Mannheim/Rhein-Neckar. Für den Geschäftsmann aus Nußloch, der sich bei kleinen Banken der Rhein-Neckar-Region Kredite in Millionenhöhe erschlich und obendrein Photovoltaik-Anlagen betrügerisch verkaufte, endet der Wirtschaftsstrafprozess am Mannheimer Landgericht mit einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten. Außerdem ordnet die Kammer an, knapp dreieinhalb Millionen Euro einzuziehen - nämlich jene Darlehenssumme, die eigentlich an die Eltern ging, aber auf dem Konto des Sohnes landete.
In der mündlichen Urteilsbegründung geht die Vorsitzende Richterin Christiane Loos auf die 18 angeklagten Einzeltaten ein und schildert, wie trickreich Urkunden und Kontoauszüge gefälscht wurden. Als Ergebnis der Beweisaufnahme mit vielen Zeugen nehme die Kammer den 49-Jährigen als einen erfahrenen, stets überzeugt auftretenden Geschäftsmann mit vielen Ideen und Freude an einem aufwendigen Lebensstil wahr. Nach der Stagnation des Erfolgs seiner Firma habe er mit „erheblicher krimineller Energie“ Pläne zur Geldbeschaffung ersonnen und dabei auch seine Eltern reingezogen, indem er sie als sehr vermögend darstellte - obwohl deren bescheidene Rente nie gereicht hätte, die in ihrem Namen erschlichenen Kredite zu bedienen.
Die Vorsitzende Richterin führt aus, dass es ein Konstrukt aus gefälschten Unterlagen und unglaublichen Geschichten war, das die Betrügereien überhaupt erst ermöglichte. Außerdem habe der Geschäftsmann bei aufkeimendem Misstrauen geschickt verstanden, seinen Anwalt wie Steuerberater mit seriös klingenden Schreiben oder Telefonaten einzuschalten.
Die Kammer, so Loos, nehme dem 49-Jährigen in keiner Weise die in seiner Selbstanzeige beteuerte Reue ab - diese Erklärung sei nicht aus Gewissensgründen erfolgt, sondern weil die Tricksereien rund um die angeblichen Kreditsicherheiten aufzufliegen drohten. „Außerdem haben Sie danach genauso weitergemacht“, erklärt die Richterin mit Blick auf lukrative Verkäufe von Photovoltaik-Anlagen, die gar nicht verkäuflich waren. Der Geschäftsmann habe „keinerlei Skrupel“ gehabt, einen ihm nicht gehörenden Solar-Dachaufbau an ein älteres Ehepaar zu veräußern - obwohl er wusste, dass dieses dafür eine Kredit aufnehmen musste und somit vor einem Schuldenberg stehen würde.
Das Landgericht wertet zulasten des Unternehmers die hohen Schadensbeträge - „die sind auch bei einer Wirtschaftsstrafkammer nicht üblich“. Außerdem hebt die Kammervorsitzende „Folgen von menschlicher Enttäuschung und das Zerstören von Lebenswelten“ hervor - was vermutlich auch bei den Eltern zutreffe, „die sich ihren Lebensabend wohl anders vorstellten“. Die Richterin weist aber auch auf lasche Bank-Prüfungen hin, die Betrügereien erleichtert hätten. Zu den Skurrilitäten gehört, dass es dem kreativen Kreditnehmer gelungen war, eine Kommunikationsvereinbarung durchzudrücken, die Geldinstituten untersagte, sich untereinander auszutauschen.
Das Urteil fällt nachmittags. Morgens stellen die beiden Anwältinnen Özdemir Aynur und Carolin Hierstetter in den Mittelpunkt, dass ihr Mandant in vielen der angeklagten Einzeltaten gar nicht die Absicht verfolgt habe, zu betrügen. Auch sie monieren fehlende Bank-Kontrollen. Die Verteidigerinnen plädieren für eine Strafe bis maximal dreieinhalb Jahren Haft.
Für das angegliederte Einziehungsverfahren sieht die Wirtschaftsstrafkammer die Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Beweisaufnahme habe keine Erkenntnisse gebracht, dass der Geschäftsführer einer in Mannheims Rotlichtviertel aktiven Immobilienfirma wusste, wie der Nußlocher Unternehmer jene Million beschafft hat, die er als Darlehen für ein Bauprojekt in der Lupinenstraße überwies - das Geld stammt aus dem betrügerischen Verkauf von Photovoltaik-Anlagen.
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