Berlin. Glitzer ist für viele das I-Tüpfelchen, das Must-have beim Make-up, dem Kostüm oder dem Geschenk. Nur: Glitzer, das sind oft winzige Kunststoffschnipsel, die die Umwelt belasten können, auch den Menschen. Die Europäische Union verbietet darum schrittweise Mikroplastik als solches, ebenso Produkte, denen Mikroplastik zugesetzt wurde und die dieses bei der Verwendung freisetzen.
Das sorgt für große Aufregung. Manche haben schnell noch einen Vorrat an glitzernden Lidschatten im Drogeriemarkt gehamstert, fürchten das Aus für Feenstaub, das Ende der Glitzernägel, ja, den Tod des Glamours. Aber was fliegt wirklich aus den Regalen, was ändert sich nach und nach?
Glitterkleber ist nicht betroffen
Alles begann Mitte Oktober mit dem Verbot von losem Plastik-Glitter und von Mikroplastikperlen, die in Kosmetika wie Zahnpasta oder Duschgel, aber auch in Waschmitteln als eine Art Schleifmittel eingesetzt wurden für ein Peeling, zum Polieren, zum Reinigen. Das heißt: Glitzernder Lidschatten ist noch nicht von der Regelung betroffen, auch Glitterkleber ist es nicht. Lücken im Regal? Gibt es wegen der EU-Vorgaben nicht.
Alexander Strehlau kümmert sich bei der Drogeriekette dm als Bereichsverantwortlicher um das Sortiment und den Einkauf. Die Mikroperlen spielten in den Rezepturen heute „keine Rolle mehr“. Es sei „sichergestellt“, dass die neuen EU-Regeln eingehalten würden. Die Hersteller sind vorbereitet. Losen Glitzer gibt es inzwischen auch ausbiologisch abbaubaren Stoffen wie Maisstärke. Und Peeling-Partikel würden beispielsweise, heißt es beim Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IKW) „durch Walnussschalen und andere Fruchtschalen sowie Wachse, Zellulose oder mineralische Stoffe ersetzt.“
Schwieriger werde das allerdings, so der IKW bei anderen Mikroplastik-Inhaltsstoffen etwa in Make-up, Lippen- und Nagelprodukten. Da gebe es derzeit „nur in Einzelfällen alternative Lösungen.“ Produkte mit Glitzer und ohne Mikroplastik – immerhin geht es. Doch bekommen die Hersteller für deren Entwicklung noch Zeit. Die Reste von Lippenstift, Lidschatten, Puder werden meistens nicht mit Wasser abgewaschen, gelangen nicht in die Kläranlagen, die Mikroplastik auch nicht vollständig zurückhalten können. Stattdessen landet das Tuch zum Abschminken im Hausmüll. Die EU gewährt für diese Produkte, die nichtweggespült werden, längere Übergangsfristen.
„In Meeren und in Lebensmitteln“
Für immer bleiben dürfen aber auch sie nicht. „Mikroplastik findet sich in den Meeren, in Flüssen und an Land sowie in Lebensmitteln und Trinkwasser“, sagt EU-Umwelt-Kommissar Virginijus Sinkevicius. Die mikroskopisch kleinen Kunststoffpartikel – sie sind zwischen 5 Millimeter und 1000 Nanometer klein – können über große Distanzen transportiert werden, sind sie einmal in die Umwelt gelangt.
Selbst in den entferntesten Regionen der Arktis finden sie sich wieder, auch in Tieren, vor allem in Meerestieren. Forschende haben sie längst auch im Menschen nachgewiesen, und zwar in sämtlichen Organgeweben, im Blut, in der Plazenta und im Stuhl. Die Gesundheitsrisiken sind noch unklar. Unter anderem bei Tierversuchen hat sich aber gezeigt, dass Mikroplastik Entzündungsreaktionen auslösen kann. Darauf weisen die Verbraucherzentralen in Deutschland auf ihrer gemeinsamen Internetseite verbraucherzentrale.de hin.
Kunstrasenplätze in Deutschland umrüsten - wird teuer
Die Brüsseler Kommission rechnet vor, dass in der EU bislang jedes Jahr 42 000 Tonnen Mikroplastik in die Umwelt gelangen, das Produkten absichtlich zugefügt wurde. Noch nicht geredet von dem Mikroplastik, das durch den Abrieb von Reifen oder beim Wachen von Textilien zusätzlich entsteht. Die EU-weiten Beschränkungen sollen die Belastungen verringern. Dabei geht es aber gar nicht nur um Kosmetika oder Kostüme. Sie sind für die Freisetzung von zugesetztem Mikroplastik nicht die einzige Quelle, nicht einmal die größte.
Das ist laut der EU-Kommission das Plastikgranulat auf Sportanlagen, vor allem auf Kunstrasenplätzen, auf denen zumeist Fußball gespielt wird. Darum müssen auch Besitzer und Betreiber der rund 5200 Kunstrasenplätze in Deutschland umdenken und umrüsten. Das werde teuer, warnte bereits Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte-und Gemeindebund. „Es ist von Mehrkosten in Höhe von mindestens einer Milliarde Euro auszugehen“, sagte er – und forderte Finanzhilfen von Bund und Ländern für die Kommunen.
Alternativen für Kunstrasenplätze
Zeit bleibt noch bis Mitte 2031. Dann sind die Plastik-Kügelchen verboten, die auf Kunstrasenplätzen verwendet werden, damit der Ball ähnlich wie auf einem Rasenplatz abspringt und Erschütterungen abgefedert werden. Kunstrasen haben Vorteile, sie sind pflegeleicht, bei jedem Wetter bespielbar. Das Granulat aber wird mit Wind, Regen, Schnee vom Platz und in die Umwelt getragen – oder durch die Spielerinnen und Spieler selbst, weil es in ihren Schuhen, Strümpfen, Hosen hängenbleibt.
Doch gibt es Alternativen. „Bereits heute stehen andere Materialien für Sportplätze zur Verfügung und sind auch praktisch erprobt“, erklärt das Bundesumweltministerium, „dazu zählen neben Sand und Kork auch Material aus Olivenkernen oder von Kokosnüssen.“ Mikroplastik ist also doch kein Must-have.
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