Arbeitsmarkt

Jobsuche ab 50+: Warum sich eine Bewerbung jetzt lohnt

Wer mit Mitte 50 seinen Job verliert, hatte bisher oft schlechtere Chancen als jüngere Menschen, eine neue Stelle zu finden. Ändert sich das durch den Fach- und Arbeitskräftemangel in vielen Branchen?

Von 
Tatjana Junker
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Die Aussichten, bei Bedarf eine neue Stelle zu finden, sind so gut wie lange nicht. © DPA

Im Handwerk, in der Gastronomie, in der Pflege - in vielen Branchen wird derzeit händeringend Personal gesucht. Was die Betriebe vor große Herausforderungen stellt, ist für Jobsuchende eine gute Nachricht: Die Aussichten, bei Bedarf eine neue Stelle zu finden, sind so gut wie lange nicht. Das gilt auch für Personengruppen, die es potenziell auf dem Arbeitsmarkt oft nicht (mehr) so leicht haben - zum Beispiel Menschen ab Mitte 50. Ihr Risiko, bei einem Jobverlust länger arbeitslos zu bleiben, war in der Vergangenheit jedenfalls deutlich höher als bei jüngeren Beschäftigten. Ändert sich das durch den aktuellen Personalmangel?

Firmen gezwungen, umzudenken

„Zahlenmäßig lässt sich das noch nicht belegen. Grundsätzlich kann man aber schon sagen: Der Arbeitsmarkt ist momentan sehr aufnahmefähig, und das verbessert grundsätzlich die Chancen für alle Gruppen - auch für ältere Menschen, die eine neue Stelle suchen“, sagt Ulrich Walwei, Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Weil es für viele Unternehmen immer schwerer werde, offene Stellen zu besetzen, seien die Betriebe zunehmend gezwungen, umzudenken - und auch Kandidatinnen und Kandidaten zu berücksichtigen, die sie sonst vielleicht eher nicht als erstes im Fokus hätten. „Grundsätzlich kommt es aber natürlich auf die Passung an“, sagt Wissenschaftler Walwei. So seien die Personallücken derzeit zum Beispiel besonders groß im Gesundheits- und Pflegebereich, im Handwerk und in der IT. „Da kann es im Einzelfall natürlich schon sein, dass ältere Beschäftigte Einschränkungen mitbringen, zum Beispiel, wenn es um körperlich sehr anstrengende Arbeiten geht.“ Auch in der IT würden Arbeitgeber für manche Aufgaben vermutlich eher nach jüngeren Beschäftigten schauen, zum Beispiel bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle.

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„Mit Blick auf den demografischen Wandel müssen die Betriebe da aber auch flexibler werden und nach kreativen Lösungen suchen, wie sie ältere Beschäftigte einbinden können“, so Walwei. Die Digitalisierung und der technische Fortschritt böten dazu Möglichkeiten, zum Beispiel, indem körperlich schwere Aufgaben von Maschinen übernommen würden. „Das kann die Rahmenbedingungen für die Beschäftigung älterer Menschen verbessern.“ Auch Weiterbildung spiele eine wichtige Rolle.

„Was wir durch den Arbeitskräftemangel auf jeden Fall sehen ist, dass Unternehmen ein großes Interesse daran haben, ihre Mitarbeitenden so lange wie möglich im Betrieb zu halten, teilweise sogar über das Renteneintrittsalter hinaus“, sagt Walwei. Dass sich die Vorzeichen für die Beschäftigung älterer Menschen in den letzten Jahren positiv verändert haben, beobachtet auch Katharina Hain, Bereichsleiterin beim Personaldienstleister Hays in Mannheim. Neben dem Fach- und Arbeitskräftemangel trügen dazu auch andere Faktoren bei: „Unter anderem hat das Thema Diversität in vielen Unternehmen inzwischen einen höheren Stellenwert bekommen. Dazu gehört dann auch, dass Menschen aus verschiedenen Altersgruppen eingestellt werden“, sagt die Personalexpertin.

Die eigene Erfahrung hervorheben

Auf der anderen Seite gebe es bei manchen Arbeitgebern sicher auch Vorbehalte in den Köpfen. „Manche gehen vielleicht davon aus, dass ältere Beschäftigte grundsätzlich teurer sind. Oder sie fürchten, dass der neue Mitarbeiter oder die neue Mitarbeiterin nach ein paar Jahren in Alterszeit gehen will. Da das Onboarding teuer ist, fragen sich manche Betriebe vermutlich, ob sich das lohnt“, so Hain.

Älteren Menschen auf Jobsuche rät die Personalexpertin, bei der Bewerbung ihren großen Erfahrungsschatz in den Fokus zu stellen. „Erzählen Sie zum Beispiel im Anschreiben eine Geschichte, die den Mehrwert Ihrer Erfahrungen für den Arbeitgeber aufzeigt.“ Ratsam sei außerdem, sich vor einer Bewerbung darüber zu informieren, wie eine marktgerechte Bezahlung in der jeweiligen Position aussieht - und sich bei der Angabe der Gehaltsvorstellung daran zu orientieren.

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Dass eine gewisse Flexibilität beim Gehalt wichtig sein kann, bestätigt auch Thomas Schulz, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Agentur für Arbeit Mannheim. „Für ältere Arbeitssuchende ist das teilweise nicht leicht. Jemand, der vorher vielleicht als qualifizierte Fachkraft bei Daimler im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet und dort gutes Geld verdient hat, tut sich unter Umständen schwer, eine Stelle im Handwerk anzunehmen, die nicht so üppig bezahlt ist“, sagt er.

Unter dem Strich könne man aber sagen: „Wenn jemand Flexibilität mitbringt, motiviert ist und eine Basisqualifikation hat, ist das Alter sekundär“, bekräftigt Schulz. Die Agentur für Arbeit vermittele viele Menschen, die 50 Jahre und älter seien, erfolgreich in neue Jobs. „Die Marktsituation war schon vor der Pandemie gut, und wir sehen auch jetzt, dass der Arbeitsmarkt von den aktuellen Krisen wie dem Ukrainekrieg weitgehend abgekoppelt ist.“

Mit Blick auf das steigende Renteneintrittsalter sei es zudem absolut sinnvoll, Menschen auch in höheren Altersgruppen noch zu qualifizieren. Schulz verweist in dem Zusammenhang auch auf Fördermöglichkeiten, mit denen die Weiterbildung von Beschäftigten im Betrieb unterstützt wird.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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