Sportpolitik - Der Kampf gegen Mikroplastik trifft möglicherweise Amateurfußballer besonders hart / Verkäufer und Vereine in Sorge

„Ich kann ruhigen Gewissens kein Granulat mehr empfehlen“

Von 
Sebastian Koch
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Kunstrasen. © Getty Images/iStockphoto

Mannheim/Brüssel. Viel ist an diesem Freitagabend nicht los auf der Sportanlage der DJK Feudenheim im Mannheimer Norden. „Der letzte Schultag, die große Hitze – wir haben einige Trainings abgesagt“, erklärt Edgar Lauer, erster Vorsitzende des Vereins.

Einige E-Jugendspieler spielen dann aber doch auf dem Kunstrasen. Es wird getobt, Flanken werden geschlagen, Bälle auf das kleine Tor gekickt und wieder zurückgeschossen. Jedes Mal, wenn das Runde auf dem Kunstrasenplatz titscht, gibt es eine kleine Fontäne. Man muss ganz genau hinsehen, aber dann sieht man sie deutlich: die winzigen, aus dem Kunstrasen fliegenden, schwarzen Körner – Granulat. Mikroplastik. Seit die Europäische Union vor wenigen Wochen ein Verbot der Plastikteilchen auf Kunstrasenplätzen ins Gespräch gebracht hat, bestimmt das Thema die Agenda von Amateurvereinen in ganz Europa.

Höchster Spielerschutz

Worum geht es eigentlich? In der Diskussion um schädliches Mikroplastik, also Kunststoffteile mit einem Durchmesser von weniger als fünf Millimeter, berät die Kommission über ein Verbot von Granulat. Das kommt vor allem als Füllmaterial auf Kunstrasenplätzen vor und bietet den derzeit höchstmöglich bekannten Schutz für Fußballspieler, wie der Heppenheimer Verkäufer von Kunstrasenplätzen, Frank Tegelkämper (kleines Bild), im Gespräch mit dieser Zeitung erklärt. Granulat ist demnach nach dem Abrieb von Autoreifen die zweitgrößte Quelle für Mikroplastik in der Umwelt. Über Fußballschuhe, Trikots und Duschen gelangt das Mikroplastik dann vom Fußballplatz in die Natur und das Grundwasser.

„Im Moment wird noch viel spekuliert, definitiv entschieden ist aber noch nichts. Das Problem betrifft nicht nur den Mannheimer, sondern den europaweiten Fußball“, sagt Harald Schäfer, Vorsitzender des Fußballkreises Mannheim, dieser Zeitung. „Wir sollten deshalb abwarten, inwieweit sich Politik und Verbände zu einem Verbot stellen und welche Fristen ausgehandelt werden.“ Er hoffe darauf, „dass die Hersteller bereits intensiv an Ersatzmaterialien arbeiten, um im Bedarfsfall einen Austausch vornehmen zu können.“

Mit seiner Firma „P&T Sportplatzsysteme“ hat Tegelkämper bereits zahlreichen Amateurvereinen in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg Kunstrasen verkauft. „Kommunen und Vereine machen sich wegen der vielen Mitteilungen Sorgen, die von verschiedenen Stellen zu dem Thema kommen.“ Besonders Vereine, deren mit Granulat versetzter Kunstrasen relativ neu oder gar bereits finanziert aber noch nicht gebaut sei, seien beunruhigt. „Ich kann im Moment keinem Verein mehr ruhigen Gewissens Granulat empfehlen.“

Zwar hatte der für Sport zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) einen Bestandsschutz von sechs Jahren angeregt, aber: „Ein Kunstrasenplatz kann im Schnitt bis zu 15 Jahre lang genutzt werden, ehe er saniert und nachgebessert werden muss“, so Tegelkämper. Die Füllung abzusaugen und neues Material einzupflegen, koste „zwischen 60 000 und 80 000 Euro“.

Auch Schulen nutzen Plätze

Die DJK Feudenheim hat 2015 ihre Sportanlage saniert. 100 000 Euro der für den Platzbau benötigten 250 000 Euro hatten Spenden eingebracht, den Rest haben Land, Kommune und das eigene Vereinsvermögen gestemmt. Bis 2030 war geplant, den Kunstrasen in seinem jetzigen Zustand zu nutzen. Weil die Anlage recht klein ist, der Verein aber viele Mannschaften gemeldet hat, „müssen wir auf Kunstrasen spielen“. Ein Naturrasen halte der Belastung in Zeiten extremer Witterung nicht mehr stand, einen Aschenplatz wolle kein Fußballer mehr haben.

Auch Schulen nutzen den Sportplatz. Eine kostspielige Sanierung zwei oder drei Jahre früher als 2030? „Unsere Mitgliedsbeiträge decken gerade so den laufenden Spielbetrieb und Kosten für kleinere Reparaturen.“ Wo sollte also so schnell so viel Geld wieder herkommen, fragt sich Lauer. Dabei möchte er aber klarstellen: „Die Diskussion um Mikroplastik ist vollkommen berechtigt. Die Umwelt muss geschützt werden, auch von uns Vereinen.“

Aus diesem Grund hat der Klub bereits bei der Anschaffung über Granulat diskutiert und sich auf eine – zwar teurere – aber umweltfreundlichere Granulatart entschieden. Die Spieler der DJK laufen auf einem Kautschuk-Granulat. „Das färbt weniger ab und ist kaum geruchsintensiv“, erklärt Christoph Diehl. Der Abteilungsleiter Leichtathletik ist im Vorstand für technische Fragen verantwortlich und hauptberuflich für „Becker Sportplatzbau“ in Zuzenhausen tätig. Doch auch das etwas teurere Kautschuk-Granulat basiert auf Mikroplastik – und wäre deshalb auch von einem EU-Verbot betroffen. Bild: P & T Sportplatzsysteme

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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