Heidelberg. Volle Vorratskammern und leere Supermarktregale - die Corona-Zeit ist auch die Zeit der Hamsterkäufe. Insbesondere Hygieneartikel wie Toilettenpapier und Desinfektionsmittel erreichten in den letzten Wochen nie da gewesene Absatzzahlen. Aber auch die klassische Seife zählt aktuell zu den begehrten Produkten im Einkaufswagen. Denn regelmäßiges Händewaschen schützt gegen das Virus.
„Seifen und Desinfektionsmittel werden im Internet teilweise zu überteuerten Preisen angeboten. Viele wollen aus der Angst der Leute Profit schlagen“, sagt Jan Heipcke. Der Geschäftsführer der Heidelberger Manufaktur Klar Seifen will diesem Trend entgegensteuern und beschloss daher, Seife zu verschenken - insgesamt 200 000 Stück. „Weil ich helfen will“, betont Heipcke.
Maschinen wurden umgestellt
Wer in den Genuss des kostenlosen Reinigungsmittels kommen möchte, kann es online bestellen. Drei Stück Kernseife werden pro Anfrage verschickt, zahlen muss der Besteller nur das Porto. Wesentlich größere Mengen gehen an gemeinnützige Organisationen in der Region Rhein-Neckar und in ganz Deutschland. „Caritas, die Malteser und Obdachlosenheime haben sich bereits bei uns gemeldet“, erzählt Heipcke, „für die haben wir Kisten gepackt, die dann abgeholt wurden“.
Eigentlich stellt das Unternehmen Edelseifen her - und das bereits seit 1840. Nicht ohne stolz bezeichnet sich Klar als „Deutschlands älteste Seifenmanufaktur“. Nun passiert etwas, was in der 180-jährigen Firmengeschichte noch nie vorkam. Die herkömmliche Produktion pausiert, die Maschinen wurden umgestellt. Statt ausgefallener Formen und exklusiver Inhaltsstoffe wird einfache Kernseife hergestellt. „Die duftet nicht nach Blumenwiese, erfüllt aber ihren hygienischen Zweck“, so Heipcke.
Zunächst waren nur 40 000 Seifen vorgesehen. Die Nachfrage erwies sich als so hoch, dass die Menge bereits nach einer Woche weg war. „Ich hab mit unseren Vorlieferanten und Logistikern gesprochen, ob sie unsere Idee weiterunterstützen und anschließend Ware für zusätzliche 160000 Stück gekauft“, sagt der Geschäftsführer. Er versucht darauf zu achten, dass seine kostenlose Ware bei der richtigen Adresse landet. Es sei nicht Sinn der Sache, mehrere hundert Seifen an eine vermeintlich gemeinnützige Organisation zu senden und am nächsten Tag werde die Ware online zum Verkauf angeboten.
Einen riesigen Seifen-Boom kann Heipcke seit Ausbruch der Corona-Krise nicht feststellen. Dafür hat der ein oder andere Besteller der Gratisseife noch ein weiteres Produkt aus dem Onlineshop gekauft. Alles, was dort angeboten wird, basiert auf Naturbasis und ist somit frei von tierischen Produkten. „Seit vergangenem Jahr verzichten wir auf Palmöl und sind stattdessen auf griechisches Olivenöl umgestiegen“, erklärt Jan Heipcke.
Für den 37-Jährigen, der seit 2010 Geschäftsführer der Manufaktur ist, spielt Regionalität eine wichtige Rolle bei der Herstellung: „Lavendel oder Rosen beziehen wir von örtlichen Floristen, manche Öle aus dem südfranzösischen Grasse.“
Erfolgreich in der Nische
Je nach Saison arbeiten zehn bis 15 Angestellte in dem Unternehmen. Sie stellen Seifen aller Art, feste Shampoos, Pflegeprodukte oder Rasierschaum her. „Wir legen Wert auf regionale und fair produzierte Ware. Mit unserer hochwertigen Manufakturarbeit befinden wir uns in einer Nische“, sagt Heipcke. Schon seit einigen Jahren verspürt der Betriebswirt, dass „das Stück Seife eine gewisse Renaissance erfährt“. Entsprechend sind auch die Umsätze des Heidelberger Unternehmens gestiegen.
Das Thema Nachhaltigkeit ist nämlich längst auch in der Hygiene angekommen. Viele Neukunden haben ihren Weg über Empfehlungen zur Klar Seifenmanufaktur gefunden. „Die suchen ein passendes Mittel gegen Pickel oder etwas zum Abschminken. Bei uns finden sie es und werden zu Stammkunden“, sagt Heipcke.
Seife seit 180 Jahren
- 1840 eröffnet der Seifensieder Philipp Klar in der Heidelberger Hauptstraße einen Handwerksbetrieb mit angegliedertem Laden.
- Um die Jahrhundertwende schafft es sein Sohn Theobald Klar, den bestehenden Betrieb zu modernisieren, auszubauen und im süddeutschen Raum zu etablieren.
- Das Unternehmen übersteht den Zweiten Weltkrieg und wird weiter von der Familie Klar geführt. In den 1970ern führen neue Vertriebswege zu einer gesteigerten Produktion.
- 2010 tritt Jan Heipcke die Unternehmensnachfolge an. 2020 erfolgt der Umzug von Heidelberg an den neuen Standort in Plankstadt.
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