Rhein-Neckar. Wenn etwas sinnbildlich für den Zustand einiger Galeria-Filialen steht, dann ist es diese eine Rolltreppe im Kaufhof am Mannheimer Paradeplatz. Mitte der Woche steht sie zwischen zweiter und dritter Etage wegen eines Defekts still. Kunden müssen auf die Aufzüge oder das Treppenhaus, das im Notfall als Fluchtweg dient, ausweichen. Das kann selbst in modernsten Immobilien einmal vorkommen, aber in diesem Fall hat es eine symbolische Bedeutung. Denn an vielen Kaufhäusern des Konzerns nagt der Zahn der Zeit, seit Jahren ist nur in das Allernötigste investiert worden.
Wieder einmal sorgen sich die Beschäftigten auch in der Region - in den beiden Häusern in Heidelberg und Darmstadt sowie in Mannheim, Viernheim, Speyer und Würzburg - um ihre Arbeitsplätze. Das Unternehmen mit derzeit noch 131 Filialen in 97 Städten und rund 17 000 Mitarbeitern hatte am Montag zum zweiten Mal innerhalb von weniger als zwei Jahren ein Schutzschirmverfahren beantragt.
Wen es am Ende treffen wird, ist momentan noch offen. Nach welchen Kriterien die Geschäftsführung um Miguel Müllenbach und ein zu bestimmender Sanierungsexperte für einzelne Standorte den Daumen heben oder senken, ist reine Spekulation.
Standorte werden analysiert
Trifft es Städte mit Doppelstandorten, also zwei oder mehreren Kaufhäusern, wie in Heidelberg oder Darmstadt? Sind es wirtschaftliche Gründe, so dass allein die Profitabilität entscheidet? Oder sollen vor allem Kaufhäuser in attraktiven, zentralen Lagen weitergeführt werden, wie in Mannheim, das Insidern zufolge einmal zu den zehn umsatzstärksten innerhalb des Konzerns gehörte? Der Kaufhaus-Konzern hält sich auf Anfrage bedeckt: „Über einzelne Standorte, die jetzt Gegenstand einer sehr sorgfältigen Einzelfallbetrachtung und Analyse sind, können wir zu diesem Zeitpunkt noch keine Aussagen treffen“, heißt es aus der Galeria-Zentrale in Essen.

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„Wir haben noch keine Informationen, ob und wie es weitergeht“, bestätigt Horst Gobrecht, Gewerkschaftssekretär bei Verdi Südhessen. Nach seinen Angaben sind in den Filialen in Südhessen rund 300 Mitarbeiter beschäftigt - etwa 80 in Viernheim sowie 120 beim ehemaligen Kaufhof und 110 bis 120 beim früheren Karstadt in Darmstadt.
„Die Leute haben Angst, in Darmstadt und Viernheim rechnen sie seit Jahren damit, dass man sie auf die rote Liste setzt.“ Die Situation sei ähnlich wie vor zweieinhalb Jahren, als schon einmal rund 40 Filialen geschlossen wurden und „bundesweit alle Kolleginnen und Kollegen gezittert haben, weil sie dachten, ihr Haus sei nicht rentabel und sie würden abgeschossen.“
Gobrechts Kollegin in Mannheim, Sabine Möller, bestätigt die Sorgen der rund 250 Beschäftigten dort und in Heidelberg: „Das Gefühl, jeden Tag zur Arbeit zu gehen und nicht zu wissen, was mit dem Arbeitsplatz passiert, ist nicht auszuhalten.“ Möller kritisiert den Stellenabbau der vergangenen Jahre. Vor 25 Jahren hätten am Mannheimer Paradeplatz rund 430 Menschen gearbeitet, jetzt seien es noch etwa 120. Die Folge bekämen die Kunden zu spüren, es fehle an Personal für Beratung und an den Kassen. „Ohne Personal ein Warenhaus zu betreiben, geht nicht.“
Gegen erneute Staatshilfe
„Die Unzufriedenheit der Kunden müssen die Beschäftigten aushalten“, ärgert sich Möller. „Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür und jetzt erwartet man von ihnen, dass sie alles geben. Das ist unverantwortlich vom Unternehmen.“ Beide Gewerkschafter nehmen Galeria-Eigentümer René Benko in die Pflicht: „Er muss Verantwortung übernehmen. Wenn ich ein Warenhaus betreiben will, muss ich es so ausstatten, dass es gegenüber anderen Konkurrenten bestehen kann. Benko hat eine soziale Verantwortung gegenüber den Beschäftigten und eine wirtschaftliche gegenüber dem Unternehmen“, so Gobrecht. „Benko hat schon einmal Staatshilfe bekommen, was haben die damit gemacht?“, fragt Möller. 680 Millionen Euro Finanzhilfen vom Staat hat Galeria bereits erhalten. Der Ruf nach dem Staat ist auch jetzt wieder zu hören - aus Sicht des Handelsverbands (HV) Nordbaden ist das keine Lösung: „Das Warenhaus und die Galeria sind auf der Suche nach zukunftsfähigen tragfähigen Konzepten seit Jahren in schweren Fahrwassern. Das Unternehmen, die Eigentümer und Mitarbeiter sind heute mehr denn je gefordert, jenseits von dauerhaften Staatsdarlehen ein tragfähiges Konzept zu finden, denn bei der zweiten Insolvenz innerhalb von zwei Jahren wären großzügige Rettungspakete des Staates auch im Rest des Handels kaum mehr vermittelbar“, sagt Swen Rubel, Geschäftsführer des Handelsverbands Nordbaden.
Überzeugt vom Konzept Kaufhaus
Tatjana Steinbrenner, Vizepräsidentin der IHK Darmstadt und Präsidentin des HV Hessen-Süd, sagt: „Es ist wichtig, dass man mit Augenmaß an die Sanierung geht.“ Man müsse standortspezifisch entscheiden. Auch sie sieht „die Verantwortung bei den Investoren“. Dass das Modell Kaufhaus überholt ist, wie manche Experten behaupten, „sehe ich nicht so“. Wer sollte es besser beurteilen können als sie, die mit dem Kaufhaus Ganz in Bensheim selbst dieses Konzept betreibt. „Es gibt viele Galeria-Filialen, die unwirtschaftlich waren, aber das hat andere Gründe.“
Was würde es für die Städte bedeuten, wenn durch die Schließung von Filialen mehrere Tausend Quadratmeter Flächen frei würden? Steinbrenner nennt es „eine große Herausforderung, da unter dem Leerstand die Attraktivität der Innenstädte leidet“. Rubel ist ähnlicher Meinung, „aber die Entwicklung zeigt auch, dass neue Lösungen für die oft großen Innenstadtimmobilien gefunden werden können.“
Davon ist auch Lutz Pauels für Mannheim überzeugt. „Aber ob das noch mal Einzelhandel sein wird? Wer würde dort investieren?“, ist sich der Vorsitzende der Werbegemeinschaft City nicht so sicher. „Von der Lage her, mitten in der Stadt, ist der Standort für ein Warenhaus prädestiniert.“ Es sei für alle Kunden gut erreichbar. „Wenn es dort nicht mehr läuft, dann wegen hausgemachter Gründe, aber sicher nicht wegen der Lage. Eine Schließung wäre dramatisch, dann gäbe es in Mannheim kein Kaufhaus mehr.“ Er sei optimistisch, dass die Filiale erhalten bleibe. Aber sie sei renovierungsbedürftig, in das Haus müsse investiert werden. „Einfach weitermachen, geht nicht“, sagt Pauels.
Die defekte Rolltreppe in Mannheim wird sicher wieder repariert werden. Ob das Unternehmen aber dort und anderswo noch einmal große, notwendige Investitionen unternimmt, ist durch das Insolvenzverfahren mehr als fraglich.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Keine neue Staatshilfe für Galeria Karstadt Kaufhof