Fachkräftemangel

Mannheimer Bürgerdienste müssen auf Leiharbeiter setzen

Die Stadt Mannheim beschäftigt derzeit bei ihren Bürgerdiensten elf Leiharbeiter - die meisten davon in der Ausländerbehörde. Ein Sprecher erklärt, wie man sicherstellen will, dass Daten nicht an Dritte gegeben werden

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Sebastian Koch
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Die Ausländerbehörde der Stadt musste im Zuge des Ukraine-Kriegs „unter großem Zeitdruck“ zahlreiche Antragsverfahren von Geflüchteten bearbeiten. © dpa

Der Mangel an Fachkräften spiegelt sich in vielen Bereichen wider: Betriebe jeglicher Art klagen über unbesetzte Ausbildungsstellen, Handwerkerinnen und Handwerker fehlen überall, und die Pflege ist sowieso schon lange chronisch unterbesetzt. Auch die Verwaltung der Stadt ist vor dem Fachkräftemangel nicht gefeit - und muss deshalb auch in datensensiblen Bereichen in Bürgerdiensten auf die Hilfe von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern setzen.

„Zurzeit werden elf Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer über einen Personaldienstleister beschäftigt“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage dieser Redaktion. Demnach besäßen etwa vier Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachbereichs Bürgerdienste Leihverträge. Zehn der elf Kräfte arbeiteten im Bereich Zuwanderung und Einbürgerung, eine sei dem Bürgerservice zugewiesen, heißt es.

Die Anträge der aus der Ukraine Geflüchteten müssten etwa „unter großem Zeitdruck“ bearbeitet werden. „Durch den eklatanten Mangel an Fachkräften konnte kurzfristig der Bedarf an qualifizierter Sachbearbeitung nicht gedeckt werden“, erklärt der Sprecher. Deshalb habe man auf Leihmitarbeiter zurückgreifen müssen. Demnach seien in der Ausländerbehörde im Bereich Zuwanderung und Einbürgerung momentan zwölf Sachbearbeiter-Stellen - etwa jede Fünfte - nicht besetzt.

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Zuletzt hatte diese Redaktion über einen mutmaßlichen Vorfall berichtet, bei dem ein in der Ausländerbehörde tätiger Mitarbeiter eine Geflüchtete erpresst haben soll. Die Verwaltung bestätigte vergangene Woche, sie habe Anzeige gegen Unbekannt erstattet, betonte aber, es gebe bislang „keine ausreichenden Anhaltspunkte“ dafür, „dass die Anschuldigungen gegen bestimmte Mitarbeitende zutreffen“. Die Vorwürfe seien noch nicht abschließend geklärt. Zur Frage, ob es sich dabei um einen Leihmitarbeiter handelt, äußerte sich die Verwaltung mit Verweis auf die noch laufende Aufklärung inhaltlich nicht.

Keine Eigenverantwortung

Die Stadt setzt in Bereichen, die auch mit persönlichen Daten von in Mannheim Wohnenden zu tun haben, Leihkräfte ein. „Die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer haben Zugriff auf die notwendigen Daten, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.“ Der Sprecher verweist aber darauf, dass die Personen „ausschließlich mit Unterstützungstätigkeiten betraut sind“.

So würden sie etwa biometrische Daten von Geflüchteten aufnehmen. Die Registrierung und Bearbeitung der Anträge werde anschließend allerdings durch „reguläre“ Sachbearbeiter vorgenommen. Die Daten würden Hilfskräfte außerdem auch „nicht eigenverantwortlich“ erfassen, sondern „in Zusammenarbeit mit Stammpersonal, das speziell dafür abgestellt wurde“, erklärt der Sprecher weiter. „Das Aufgabenspektrum ist trennscharf von der qualifizierten Sachbearbeitung abgegrenzt.“

Im Bürgerservice gehörten im Bereich der Meldebehörde auch der vorbereitende Datenabgleich zu den Aufgaben der Leihkräfte. „Außerdem ist die Überprüfung und gegebenenfalls Nachbearbeitung von eingereichten Antragsunterlagen eine Unterstützungstätigkeit.“

Zwischen einem und neun Monaten arbeiteten die Kräfte für die Verwaltung der Stadt. Damit sensible und personenbezogene Daten nicht an Dritte getragen werden, seien die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter wie städtische Angestellte zur Verschwiegenheit verpflichtet und „unterliegen wie alle anderen Beschäftigten der Bürgerdienste den Sicherheitskontrollen in diesem Bereich“, erklärt der Sprecher.

So könne im Bereich Zuwanderung und Einwanderung etwa jeder Zugriff auf Daten zurückverfolgt werden, heißt es. Auch würden Bundesbehörden die Rechtmäßigkeit der Abrufe stichprobenartig kontrollieren. Leihkräfte würden außerdem „in keinem Fall eigenverantwortlich“ arbeiten und im Aufgabenbereich der Geflüchteten keine Aufenthaltsrechte erteilen. „Aufenthaltsrechtliche Bescheinigungen werden durch ,reguläre’ Mitarbeitende erteilt und unterliegen einer Kontrolle im Vier-Augen-Prinzip.“ Im Bereich Bürgerservice gebe es etwa automatisierte Kontrollen oder solche durch Vorgesetzte.

Dass Städte in dieser Größenordnung bei Bürgerdiensten auf Leihverträge setzen müssen, zeigt auch das Beispiel Münster. Die Stadt lag 2021 mit fast 318 000 Einwohnerinnen und Einwohnern einen Platz vor Mannheim (etwa 312 000). Eine Sprecherin erklärt, die Münsteraner Verwaltung setze bei Bürgerdiensten „punktuell Leiharbeitnehmerinnen und -Arbeitnehmer bei Vakanzen und kurzfristigen Bedarfen“ ein. Die prozentuale Zahl der Stellen bewege sich aber „im Promillebereich“. Die Arbeitskräfte „werden wie städtische Mitarbeitende in die Organisation der Verwaltung eingegliedert - mit allen notwendigen Arbeitsmitteln und Zugriffen“. Eine Anfrage an die Stadt Karlsruhe, die den Platz hinter Mannheim belegt, blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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