Verbrauchertipp

Strom nutzen, wenn er billig ist

Dynamische Stromtarife sind gekoppelt an den sich stündlich ändernden Börsenstrompreis und geben den direkt an die Verbraucher weiter. Lohnt sich das für Privatkunden?

Von 
Theresa Martus
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Bei dynamischen Tarifen können Kunden sehen, wie teuer der Strom gerade ist, und ihren Verbrauch danach ausrichten. © dpa

Berlin. Es kommt immer wieder vor: An Tagen, an denen viel Wind weht und so einfach erneuerbarer Strom produziert wird, gehen die Strompreise an der Börse auf Talfahrt, teilweise bis in den negativen Bereich. Doch bei privaten Verbrauchern kommen diese niedrigen Preise selten an. Denn die Mehrheit der Stromkunden Deutschlands hat einen Stromvertrag mit festen Arbeitspreisen pro Kilowattstunde.

Dynamische Stromtarife dagegen sind gekoppelt an den sich stündlich ändernden Börsenstrompreis und geben den direkt an die Verbraucher weiter. Diese können dann je nach aktuellem Preisniveau entscheiden, wann am Tag sie besonders viel oder besonders wenig Strom verbrauchen und damit Geld sparen – so zumindest die Idee. Voraussetzung für die Nutzung eines solchen Tarifs ist bei den meisten Anbietern ein intelligenter Stromzähler (Smart Meter). Der finanzielle Anreiz für Verbraucher hat gleichzeitig einen positiven Effekt für das Stromsystem insgesamt. Denn mit steigenden Anteilen erneuerbarer Energie wird es wichtiger, Strom dann zu nutzen, wenn gerade viel produziert wird. Das kann auch beim Netzausbau entlasten.

Verpflichtung kommt

Bisher ist das Angebot an Tarifen dieser Art in Deutschland überschaubar. 2022 zählte die Bundesnetzagentur in ihrem Monitoringbericht für den Strommarkt gerade einmal 52 Stromversorger, die dynamische Stromtarife im Portfolio haben. Doch das soll sich ändern. Sind bisher nur Unternehmen mit mehr als 100 000 Kunden verpflichtet, solche Tarife anzubieten, soll das ab 2025 für alle Stromanbieter gelten.

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Unter den kleineren Anbietern gehören die Stadtwerke Wuppertal (WSW) zu denen, die sich schon auf den Weg gemacht haben. Seit April 2023 bieten die WSW einen dynamischen Stromtarif an, zunächst in einer Pilotphase, inzwischen für alle Interessierten. Das sei eine Dienstleistung für Kunden, „bei der wir gemeinsam lernen und Erfahrungen sammeln möchten“, sagt Andy Völschow von den WSW. Der Vorteil für Kunden, sagt er, sei unter anderem deutlich mehr Transparenz über die Zusammensetzung ihres Strompreises. Online können sie jederzeit sehen, wie teuer Strom gerade ist, stundengenau ihren eigenen Verbrauch feststellen und ab 15 Uhr die Preise für die kommenden 24 Stunden nachlesen. Das schaffe auch Bewusstsein dafür, dass Strom eben nicht immer gleichermaßen verfügbar sei. Für das Unternehmen, sagt Völschow, sei das Projekt ein Ausgangspunkt für neue Produkte. Die WSW könnten so etwa maßgeschneiderte Tarife, zum Beispiel für Wallboxen, anbieten.

Denn interessant sind dynamische Tarife in erster Linie für diejenigen Haushalte, die große Teile ihres Stromverbrauchs zeitlich flexibel verschieben können – etwa, weil sie ein Elektroauto haben, eine Wärmepumpe oder einen Stromspeicher. Vor allem für Besitzer von E-Autos könnten sich erhebliche Vorteile ergeben, so Völschow. Perspektivisch soll die Verbrauchssteuerung nach den Vorgaben der Kunden automatisch laufen, das Stromsystem im Haus also von allein reagieren, wenn die Preise besonders günstig sind.

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Die Bereitschaft, sich intensiv mit dem eigenen Stromverbrauch auseinanderzusetzen, müsse man bei dynamischen Preisen aber trotzdem mitbringen, sagt er, „auch um Risiken aus volatilen Preissignalen zu minimieren“. Beim Tarif Tal.Markt.Flex aus Wuppertal ist der Preis zwar nach oben auf 50 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt, nach unten liegt die Grenze bei 15 Cent. Doch das ist nicht bei allen dynamischen Tarifen der Fall.

2022, während der Energiekrise, lagen die Börsenstrompreise zu Spitzenzeiten bei 60 Cent pro Kilowattstunde. Das ist rund doppelt so hoch wie der aktuelle Arbeitspreis bei Festverträgen für Neukunden. Ohne Sicherheitsnetz können dynamische Tarife deshalb teuer werden für Endkunden, sagen die Verbraucherzentralen, und verweisen auf Nachbarländer, wo solche Verträge weiter verbreitet sind. „In Ländern wie Belgien und Italien wurden während der Energiepreiskrise hauptsächlich dynamische Tarife und nur sehr teure Festpreisverträge angeboten“, sagt Henning Herbst, Energie-Experte beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). „Das hat zu heftigen Turbulenzen geführt.“

Schutz vor Preissprüngen wichtig

Noch sind die Tarife in Deutschland ein Nischenprodukt, die Verbraucherzentralen gehen von zwei bis drei Prozent Marktanteil aus. Mit der zunehmenden Verbreitung von E-Autos und Wärmepumpen rechnet Herbst aber mit einem steigenden Anteil von Verbrauchern, für die dynamische Tarife attraktiv sind: „Nutzer von E-Autos und Wärmepumpen sollten sich das näher ansehen.“

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Sie müssten dann aber vor großen Preissprüngen besser geschützt werden: „Das könnte zum Beispiel ein Deckel ab einem bestimmten Strompreis sein“, sagt Herbst. Eine andere Möglichkeit sei ein festgelegtes Stromkontingent, das man zur Verfügung hat. „Wer weniger verbraucht, bekommt Geld zurück, wer mehr verbraucht, zahlt mehr.“ Zudem muss sich nach Ansicht der Verbraucherschützer auch die Information über das Angebot dynamischer Tarife verbessern. Die Preishistorie etwa sollte zugänglich sein, damit Verbraucher wissen, wie sich der Preis in der Vergangenheit entwickelt hat, so Herbst. Und für alle, die kein Interesse an solchen Verträgen haben, solle es immer auch die Option von Festpreisen geben.

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