Die mächtige Schuldner-Auskunftei Schufa verspricht mehr Transparenz. Bis Ende des Jahres sollen Kunden bonitätsrelevante Daten einschließlich Negativeinträgen kostenfrei digital abrufen können. Allerdings müssen sie dafür die neue Schufa-App Bonify nutzen. Ab sofort könnten App-Nutzer ihren persönlichen Schufa-Basisscore einsehen, wirbt die Schufa. Ende 2022 hatte sie dafür die junge Finanzplattform Bonify gekauft.
Den Nutzern der App verspricht die Schufa, die mehrheitlich Banken und Sparkassen gehört, künftig auch eine aktive Benachrichtigung über Negativeinträge. Was Verbraucherschützer alarmiert: Über die App können Nutzer ab 2024 der Auskunftei freiwillig Einblicke in ihr Konto und ihr Einkommen gewähren, damit die Schufa ihre Bonität besser bewerten kann. Mit den neuen Services wolle die Schufa Nutzern mehr Einfluss auf ihr Bonitätsstanding geben, argumentiert die Schufa. Dafür seien mehr Daten hilfreich.
Grundlage ist die Freiwilligkeit
„Kunden sollen verstehen, was den Score beeinflusst“, sagte Schufa-Vorstandssprecherin Tanja Birkholz. Grundlage aller künftigen Angebote sei die Freiwilligkeit, betonte sie: „Verbraucher müssen einwilligen“. Bonify bleibe darüber hinaus rechtlich selbstständig, es gebe keinen automatischen Datenaustausch. Das junge Unternehmen hat nach eigenen Angaben mehr als eine Million Nutzer.
Schufa-Score
- Der sogenannte Basisscore beschreibt auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent eine Wahrscheinlichkeit, mit der ein Verbraucher finanziellen Verpflichtungen nachkommen wird.
- Je höher der Score, umso höher die Kreditwürdigkeit.
- Wer Rechnungen regelmäßig unpünktlich bezahlt und oft Mahnungen bekommt, wird schlechter eingeschätzt.
- Das Schufa-Ranking unterteilt die Kreditbeurteilung in fünf Klassen.
- In der untersten Kategorie landen automatisch alle Personen mit offenen Zahlungsausfällen.
- Derzeit werden laut den Zahlen der Schufa 8,9 Prozent mit dem Scorewert von Ungenügend geführt.
Die privatwirtschaftlich geführte Schufa sammelt und verkauft Informationen über die Kreditwürdigkeit von Menschen. Ihr Geschäftsmodell beruht darauf, möglichst viele Informationen über Personen und Unternehmen zu sammeln. Zu den rund 10 000 Vertragspartnern zählen Banken, Händler oder Energieversorger. Sie erhalten von der Schufa eine Einschätzung darüber, wie kreditwürdig ein potenzieller Neukunde ist. Auch Privatpersonen können Auskünfte einholen, etwa wenn sie eine Wohnung vermieten. Bis heute hortet die Schufa nach eigenen Angaben persönliche Daten von mehr als 68 Millionen Menschen. Rund 300 000 Anfragen zur Bonität erreichen die Schufa jeden Tag.
Eine positive Beurteilung gilt inzwischen allgemein als Voraussetzung dafür, ein Darlehen oder einen Mietvertrag zu bekommen oder online bestellen zu können.
Verbraucherschützer kritisieren den App-Vorstoß der Schufa scharf. Die Schufa wolle Nutzer dazu verführen, in der App sensible Kontoinformationen preiszugeben, damit sie ihre Aussicht auf einen guten Schufa-Score verbessern, kritisiert unter anderem der Verein Finanzwende. Damit werde die Schufa noch mächtiger als sie es ohnehin sei, sagt Vorstand Gerhard Schick. Außerdem bemängelt Finanzwende, dass die Schufa ihren Algorithmus zur Berechnung des Schufa-Scores nicht offenlegen will.
„Aus unserer Sicht ist Bonify ein trojanisches Pferd“, betonte Schick in Reaktion auf die Vorstellung der App am Dienstag. Die Schufa versuche, Verbrauchern die App unterzujubeln - „um ihnen dann Angebote zur Verbesserung ihres Scores zu machen, etwa durch einen Kontoeinblick“. Es werde aber weiter nur die Bewertung übermittelt, nicht die Berechnungsmethode.
Mangelnde Transparenz beklagt
Die Möglichkeit, den Score digital abzurufen, gibt es auf der Schufa-Webseite bereits, bis zum Ende des Jahres kostet diese Abfrage allerdings noch Geld. Die Schufa nutze ihre starke Marktposition aus, um neue Datenquellen und Geschäftsfelder zu erschließen, warnt Finanzwende. Der große Einfluss der Schufa und mangelnde Transparenz über ihre Vorgehensweise hatten zuletzt zunehmend Kritik ausgelöst. Vor einem halben Jahr musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) unter anderem darüber entscheiden, wann die Schufa Eintragungen zu einer Insolvenz löschen muss.
Ein Wohnungssuchender, dessen Chancen auf eine Wohnung von einer verbesserten Schufa-Bewertung abhänge, habe künftig kaum eine Wahl, als der mächtigen Auskunftei noch mehr Einblick zu gewähren, kritisieren Verbraucherschützer. In einer Online-Petition “Finger weg von meinem Konto“ruft Finanzwende dazu auf, die Veröffentlichung der Schufa-App zu stoppen. Mehr als 300 000 Menschen hätten bereits unterschrieben.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Transparenz erhöhen