Energie

Warum verlangt die MVV so hohe Preise?

Der Mannheimer Energieversorger streicht fette Gewinne ein, hat die stark erhöhten Tarife für Strom und Gas im Juli aber nur wenig gesenkt. Ex-Bürgermeister Rolf Schmidt wechselt deshalb den Anbieter und erhebt Vorwürfe

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Walter Serif
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Die MVV hat vor allem beim Erdgas stark zugelangt und den Preis drastisch erhöht. Bei den Kunden ist der Unmut darüber sehr groß. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Mannheim. Rolf Schmidt genießt in Mannheim einen ambivalenten Ruf. Er war acht Jahre Bürgermeister und von 1996 bis 2000 CDU-Fraktionschef im Gemeinderat. Über Mannheim hinaus bekannt wurde Schmidt, als er sich mit seinem Parteifreund Sven-Joachim Otto unter den Decknamen „Froschkönig“ und „Florida-Rolf“ auf unserem Online-Portal tummelte. Das Duo verunglimpfte den damaligen CDU-Landtagsabgeordneten Klaus-Dieter Reichardt mit Bezeichnungen wie „Intrigant“ oder „übler Lump“. 2005 schaltete sich die Staatsanwaltschaft ein. Die Affäre löste in der Mannheimer CDU ein Erdbeben aus.

Das ist natürlich alles Schnee von gestern. Schmidt (78) genießt seinen Ruhestand auf der Rheinau. Dass sein Name jetzt trotzdem im Wirtschaftsteil erscheint, hängt mit einer Mail zusammen, die er der Redaktion geschrieben hat. Darin teilt Schmidt mit, dass er ab 1. September kein Kunde mehr bei der MVV Energie AG ist und seinen Strom künftig von der Pfalzwerke AG (Ludwigshafen) und das Gas bei der Maingau Energie (Obertshausen) bezieht. Dadurch spart er in den nächsten zwölf Monaten nach seinen Berechnungen 867 Euro (27 Prozent) ein.

Vom "normalen" Stadtwerk zu einem der größten Energieunternehmen Deutschlands

Schmidt hat den Wechsel nach dem Studium der Vergleichsportalen Verivox und Check 24 vorgenommen. Wie ein Schnäppchenjäger, der die Gunst der Stunde nutzt, weil die Energiepreise fallen und sich deshalb ein Wechsel lohnen kann. Allerdings hatte Schmidt in der Vergangenheit zur MVV kein reines Kundenverhältnis. Von 1994 bis 2000 war er Aufsichtsrat beim Versorger – und begleitete damals den Börsengang mit. Seitdem hat sich die MVV vom „normalen“ Stadtwerk in eines der größten Energieunternehmen in Deutschland verwandelt. Die Stadt alleine hätte das als Mehrheitseigner (50,10 Prozent) nicht stemmen können. Der Vermögensverwalter First Sentier Investors (Australien) hält 45,1 Prozent.

Im vorigen Geschäftsjahr hat die MVV einen Umsatz von mehr als vier Milliarden Euro erzielt. Auch nach den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahrs sieht es blendend aus. Der Gewinn liegt bei 845 Millionen Euro. Wie sehr sich die Leute darüber ärgern, spiegelt sich in den Leserbriefspalten wider. Der Grund: Die MVV hatte zum Januar 2023 die Preise für Strom und Gas erhöht. Dass die Gewinne vor allem aus dem Großhandel und der Vermarktung erneuerbarer Energien stammen, kam nicht rüber.

Happige Preiserhöhungen

Die Preiserhöhungen waren jedenfalls happig: Strom verteuerte sich in der Grundversorgung von 26,86 auf 44,95 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Ein Plus von 67 Prozent. Im Juli 2023 senkte die MVV den Preis auf 38,40 Cent, das sind immer noch 43 Prozent mehr als 2022. Beim Erdgas langte die MVV sogar stärker zu. Der Preis stieg um 129 Prozent von 7,70 auf 17,66 Cent. Zum 1. Juli senkte die MVV ihn auf 11,98 Cent. Erdgas kostet noch immer 56 Prozent mehr als 2022. Außerdem hat das Unternehmen zum 1. Juli auch den Preis für Fernwärme erhöht – von 6,18 auf 8,67 Cent. Ein Plus um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Die MVV ist natürlich nicht der einzige Energieversorger, der an der Preisschraube gedreht hat. Bei den Stadtwerken Heidelberg wurde Strom im Januar 2023 um 89 Prozent teurer. Erdgas kostete 135 Prozent mehr, der Preis wurde von 10,19 auf 23,97 Cent erhöht. Im April gaben die Preise nach, Strom wurde um 3,52 Cent günstiger, Erdgas kostete 4,34 Cent weniger. Unterm Strich verlangen die Stadtwerke höhere Preise. Die Technischen Werke Ludwigshafen (TWL) hoben ebenfalls die Tarife zum Jahresbeginn an, aber nicht so stark wie die MVV. Gas wurde um drei Cent teurer und kostet 14,88 Cent. Der Strompreis stieg von 34,75 auf 42,26 Cent. Damit kommen die Kunden bei der TWL günstiger als bei der MVV weg.

MVV bereichert sich nicht an ihren Kunden und kalkuliert fair.
MVV

Schmidts pauschaler Vorwurf, dass die MVV Mondpreise verlangt, trifft also nicht zu. „MVV bereichert sich nicht an ihren Kunden und kalkuliert fair“, teilt das Unternehmen mit. Warum kursieren dann aber diese Vorhaltungen? Ein Grund für den Unmut: Die MVV hat zwar schon im Juli 2022 höhere Preise angekündigt – Stichwort Ukraine-Krieg und Gaskrise. Vielleicht verflucht sich MVV-Vertriebschef Ralf Köpfer aber dafür, dass er im Interview mit dieser Redaktion eine „Bandbreite von 20 bis 40 Prozent“ bei Strom und Gas nannte. Er beruhigte die Mannheimer mit dem Hinweis, dass die MVV bereits 80 Prozent der benötigten Menge für das Jahr 2023 beschafft habe und das Unternehmen „nur“ 20 Prozent einkaufen müsse. Dass er aber auch davon sprach, dass in diesen Zeiten Prognosen schwierig seien, ging wohl unter.

Offensichtlich hat sich die MVV bei der Beschaffung – zumindest in der Rückschau – verkalkuliert. Nach dem Interview stiegen die Preise sehr stark. Die „nur“ noch 20 Prozent Energie, die die MVV für das Jahr 2023 zukaufen musste, waren zu viel. Aber das würde der Vorstand natürlich nie öffentlich zugeben.

Preise 2022 stabil gehalten

In der ersten Jahreshälfte 2022 hatte es noch so ausgesehen, als würde sich die eingespielte Beschaffungsstrategie des Versorgers auszahlen. Man hat schon immer an der Börse zu jeweiligen, auch schwankenden Preisen nachhaltig und eher risikoarm eingekauft. Deshalb überstand die MVV auch den Putin-Sturm anfangs ohne Blessuren. „Viele Versorger, die kurzfristig Energie beschaffen mussten, sind zu diesem Zeitpunkt aus dem Markt ausgestiegen und haben ihren Kunden gekündigt und mussten ihre Preise deutlich und kurzfristig erhöhen“, sagt das Unternehmen und schaltet auf Selbstlob um: „MVV hat ihren Kunden in dieser Zeit sicher, konstant und zuverlässig versorgt“ – und das ganze Jahr die Preise stabil gehalten.

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Rolf Schmidt wäre deshalb damals nicht auf die Idee gekommen, den Anbieter zu wechseln. Doch die hohen Beschaffungspreise in der zweiten Jahreshälfte haben bei ihm zum Umdenken geführt. Denn die müssen die Kunden jetzt bezahlen. Deshalb waren die Angebote für Schmidt zu verlockend. Bei den Pfalzwerken kostet der Strom zum Beispiel nur 24,3 Cent (MVV: 38,40). Die Pfalzwerke wickeln ihre Angebote über ihre Online-Marke 123energie ab. Handelt es sich da um Dumping-Preise? Die Sprecherin betont in ihrer Antwort, dass die Angebote an die Kunden „marktwirtschaftlichen Prinzipien“ folgen. Wie die MVV versorgt man sich aber am Großhandelsmarkt und nutzt dabei auch Preisschwankungen aus, wenn diese verlockend sind. Ob alle Kundinnen und Kunden der MVV so günstig wie Schmidt abschließen könnten, wenn sie auf einen Schlag wechseln würden? Eher nicht. Und das Angebot gilt auch nur ein Jahr. Vielleicht wäre dann die MVV wieder günstiger. Vielleicht aber auch nicht.

Rolf Schmidt behauptet in der Mail aber nicht nur, dass die MVV-Kunden „im Vergleich mit anderen seriösen Energie-Versorgern so viel mehr zahlen müssen“. Er beantwortet gleich selbst die Frage, warum die Mannheimer Kommunalpolitikern, die ja auch im Aufsichtsrat der MVV sitzen, dies zulassen. Sie würden nur zu gerne die vielen Millionen Euro (Gewerbesteuer, Dividenden) nehmen, die die Stadt jährlich kassiert.

Bröckelnder Konsens

Aber offensichtlich bröckelt dieser Konsens. CDU-Fraktionsvorsitzender Claudius Kranz betont zwar, dass ohne diese Einnahmen der „hochdefizitäre Nahverkehr“ nicht im gegenwärtigen Maße subventioniert werden könnte. Und er verweist auf die ehrgeizigen Klimaziele, die sich die Stadt Mannheim gesetzt hat. Die Mannheimer SPD dagegen spricht Rolf Schmidt aus dem Herzen, sie meint, dass die MVV die Preise mit Blick auf die hohen Gewinne – die aus anderen Geschäftsfeldern stammen – senken soll.

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Veröffentlicht
Von
Hans-Jürgen Emmerich
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Der Vorstoß der SPD ist insofern bemerkenswert, weil sie bis vor kurzem mit Peter Kurz noch den Oberbürgermeister stellte, der seinen Traum von einem klimaneutralen Mannheim bis 2030 nicht nur zu seiner politischen Agenda erhob, sondern als Aufsichtsratsvorsitzender auch daran beteiligt war, dass die MVV auf den Klimazug aufsprang.

Wenn die MVV jetzt aus politischen Gründen auf Gewinne verzichten sollte, stellt sich nicht nur die Frage, ob die anderen Anteilseigner nicht dagegen Sturm laufen würden. Mit den Gewinnen will die MVV ja die Klimawende finanzieren. Kranz hat deshalb den SPD-Vorstoß als „widersinnig“ bezeichnet. Nur: Nächstes Jahr stehen Kommunalwahlen an, da könnte das Thema in Mannheim erst richtig heiß werden, falls die Energiepreise bis dahin nicht spürbar fallen.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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