Orientierung ist auch ein Grund dafür, dass sich mehr Schulabgänger Zeit lassen, bevor sie eine Ausbildung oder ein Studium beginnen. Mehr als eine halbe Million junge Leute waren es im vergangenen Jahr. Für sie haben Statistiker eine neue Kategorie ersonnen, die NEETs. Das Kürzel steht für „Not in Education, Employment or Training“, also weder in Ausbildung, Beschäftigung oder Praktikum. Mit Faulheit hat das in der Regel wenig zu tun, eher mit einer nicht ausreichenden Begleitung in das Berufsleben.

So ist die Suche nach einer geeigneten Ausbildung für einen großen Teil der Jugendlichen erst einmal frustrierend. In diesem Jahr konnten trotz vieler offener Stellen fast 120 000 Schulabgänger keine Lehrstelle finden. Die Vermittlungshemmnisse sind ganz unterschiedlich. In vielen Ausbildungsberufen etwa sind die Anforderungen gestiegen. Ihre erste Erfahrung lautet Bürgergeld, früher Hartz IV genannt.

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Die Jobcenter bemühen sich zwar gemeinsam mit örtlichen Jugendberufsagenturen um eine umfassende Betreuung der Heranwachsenden und haben entsprechende Netzwerke aufgebaut. Sie können jungen Leute je nach individuellem Bedarf unterstützen. Doch diese Einrichtungen sehen sich nun stark durch den Sparkurs des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) gefährdet. Um die Sparvorgaben des Finanzministers zu erfüllen, will Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Vermittlung der Jugendlichen von den Jobcentern in die Bundesagentur für Arbeit verlagern. So spart sein Haus 900 Millionen Euro im Jahr ein.

„Im vorliegenden Fall aber werden junge, hilfebedürftige Menschen wie Bauernfiguren auf einem Schachbrett mit ganz handfesten Folgen hin- und hergeschoben“, kritisiert der Sozialwissenschaftler Stefan Sell von der Hochschule Koblenz. Die Betreuung sollen die Arbeitsagenturen übernehmen. Die Jugendagenturen fürchten nun um ihre Existenz.

Leistungen aus einer Hand

Offen ist zum Beispiel, woher die Arbeitsagenturen die zusätzlichen Kapazitäten nehmen sollen, um sich den benachteiligten jungen Leuten zu widmen. Die Begründung des Ministeriums ist dürftig. Ziel sei es, den jungen Menschen Leistungen einheitlich und aus einer Hand anzubieten, erläutert eine Sprecherin. Auch sollte sie möglichst früh unterstützt werden. Wie eine Zusammenarbeit mit den bisherigen Einrichtungen funktionieren könnte, bleibt dagegen noch unkonkret.

Ab August 2024 könnte sich die Lage für alle bessern, die es auf dem Ausbildungsmarkt schwer haben. Dann tritt die Ausbildungsplatzgarantie in Kraft. Damit soll jeder Jugendliche das Recht auf eine Ausbildung erreichen, notfalls wird sie außerbetrieblich durchgeführt. Fachleute begrüßen das Gesetz grundsätzlich. „Aber es kommt darauf an, dass es eine qualitativ gute Ausbildung ist“, sagt Gerhard Christe vom Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe.

Korrespondent

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