Interview

Mannheimer Experte verrät: Warum mittelständische Unternehmer ihren Betrieb verkaufen

Der Mannheimer Arnd Allert hat sich mit seinem Unternehmen Allert & Co. auf den Verkauf von Betrieben spezialisiert. Er glaubt allerdings, dass es für Inhaber schwieriger wird, sich von ihrem Lebenswerk zu trennen. Viele potenzielle Käufer würden sich in der gegenwärtigen Krise fragen: Ist jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt?

Von 
Walter Serif
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Arnd Allert fürchtet, dass es mehr Firmenpleiten geben wird. Die Energiekrise sei gewaltig, die Folgen schlimmer als die von Corona. © C. Blüthner

Mannheim. Herr Allert, Ihr Unternehmen listet auf der Homepage stolz alle Deals der vergangenen Jahre auf. Ich dachte, dass in Ihrer Branche Diskretion das oberste Motto ist.

Arnd Allert: Das stimmt zu 100 Prozent. Bei uns ist Vertraulichkeit vor und während eines Unternehmensverkaufs die oberste Maxime. Für mittelständische Unternehmer ist jedoch die Auswahl des Beraters beim Verkauf ihres Lebenswerks schwierig. Deshalb bitten wir Mandanten, wenn die Transaktion über die Bühne gegangen ist, anschließend darüber berichten zu dürfen – quasi als Referenz für potenzielle neue Mandanten. Da stimmen aber auch nicht alle zu.

Klappern gehört für Sie also doch auch zum Handwerk.

Allert: Das wäre nicht meine Wortwahl, aber wenn Sie so wollen: Ja, aber diskret. Es werden keinerlei Details einer Transaktion, wie zum Beispiel der Kaufpreis, genannt.

Wo positionieren Sie sich denn im Wettbewerb mit der Konkurrenz?

Allert: Wir verstehen uns als eine Beratungs-Boutique für den Mittelstand. Wir beraten nicht-börsennotierte Unternehmen mit Umsätzen zwischen 20 und 500 Millionen Euro. In diesem Segment sehe ich uns in den letzten 20 Jahren unter den Top Ten.

Also keine Ramsch-Boutique.

Allert: Wir sind – um im Bild zu bleiben – eine Edelboutique für den Mittelstand. Wir haben in 20 Jahren mehr als 100 Transaktionen für unsere Mandanten abgewickelt.

Arnd Allert


  • Arnd Allert wurde am 26. März 1971 in Heidelberg geboren.
  • Allert studierte Betriebswirtschaftslehre an der Dualen Hochschule Mannheim. Er arbeitete zehn Jahre bei der Mannheimer Niederlassung der Deutschen Bank und betreute dort mittelständische Firmen.
  • 2003 gründete er Allert & Co. Das Unternehmen mit Sitz in Mannheim und einem Standort in Köln hat 13 Mitarbeiter. Allert & Co. wickelt für seine Kunden den Verkauf von deren Unternehmen ab. Allert hat ein Aufsichtsratsmandat beim Mannheimer Modeunternehmen Engelhorn.
  • Allert ist verheiratet und hat drei Kinder. Er ist handballbegeistert und wollte dieses Hobby einst zu seinem Beruf machen. Allert sitzt im Wirtschaftsrat der Eulen Ludwigshafen. was

Fünf Deals pro Jahr – ist das viel?

Allert: Wenn Sie die Anzahl der Mitarbeiter sehen – ja, ohne Zweifel. Natürlich würden wir gerne mehr machen. Aber das Geschäft ist sehr beratungsintensiv. Wir haben aktuell 13 Mitarbeiter, und die müssen schon jetzt, wenn es hoch hergeht, auf freie Wochenenden verzichten. Wir sind voll ausgelastet, und Qualität steht im Vordergrund. Deshalb können wir auch nicht alle Mandatsanfragen annehmen.

Aber Sie haben doch jetzt einen neuen Standort in Köln.

Allert: Das ist richtig, aber wir sind am 1. Oktober aktuell mit einem Mitarbeiter gestartet.

Warum stellen Sie denn nicht einfach mehr Leute ein?

Allert: Würden wir gerne, geht aber nicht so einfach. Auch wir leiden am Fachkräftemangel. Aber klar ist natürlich: Wir wollen langfristig deutlich wachsen und würden unseren Umsatz gerne verdoppeln.

Wie hoch ist denn der Umsatz von Allert & Co.?

Allert: Dazu kann ich nichts sagen.

Warum denn nicht?

Allert: Wenn ich die Umsätze nennen würde, könnte man Rückschlüsse auf die Verkaufserlöse ziehen. Und da wären wir wieder beim Thema Diskretion.

Beraten Sie nur die Verkäufer?

Allert: Bei 95 Prozent der Transaktionen. Wir kümmern uns in Ausnahmefällen aber auch um Käufer.

Treten Sie in Krisensituationen auch als Insolvenzverwalter auf?

Allert: Nein, in Krisensituationen kommen die Insolvenzverwalter auf uns zu oder wir bewerben uns, wenn wir davon ausgehen, einen Mehrwert erbringen zu können.

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Sie sind ja im klassischen – wie es so schön auf Neudeutsch heißt –Merger & Aquisitionsgeschäft unterwegs. Was überwiegt denn da? Fusionen oder Übernahmen?

Allert: Die Übersetzung des englischen Begriffs ist da ein wenig irreführend. Die umwandlungsrechtliche Verschmelzung von zwei Unternehmen . . .

… also die klassische Fusion …

Allert: … kommt in der Praxis sehr selten vor. Meistens kauft ein Unternehmen ein anderes.

Der Betrieb wird also geschluckt und verschwindet vom Markt?

Allert: Das ist äußerst selten der Fall und bei uns in 20 Jahren noch gar nicht vorgekommen. Wenn ein Unternehmen mit einem Zukauf in ein neues Marktsegment eintreten will, wäre es ja töricht, die neue Firma nach der Übernahme vom Markt verschwinden zu lassen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Sie kennen Dallmann Salbeibonbons ?

… ja von der Apotheke …

Allert: Wir haben Dallmann an das Süßwarenunternehmen Katjes verkauft. Die Salbeibonbons gibt’s natürlich noch immer, und sind sogar sichtbarer vertreten als früher.

Also eine Win-Win-Situation?

Allert: Genau darum geht es. Wir suchen potenzielle Käufer aus, die den – wie wir es ausdrücken – neuen best owner des Unternehmens darstellen könnten. Der Käufer muss also nicht nur bereit sein, einen anständigen Preis zu bezahlen. Er muss den Betrieb dann auch wertschätzen und soll ihn im Kern erhalten. Erst dann kann der frühere Besitzer ohne Gewissensbisse verkaufen, und im optimalen Fall steht das Unternehmen dann sogar besser da als vorher.

Verkaufen Sie immer ein komplettes Unternehmen?

Allert: Nicht immer, gerade bei insolventen Unternehmen kann es sein, dass nur Teile veräußerbar sind. Wir haben zum Beispiel nach der Insolvenz der Praktiker Baumarktkette nur die Markenrechte an mehrere Unternehmen verkauft.

Wie muss ich mir denn Ihre typischen Kunden vorstellen?

Allert: In der Regel sind das inhabergeführte Unternehmen. Dabei gibt es meist zwei Verkaufsgründe. Entweder der Unternehmer will seine Nachfolge regeln, findet aber in der Familie oder im Unternehmen keinen geeigneten Kandidaten. Oder der Inhaber hat das Gefühl, dass er an seine Grenzen als Unternehmer gelangt ist. Das kann der Fall sein, wenn der Betrieb nicht mehr wachsen kann oder die notwendigen Veränderungen zu aufwendig erscheinen. Es geht also weniger darum, einfach nur „Kasse“ zu machen. Sie dürfen nicht vergessen: Wenn ein Inhaber seinen Familienbetrieb verkauft, zum Beispiel, weil er keinen Nachfolger findet, hat er auch eine soziale Verantwortung für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es geht dann nicht nur ums Geld, in solch einem Betrieb steckt das Lebenswerk eines Menschen.

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Das heißt, der Inhaber stößt an seine biologischen oder unternehmerischen Grenzen?

Allert: Genau. Es gibt aber eine interessante neue Entwicklung. Früher waren die Kunden von Allert & Co. in der Regel im Alter von 70 und aufwärts. Inzwischen werden die Unternehmer jünger, die verkaufen. Und das Motiv ist jetzt auch häufiger die Gewinnrealisierung.

Das heißt, es gibt jetzt mehr Unternehmer, die Wert auf eine optimale Work-Life-Balance legen und lieber Kohle sehen wollen statt an einem Herzinfarkt zu sterben?

Allert: Auch das ist nicht meine Ausdrucksweise. Es spielt aber eine veränderte Erwartung an das eigene Leben eine Rolle. Das unternehmerische Wirken wird als eher temporär empfunden. Deshalb melden sich jetzt auch schon 50-Jährige bei uns.

Mit einer klassischen Midlife-Crisis hat das dann aber nichts zu tun.

Allert: Nein. Sie verkaufen nicht, weil es ihnen schlecht geht, sondern weil sie noch mal etwas anderes machen wollen. Sie sagen: Ich habe die größte Wertsteigerung des Unternehmens erzielt. Meine Fähigkeit, den Betrieb zu entwickeln, geht langsam zur Neige. Deshalb verkaufe ich lieber, bevor es zum Abschwung kommt. Auch aus Verantwortung für das Unternehmen.

Es handelt sich bei diesen Transaktionen nicht um Panikverkäufe?

Allert: In den vergangenen 20 Jahren war die Hälfte der Transaktionen in Krisensituationen. Häufig auch vor einer Insolvenz. Es ist dann noch Substanz da, aber der Inhaber merkt, jetzt wird es schwierig. Die finanziellen Ressourcen gehen aus. Oder es geht um gerichtliche Verfahren, dann werden wir unter Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters beauftragt. Und die andere Hälfte ist der Verkauf von sehr rentablen Unternehmen aus den Gründen, die ich genannt habe.

Gehören jetzt mehr Krisenunternehmen zu Ihrer Kundschaft?

Allert: Der Staat hat zwar während der Pandemie viel abgefedert. Aber die gegenwärtige Energie- und Rohstoffkrise ist gewaltig, die Folgen werden viel schlimmer als die von Corona sein. Schon jetzt nimmt die Zahl der Insolvenzanmeldungen zu. Wir dürfen nicht vergessen: Bereits in den vergangenen zehn Jahren war der Druck auf die mittelständischen Unternehmen stark. Das hat die Inhaber sehr viel Kraft gekostet. Die Ukraine-Krise ist nach Corona für viele eine zu viel. Deshalb wollen viele auch verkaufen.

Das geht nicht ohne Fingerspitzengefühl bei den Beratern?

Allert: Natürlich nicht. Dahinter steckt unfassbar viel Arbeit. Und immer geht es für uns auch um die notwendige Demut bei der Ausübung eines solchen Mandats. Für den Unternehmer ist der Verkauf ein Geschäft, das er in der Regel nur einmal tätigt. Da steckt zumeist der Großteil des Familienvermögens drin. Da entsteht für den Inhaber eine riesige Drucksituation. Wir müssen dementsprechend als Berater für unsere Kunden ständig da sein. Wir hatten zum Beispiel einen Unternehmer im Lebensalter von 70 Jahren. Er hat mich an einem Sonntagmorgen um 9 Uhr auf seinem Weg ins Fitnessstudio angerufen und gesagt, wir bekommen da große Probleme mit dem Interessenten. Nach dem Sport meinte er dann: Können wir um 14 Uhr telefonieren und noch mal alles in Ruhe durchgehen? Was glauben Sie, wie er reagieren würde, wenn ich ihm mitteilen würde, das geht nicht, jetzt ist Wochenende? Er würde mich fragen: Sind Sie noch normal? Die Anforderungen an uns sind in zeitlicher, analytischer und emotionaler Hinsicht sehr hoch . . .

… muss ich mir da Sorgen um Sie machen …?

Allert: … Nein, ich gehe ja in der Arbeit auf, das ist meine Berufung. Ich fühle mich wohl, wenn der 70-Jährige am Sonntag anruft.

Wie ist denn Ihre Erfolgsquote? Sie werden ja nicht jeden geplanten Deal abschließen können.

Allert: In den vergangenen Jahren waren es 86 Prozent. Ich glaube aber, dass diese Quote leider sinken wird.

Warum?

Allert: Die Unsicherheit, die wir gegenwärtig spüren, gilt natürlich auch für Käufer. Viele fragen sich deshalb: Ist jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt?

Auf Ihrer Homepage ist von nachhaltigen und wertorientierten Transaktionen die Rede. Ist das nur Marketing-Brimborium?

Allert: Wir betreiben kein Wortgeklingel. Sie müssen wissen, dass Investmentbanken sich vorwiegend für die großen börsen-notierten Kapitalgesellschaften interessieren. Geschäfte mit dem Mittelstand lohnen sich für Investmentbanken häufig nicht, weil sie einen anderen Kostenapparat haben. In diese Lücke sind wir als Edelboutique hineingestoßen. Wir können uns um den Mittelstand kümmern. Wir haben quasi die Instrumente des Investmentbankings auf den Mittelstand übertragen und angepasst. Unter Wahrung einer mittelständischen Denk- und Sichtweise. Also kein Deal um jeden Preis, wir suchen den Käufer, der am besten passt. Wir definieren neben dem monetären auch den nichtmonetären Wert eines Unternehmens.

Das ist mir jetzt zu theoretisch.

Allert: Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel. Wir haben Anfang der 2000er aus einer Bierlaune heraus . . .

… ich hoffe, Sie waren da nicht betrunken …

Allert: … nein, bei zwei Kölsch. Wir haben damals den Kölner Dom bewertet. Wir sind auf einen monetären Wert von 13 Millionen Euro gekommen. Man kann jetzt natürlich darüber streiten, ob dieser Bewertungsvorgang an sich notwendig ist. Wir haben es halt zum Spaß gemacht. Klar ist aber, dass diese 13 Millionen nicht den Gesamtwert des Kölner Doms widerspiegeln, der ja als Kulturdenkmal einen unermesslichen Wert besitzt.

Köln ohne Dom ist für viele wie Köln ohne den Effzeh.

Allert: Eben. Wir glauben jedenfalls, dass es für jedes mittelständische Unternehmen auch einen solchen monetär nicht messbaren Wert gibt. Und den versuchen wir zu finden, weil er bei einem Verkauf entscheidend sein kann.

Klingt irgendwie so, als halten Sie sich für einen Altruisten, der nur Gutes tun will.

Allert: Ob Sie mir das abnehmen, ist Ihre Sache. Aber ich habe jetzt im Urlaub das Buch „Im Grunde gut“ gelesen. Und ich habe uns da wiedergefunden. Wir haben einen sehr stressigen Beruf und müssen in der Sache hart verhandeln, denn es geht immer um hohe Summen. Und natürlich verdienen wir beim Abschluss auch unser Geld. Wir wollen aber auch etwas bewegen, eben nachhaltig in unserem Tun sein. Deshalb sind junge Menschen, die gesellschaftspolitische Ziele haben, bei uns genau an der richtigen Stelle.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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