Interview

Mannheimer Firma Snocks: "Sind bereit für weitere Zukäufe"

Mitten in der E-Commerce-Krise hat Snocks den insolventen Anbieter Oceansapart gekauft. Für die Mannheimer Firma die erste größere Übernahme - wenn es nach Snocks-Chef Johannes Kliesch geht, könnten weitere folgen

Von 
Tatjana Junker
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Rehan Choudhry (l.) und Johannes Kliesch führen Snocks seit Anfang des Jahres gemeinsam. © Snocks

Mannheim. Herr Kliesch, Herr Choudhry, mit dem Kauf des Activewear-Anbieters Oceansapart stemmt Snocks die erste größere Übernahme. Wie kam es dazu?

Johannes Kliesch: Wir glauben, dass dafür gerade eine tolle Zeit ist, wir sind auch bereit für weitere Zukäufe. Der E-Commerce ist am Boden, da wollen wir schauen, wo wir als starker Partner noch einsteigen können. Wir können das, weil wir sehr gut wirtschaften. Oceansapart konnten wir einfach aus dem Cash kaufen, ohne Finanzierung durch eine Bank.

Wie viel hat die Übernahme denn gekostet?

Kliesch: Der reine Kaufpreis liegt im einstelligen Millionenbereich. Oceansapart macht dieses Jahr 30 Millionen Euro Umsatz netto, das streben wir dort auch nächstes Jahr an. Da wollen wir dann auch wieder direkt in die Gewinnzone kommen. Wir haben außerdem knapp zehn Millionen Euro an Lagerbestand übernommen. 

Oceansapart wurde aus der Insolvenz übernommen. Was sind dort die drängendsten Aufgaben?

Rehan Choudhry: In den nächsten drei, vier Monaten wollen wir von dem hohen Lagerbestand runterkommen. Das ist dort in der Vergangenheit nicht so gut gelaufen: In der Spitze hatte Oceansapart einen Lagerbestand von bis zu 30 Millionen Euro, da war viel Kapital gebunden, teils auch in Produkten, die sich nicht sehr gut verkaufen. Ein weiterer Punkt wird sein, die 23 übernommenen Mitarbeiter bestmöglich in unsere Organisation zu integrieren. 

Die Snocks-Geschäftsführer 

  • Das Mannheimer E-Commerce-Unternehmen wurde 2016 von Johannes Kliesch und seinem Cousin Felix Bauer gegründet.
  • Die beiden starteten damals mit dem Verkauf von Sneaker-Socken über Amazon.
  • Heute hat Snocks rund 140 Mitarbeitende, davon etwa 40 am Hauptsitz in Mannheim. Einen weiteren Standort gibt es in Hamburg, in Berlin ist ein dritter im Aufbau.
  • 2023 setzte Snocks nach eigenen Angaben rund 70 Millionen Euro um, 2024 sollen es 83 Millionen Euro werden.
  • Nachdem Mitgründer Felix Bauer aus der Geschäftsführung ausgeschieden ist, hat Anfang 2024 Rehan Choudhry die Rolle des Co-CEO neben Johannes Kliesch übernommen. Choudhry hatte 2019 bei Snocks als Buchhalter angefangen. 

Kommen die neuen Mitarbeiter nach Mannheim?

Choudhry: Nein, sie bleiben in Berlin. Dort bauen wir gerade ein weiteres Office auf. Das hilft uns auch bei der Mitarbeitergewinnung: Für Snocks arbeiten auch Beschäftigte remote, die in Berlin leben. Denen wollen wir ebenfalls die Möglichkeit geben, in ein Office zu kommen.

Kliesch: Die neuen Mitarbeiter waren aber alle zur Begrüßung hier in Mannheim. Die allermeisten übrigens zum ersten Mal, deshalb haben wir erstmal eine kleine Mannheim-Tour gemacht. Oceansapart wird auch von Mannheim aus gesteuert, hier ist der künftig Firmensitz. 

Bei starken Marken mit einer guten Positionierung können wir uns nahezu alles vorstellen.
Johannes Kliesch Snocks

Wie profitiert Snocks von dem Zukauf?

Choudhry: Es gibt sehr viele Synergien. Wir verkaufen die Produkte beider Marken online, das IT-System, die Website sind sehr ähnlich aufgebaut. Es gibt zudem schon jetzt einen gemeinsamen Lieferanten. Oceansapart ist außerdem fast zehn mal so groß wie wir im Bereich Sportbekleidung für Damen. Da können wir viel lernen. 

Teilweise überschneiden sich die Sortimente auch. Kannibalisieren sich die Marken nicht ein Stück?

Kliesch: Dior gehört auch zum Louis Vuitton Konzern und beide bringen Lederhandtaschen raus. Wir sehen das als riesengroße Möglichkeit. Nehmen wir als Beispiel eine Yoga-Socke, die wir einmal mit Snocks-Branding rausbringen und einmal mit Oceansapart. Das passt zu beiden Marken und durch das höhere Volumen in der Produktion sinken dort die Kosten. Bei den Zielgruppen haben wir außerdem nur 20 Prozent Überlappung: Als Snocks sind wir immer Mainstream und Basic unterwegs, Oceansapart wollen wir explizit Richtung Yoga und Pilates positionieren. 

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Snocks hat mit Sneaker-Socken angefangen und das Sortiment schrittweise ausgebaut. In welchen Bereichen sind Zukäufe denkbar?

Kliesch: Bei starken Marken mit einer guten Positionierung können wir uns nahezu alles vorstellen. Die entscheidende Frage ist: Warum ist eine Marke in Schieflage und können wir da mit unserem Knowhow schnell und gut helfen? Das ist wichtiger als das reine Produkt. 

Was heißt das konkret?

Kliesch: Was uns bei Snocks auszeichnet, ist unsere operative Exzellenz: Nach außen hin geht es da eher um unsexy Punkte, aber wir sind zum Beispiel unfassbar gut darin, wie wir unsere Prozesse steuern oder darin, die letzten Prozentpunkte in der Logistik oder beim Einkauf rauszuholen. Oceansapart hat so gut gepasst, weil das eine geile Marke ist, sie aber diese Prozesse nicht so gut drauf hatten. Das heißt: Wir profitieren, kriegen die Marke, führen unsere Prozesse ein und haben hoffentlich ein Win-Win für beide Seiten. 

Lange verkaufte Snocks seine Produkte nur über das Internet, inzwischen ist die Marke auch im stationären Einzelhandel - hier bei der Mannheimer Modegruppe Engelhorn. © Snocks

Snocks könnte durch weitere Übernahmen also auch in andere Produktkategorien einsteigen?

Kliesch: Der Bekleidungsbereich macht natürlich Sinn, weil wir zusätzliche Synergien durch die Produzenten haben. Wobei wir niemanden im Fashionbereich übernehmen würden, also niemanden, der extrem modisch ist. Auf der anderen Seite würde ich zum Beispiel sowas wie Nahrungsergänzungsmittel nicht partout ausschließen. Die nächsten sechs bis neun Monate werden wir aber erst einmal schauen, wie es mit Oceansapart läuft. 

Wie viel Umsatz macht Snocks eigentlich noch mit Socken?

Kliesch: Ungefähr 20 Prozent. Dieses Jahr machen wir 83 Millionen Euro Nettoumsatz, das sind also mehr als 15 Millionen. 

Sie wollten lange Zeit nichts vom stationären Handel wissen, inzwischen sind Sie unter anderem bei P&C im Regal. Hat sich der Schritt gelohnt?

Kliesch: Auf jeden Fall. In der Vergangenheit war es einfach so, dass wir online noch so gut gewachsen sind – warum hätten wir uns da die Komplexität des Offlinehandels dazuholen sollen? Unsere Strategie war: Wir bauen die Marke online auf, bis sie so groß ist, dass sie uns offline die Tür einrennen. Und dieser Zeitpunkt war irgendwann da: P&C, KaDeWe, Engelhorn, Breuninger stehen jetzt alle Schlange und wollen uns haben. Wir machen offline Millionenumsätze dieses Jahr. Das ist sehr erfreulich, wäre vor vier Jahren aber noch nicht so gewesen. 

Wir bei Snocks wollen nicht kontrollieren, wo und wie viel unsere Beschäftigten arbeiten.
Rehan Choudhry Snocks

Herr Kliesch, trotz großer Erfolge gab es Anfang des Jahres auch einige nachdenkliche Linkedin-Posts, in denen Sie von sehr schwierigen Entscheidungen als Unternehmer sprachen. Was war da los?

Kliesch: Wir haben 2023 bei Snocks etwa 30 Leute entlassen, aber auch 40 neue eingestellt. Ich benutze da gerne die TSG Hoffenheim als Vergleich: Die ist aus der dritten, vierten Liga innerhalb von drei Jahren in die erste gekommen – und nur zwei Leute haben es aus dem Kader der dritten Liga in die erste geschafft. So ähnlich war das auch bei uns. 

Inwiefern?

Kliesch: Die Unternehmensentwicklung war 2023 unfassbar intensiv, wir haben auf manchen Positionen einfach andere Leute gebraucht. Eine E-Commerce-Firma mit zehn oder 20 Millionen Euro Umsatz zu steuern ist eben etwas anderes, als eine mit 83 Millionen Umsatz zu lenken. Ich musste jedenfalls wöchentlich Kündigungsgespräche führen und Leuten, die lange in der Firma waren, sagen: Entweder du nimmst weniger Verantwortung bei Snocks oder du suchst dir ein anderes Unternehmen. Das war hart und es ging mir schlecht in dieser Zeit. 

War es trotzdem der richtige Weg?

Kliesch: Rückblickend auf jeden Fall. Wir gehen sehr gestärkt aus diesem Umbruch hervor. Wir erreichen unsere Ziele für 2024 nahezu komplett, wir haben eine Firma gekauft und mehr als zehn Millionen Euro Cash auf dem Konto – und das nach so einer Krise für andere E-Commerce-Unternehmen. Da denke ich mir: Wir haben das gerockt. 

Ihr Cousin Felix Bauer, mit dem Sie Snocks 2016 gegründet haben, ist vor einiger Zeit aus der Geschäftsführung ausgestiegen. Ist er noch im Unternehmen?

Kliesch: Er ist stiller Gesellschafter, hat also noch Anteile, aber er ist operativ nicht mehr in der Firma. 

Sind Sie noch gut miteinander?

Kliesch: Ja wir sind cool, wir schreiben auch jede Woche. Nach all den Jahren, die wir das gemeinsam gemacht und alles für Snocks hinten angestellt haben, ist es absolut fair, wenn sich jemand auch mal wieder auf andere Sachen im Leben konzentrieren möchte. Und ich bin sehr froh, dass wir Rehan, der als Buchhalter bei uns im Unternehmen angefangen hat, in den letzten Jahren bis zum CEO entwickeln konnten. 

Neuer Partner im Snocks Coffee 

  • Zu der Mannheimer E-Commerce-Firma Snocks gehört seit 2020 auch das Snocks Café in der Mannheimer Oststadt.
  • Dort ist seit einigen Monaten das Heidelberger Café Nomad als Partner mit an Bord. Laut Snocks-CEO Johannes Kliesch ist Nomad neben ihm selbst und Snocks-Co-SEO Rehan Choudhry nun einer von drei Gesellschaftern des Cafés und dort vor allem für das „gastronomische Know-how“ zuständig.
  • Ziel der Kooperation sei es, das Café auf „das nächste Level“ zu bringen.
  • In Heidelberg hat Nomad bereits zwei Standorte.

Zum Schluss: Snocks hat vor einiger Zeit die „Power Days“ eingeführt: Mitarbeiterinnen können sich bei Periodenschmerzen nun ohne Attest abmelden. Das steht in Kontrast zu anderen Arbeitgebern, die strengere Regeln für Krankmeldungen in Deutschland fordern. Wie blicken Sie auf die Debatte?

Choudhry: Wir bei Snocks wollen nicht kontrollieren, wo und wie viel unsere Beschäftigten arbeiten. Wir glauben: Wenn wir ihnen Vertrauen schenken, sind sie weniger krank und mehr motiviert, gute Arbeit zu leisten. Das kommt uns dann als Arbeitgeber zugute.

Kliesch: Man muss sagen, dass wir mit unserer Branche auch Glück haben: Wir können im E-Commerce Remote-Arbeit anbieten – egal, ob die Mitarbeitenden das von zu Hause tun oder morgen nach Portugal gehen wollen. Außerdem sind bei uns die Personalkosten im Verhältnis zum Umsatz überschaubar. Deshalb können wir viele Benefits bieten. Für uns ist das der größere Hebel: Die Menschen sollen lieber motiviert arbeiten als dass wir auf die letzte Kommastelle beim Gehalt schauen müssen. Ich glaube, auch deshalb ist unser durchschnittlicher Krankenstand extrem gering. Dass wir insgesamt in Deutschland darüber debattieren, immer weniger zu arbeiten und uns gleichzeitig beschweren, dass die Wirtschaftsleistung sinkt, passt für mich allerdings auch nicht zusammen. 

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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