Interview

VKU-Geschäftsführer hält Photovoltaik-Förderung für ineffizient

Ingbert Liebing führt den Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Im Interview spricht er über weniger Tempo bei der Energiewende, das mögliche Förder-Aus bei der Photovoltaik und die Sicherheit unserer Stromnetze.

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Tobias Kisling
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VKU-Chef Ingbert Liebing kennt die Probleme der Energieversorger vor Ort. © Reto Klar

Berlin. Ob die Energiewende gelingt, entscheidet sich vor Ort – und damit im Reich von Ingbert Liebing. Als Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt er zahlreiche städtische Energieversorger. Im Gespräch sagt Liebing, was die Kommunen jetzt brauchen, damit der Umstieg gelingt, und von wo Gefahr droht.

Herr Liebing, Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche vollzieht gerade einen Kurswechsel in der Energiepolitik: weniger Ausbau erneuerbarer Energie, dafür mehr Gaskraftwerke. Ist das der richtige Weg?

Ingbert Liebing: Es ist der richtige Weg, wieder ein Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Zielen der Energiepolitik herzustellen. Wir müssen den Erneuerbaren-Ausbau fortsetzen und gleichzeitig Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Kosteneffizienz stärker in den Mittelpunkt rücken.

Viele Stadtwerke setzen weiterhin auf Gas. Sitzt da jetzt jemand im Ministerium, der Ihre Interessen vertritt?

Liebing: Im März haben wir eine Umfrage unter den Stadtwerken durchgeführt, ob die Energiewende unter den jetzigen Bedingungen im jetzigen Tempo funktionieren kann. Da haben zwei Drittel gesagt, dass sie daran zweifeln. Aber es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass wir die Energiewende zum Erfolg führen wollen. Das Ziel Klimaneutralität ist gesetzt. So verstehe ich auch die Wirtschaftsministerin und die Bundesregierung.

Auch für 2045?

Liebing: Auch das Ziel 2045 ist durch das Monitoring, die Ministerin und den Koalitionsvertrag ausdrücklich bestätigt worden. Das ist das Ziel, auf das wir auch vor Ort hinarbeiten.

Spätestens in drei Jahren müssen alle Kommunen ihre Wärmeplanung vorgelegt haben. Wo stehen wir denn aktuell?

Liebing: Die Städte und Gemeinden haben sich an die Arbeit gemacht. Viele sind schon fast fertig, die Masse wird es pünktlich schaffen.

Reicht die Förderung für die Wärmenetze durch den Bund aus?

Liebing: Eindeutig nein. Im Moment sind wir noch in der Phase der Wärmeplanung, da haben wir eine feststehende Förderung für die Wärmepläne. Aber entscheidend ist, dass die Pläne anschließend auch umgesetzt werden. Kommunen sind nicht verpflichtet, diese Pläne umzusetzen. Dafür braucht man die Unternehmen. Es muss sich also wirtschaftlich lohnen und für die Kunden zu akzeptablen Preisen gehen. Damit das funktioniert, bräuchten wir allein für die Fernwärme jährlich 3,5 Milliarden Euro Förderung. Auch bei der Regulierung für die Fernwärme gibt es noch Hürden.

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Was passiert, wenn diese Förderung nicht kommt?

Liebing: Dann bleiben die Wärmepläne reine Theorie. Dann wird der gewünschte Ausbau der Fernwärme nicht in dem notwendigen Umfang stattfinden, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen.

Bundesministerin Reiche will Solaranlagen auf Dächern nicht mehr fördern. Eine gute Idee?

Liebing: PV-Anlagen auf Dächern rechnen sich auch ohne feste Einspeisevergütung jetzt schon. Erst recht, wenn man noch Wallbox fürs E-Auto, einen Heimspeicher und eine Wärmepumpe hat. Und es ist doch schön, wenn neue Technologien auch ohne Subventionen wirtschaftlich sind. Insofern halten wir die Abschaffung dieser Förderung für richtig.

Im Monitoring-Bericht wird gewarnt, dass die Ausbaudynamik bei Dachanlagen gerade nachlässt.

Liebing: Wenn diese Anlagen auch ohne Förderung wirtschaftlich zu betreiben sind, kann der Ausbau auch ohne Förderung weitergehen. Wenn ich den Strom vom Dach selbst nutze, spare ich damit aktuell gut 30 Cent pro Kilowattstunde, die ich sonst für Strom aus dem Netz zahlen würde. Bei der Einspeisevergütung bekomme ich aktuell knapp acht Cent bei einer kleineren Anlage. Der eigentliche wirtschaftliche Vorteil für den Einzelnen liegt doch gerade darin, den Strom selbst zu nutzen.

Sie fürchten also nicht, dass der Ausbau einbricht, wenn man die Förderung streicht?

Liebing: Es muss jedenfalls nicht die zwangsläufige Folge sein. Für diese PV-Dachanlagen wird knapp die Hälfte der staatlichen Förderung für Erneuerbare eingesetzt, während ihr Anteil an der Gesamtstrommenge lediglich circa zehn Prozent beträgt. Das ist ineffizienter Einsatz von Steuergeldern.

Ein Argument für einen langsameren Erneuerbaren-Ausbau: Der Netzausbau kommt nicht hinterher. Was muss denn passieren, damit wir da schneller werden?

Liebing: Die Frage ist, ob wir überhaupt schneller werden müssen.

Müssen wir nicht?

Liebing: Ein Ergebnis des Monitoring-Berichts ist, dass die Kosten des Netzausbaus explodieren, wenn wir überall für die letzte Kilowattstunde Spitzenlast ausbauen. Am Ende müssen das alles die Kunden bezahlen. Ob das sein muss, das stellen wir infrage. Wenn wir zum Beispiel mehr Großspeicher neben Wind- und Solarparks haben, die sich den Netzanschluss teilen, brauchen wir weniger Netzausbau.

Der Monitoring-Bericht kommt auch zu dem Schluss, dass 2030 wahrscheinlich weniger Strom gebraucht wird, als man bisher dachte. Kritiker sagen, dass da eine Deindustrialisierung vorausgesetzt wird.

Liebing: Das halte ich für Quatsch. Der Strombedarf wird ja nicht politisch entschieden. Das ist eine Anpassung an die Wirklichkeit. Die Planung der Vorgängerregierung ging davon aus, dass der Strombedarf bis zum Jahr 2030 auf 750 Terawattstunden steigt. Das wäre eine Steigerung von 50 Prozent innerhalb von fünf Jahren. In den vergangenen acht Jahren haben wir jedoch einen kontinuierlichen Rückgang des Strombedarfs gehabt, auch aufgrund der Rezession. Wenn jetzt der Monitoring-Bericht sagt, wir werden irgendwo zwischen 600 und 700 Terawattstunden landen, dann ist das immer noch eine Trendumkehr und eine gewaltige Steigerung von 20 Prozent oder mehr in kurzer Zeit.

Früh politisch aktiv

  • Ingbert Liebing wurde 1963 in Flensburg geboren. Schon während er Politikwissenschaft, Literaturwissenschaft und Orientalistik in Kiel studierte , war er für die CDU in der Kommunalpolitik aktiv.
  • 2005 folgte der Sprung in den Bundestag . Seit 2020 ist er Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU).
  • Seine Vorgängerin war die heutige Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Liebing ist verheiratet und hat zwei Töchter .

Was heißt das für den Netzausbau?

Liebing: Wir werden bis 2030 nicht 15 Millionen E-Autos auf den Straßen haben. Und auch nicht sechs Millionen Wärmepumpen in den Häusern. Auch die zehn Gigawatt Elektrolyseleistung, die der alten Prognose zugrunde liegen, sind absolut unrealistisch. Wir stellen nicht die Notwendigkeit des Netzausbaus infrage. Aber wir müssen schon schauen, ob es in dem Tempo zielführend ist. In den nächsten Jahren müssen wir die Kapazität der Stromverteilnetze schon jetzt mindestens verdoppeln.

Über wie viel Geld reden wir da?

Liebing: Laut Monitoring-Bericht deutlich über 235 Milliarden Euro über die nächsten 20 Jahre – allein in den Stromverteilnetzen! Und ohne Kurskorrekturen kämen im Übertragungsnetz noch mal 440 Milliarden Euro obendrauf. Die Stadtwerke müssen ihre jährlichen Investitionen insgesamt verdreifachen, vervierfachen, verfünffachen.

In Berlin waren nach einem Brandanschlag kürzlich 14.000 Menschen ohne Strom. Wie sicher ist unsere Energieinfrastruktur?

Liebing: Es gibt zunehmende Risiken, weil wir faktisch in einem hybriden Krieg sind. In Berlin haben wir darüber hinaus einen politisch motivierten Anschlag erlebt. Das zeigt: Unsere Energieinfrastruktur ist vielfältig bedroht. Die Sicherheitslage ist ein Risiko für die kritische Infrastruktur. Aber: Wir treffen viele Schutzmaßnahmen, die Stromausfallzeiten sind äußerst gering. In Summe ist unsere Energieinfrastruktur sehr sicher.

Wie sensibilisiert sind die Stadtwerke für diese Gefahren?

Liebing: Jedes Stadtwerk hat seinen Notfallplan. Auch in Berlin konnten die Schäden für die meisten Betroffenen sehr schnell beseitigt werden, die Unternehmen sind vorbereitet. Aber natürlich müssen wir uns mit der veränderten Sicherheitslage beschäftigten – sowohl mit der physischen Infrastruktur als auch im ­Cyberraum. Wir appellieren an den Staat, ein höheres Maß an Sicherheit als staatliche Leistung zu übernehmen. Den Schutz vor ausländischen Drohnen etwa kann kein einzelnes Unternehmen übernehmen.

Sind die Stadtwerke ausreichend gegen Cyberangriffe geschützt?

Liebing: Wir werden täglich angegriffen in der Energiewirtschaft. Die Tatsache, dass es relativ wenig erfolgreiche Angriffe gibt, zeigt, dass wir ein hohes Sicherheitsniveau in Deutschland haben. Aber eine einhundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.

Woher kommen die Angriffe?

Liebing: Soweit man es überhaupt feststellen kann, kommen auch viele Angriffe aus Russland oder dem russischen Umfeld.

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