Berlin. Reisen war im vergangenen Jahr eher schwierig – manche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben deshalb bis heute noch nicht alle Urlaubstage aufgebraucht. Das Leben im Homeoffice führt außerdem oft dazu, dass länger gearbeitet wird und sich Überstunden ansammeln, die abgebaut werden müssen. Doch unter welchen Umständen kann man Resturlaub von 2020 noch nutzen?
In den meisten Fällen werden die Urlaubstage mit dem Jahreswechsel verfallen sein. Es gibt jedoch eine Ausnahme, die vielen Arbeitgebern und Arbeitnehmern derzeit noch nicht bewusst ist. Seit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Fe–bruar 2019 müssen die Betriebe jedem Mitarbeiter klar ankündigen, dass sein Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht im Kalenderjahr nimmt. „Sonst lassen sich die Urlaubstage auf 2021 übertragen“, sagt Anwalt Volker Serth von der Wirtschaftskanzlei FPS in Frankfurt. Damit hat sich die seit Langem geltende Rechtspraxis in Deutschland geändert. Wenn der Arbeitgeber also geschlafen hat, dann können Beschäftigte in diesem Jahr besonders viel Urlaub nehmen.
Hinweis auf Verfall ist Pflicht
Wie muss der Betrieb über den Verfall des Urlaubs informieren? Typisch wäre eine E-Mail mit Lesebestätigung. Der Hinweis auf den Verfall des Urlaubs muss zudem so rechtzeitig erfolgen, dass Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer noch eine Chance hat, die Tage in dem betreffenden Jahr zu nehmen. Anwalt Serth empfiehlt den Unternehmen, die Mitarbeiter sicherheitshalber bereits bis Ende April zu benachrichtigen. Auch ein späterer Zeitpunkt dürfte noch ausreichen, aber beispielsweise im Herbst wird es zu spät sein, um der Fürsorgepflicht noch nachzukommen. Wer erst im November seine Warnung zu verfallendem Jahresurlaub von der Personalabteilung erhalten hat, kann die verbliebenen Tage also vermutlich noch 2021 nutzen. Die Arbeitsgerichte haben über solche Fälle allerdings noch nicht entschieden, sodass noch keine Klarheit herrscht.
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Da sich die Einschränkungen 2021 länger hinziehen könnten als erhofft, fragen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer womöglich: Kann ich Urlaub zurückgeben, wenn ich ohnehin keine Chance habe, zu verreisen? Doch der Urlaub ist auch dann zu nehmen, wenn keine urlaubsmäßigen Aktivitäten möglich sind. „Wenn kein Flieger geht, müssen Sie den Urlaub eben zu Hause nehmen“, sagt Serth. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, ihn zurückzunehmen.
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Zu den Urlaubstagen kommen bei vielen Beschäftigten im Homeoffice auch Überstunden, da sie immer wieder länger als eigentlich vorgesehen arbeiten. Doch auch im Lockdown gelten die gleichen Regeln wie sonst. „Die Arbeitgeber sind verpflichtet, das Arbeitszeitgesetz einzuhalten“, sagt Serth. Es sei inzwischen üblich geworden, dass die Mitarbeiter zu Hause ihre Arbeitszeit dokumentieren. Sie können beispielsweise in eine Excel-Tabelle in der Cloud eintragen, von wann bis wann sie gearbeitet haben. „Wird die Arbeitszeit überschritten, ist das in Freizeit auszugleichen“, so Serth. Doch wie gehen Beschäftigte mit der Situation zu Hause um, wenn auch Kinder und Haushalt Aufmerksamkeit fordern?
„Schwierig zu überwachen“
Hier ist gutes Zusammenspiel zwischen dem Betrieb und seinen Mitarbeitern gefragt. Die Arbeitnehmer sollten die tatsächliche Arbeitszeit nach bestem Gewissen erfassen, und die Arbeitgeber müssen Vertrauen entwickeln. „Die Arbeitszeit ist im Homeoffice nun mal schwieriger zu überwachen“, sagt Serth. Diese Situation ruft bei einigen Chefs zwar Misstrauen hervor. Jetzt ist aber nicht die Zeit für besondere Strenge. Mit einem Gesetz zur genauen Regelung von Homeoffice-Tätigkeit ist das Bundesarbeitsministerium derzeit beschäftigt. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) macht sich dafür stark, Gebote für den Umgang mit Überstunden einzuführen.