Wirtschaft

Fachkräftemangel in Mannheim und der Region: Das sind die Folgen in der Gastronomie

Fast jeder Gastronomiebetrieb sucht Personal. Das bringt Restaurants, Bars und Cafés in Bedrängnis. Je nachdem, wie angespannt die Personallage ist, müssen sich Gäste deshalb von manchen Gewohnheiten verabschieden

Von 
Christian Schall
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Restaurants und Bars tun sich besonders schwer, Personal für die Küche zu finden. Deshalb werden in einigen Betrieben schon die Küchenzeiten verkürzt. © iStockphoto

Rhein-Neckar. „Koch/Köchin und Servicekräfte gesucht“ - wer ein Restaurant oder Café betritt, kommt seit Monaten an diesen und ähnlichen Aushängen nicht vorbei. Die Vielzahl der Stellengesuche verdeutlicht: Es gibt kaum einen Betrieb, dem nicht auf irgendeiner Position eine Kraft fehlt. Je nachdem, wie angespannt die Personallage ist, müssen sich Gäste deshalb von manchen Gewohnheiten verabschieden. Vereinzelt kann es vorkommen, dass nach 21 Uhr der Ofen aus ist und man keine warmen Speisen mehr bestellen kann. Oder dass der Laden um 22 Uhr komplett dichtmacht, anstatt - wie früher - erst gegen Mitternacht.

Im Extremfall bleibt ein Lokal ganz geschlossen. Wie Boland’s Taphouse Bar & Kitchen in der Mannheimer Innenstadt. „Seit 1. August haben wir wegen Personalmangel und der Urlaubszeit geschlossen“, erklärt Geschäftsführer Ronald Boland. Aus diesem Grund habe er einige Reservierungen von Firmen absagen müssen, bedauert er, „aber der Arbeitsmarkt ist brutal“. Fünf Angestellte habe er während der Corona-Pandemie verloren, allerdings waren darunter auch vier Frauen, die schwanger wurden. Trotzdem fehlen ihm diese Arbeitskräfte, für die er bis heute keinen Ersatz gefunden hat. „Das größte Problem ist, Köche zu bekommen“, sagt Boland.

Zu solch drastischen Mitteln wie das Taphouse mussten Tonia Drayß und Pascal Odedra noch nicht greifen. Sie betreiben das Back- und Brauhaus Drayß mit Standorten in Lorsch und Bürstadt. „Wir sind im Regelbetrieb wie vor Corona“, sagt Odedra. Abgesehen von ein paar Aushilfen sei ihnen das Personal treu geblieben. „Da haben wir wirklich Glück gehabt.“ Die Fluktuation betreffe die Stellen, auf denen Aushilfskräfte eingesetzt werden. „Es gibt hier und da mal einen Engpass, aber unser Grundkonstrukt steht ganz gut“, sagt Odedra und gibt zu: „Wir haben es uns vor der Sommersaison schlimmer vorgestellt.“

Küche ist oft "der größte Knackpunkt"

Erleichtert ist er darüber, dass er in der Küche personell gut aufgestellt ist. „Das ist oft der größte Knackpunkt“, weiß er aus anderen Betrieben und hat Verständnis dafür, warum potenzielle Kandidaten nicht gerade Schlange stehen: „Das ist ein harter Beruf. Wenn man sonntags oder am Feiertag bei 35 Grad in der Küche stehen muss, während Familie und Freunde am Badesee liegen, ist das nicht sehr attraktiv.“

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Der Landesverband Baden-Württemberg des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) bestätigt, dass der Mitarbeitermangel „eine erhebliche Herausforderung für die Betriebe darstellt“. Die Entwicklung gehe aber wieder in eine positive Richtung. „Die Branche gewinnt Mitarbeiter hinzu, ist allerdings noch deutlich vom Vorkrisen-Stand entfernt.“ Betroffen seien alle Bereiche von der Küche bis zum Service. Laut Dehoga ergibt sich bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen Sommer 2019 und September 2021, den aktuellsten von der Arbeitsagentur gemeldeten Zahlen, im Land eine Differenz von etwa 12 000 Stellen. Hinzu kommen rund 10 000 geringfügig Beschäftigte, die fehlen.

„Die Abwanderung von Mitarbeitenden während der Pandemie gehört zu den größten und langfristig bedeutendsten Krisenschäden, die das Gastgewerbe in der Corona-Krise erlitten hat.“ Bis zur Pandemie seien die Beschäftigtenzahlen im Gastgewerbe stark steigend gewesen, „was klar für die Attraktivität der Branche als Arbeitgeber spricht“.

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Nach einer jetzt veröffentlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat der Bereich Tourismus, Hotel und Gaststätten 2020 knapp 216 000 Personen verloren. Ein Grund dafür ist, so das IW, dass viele ehemalige Beschäftigte während der Lockdowns in andere Berufe abgewandert sind.

Wie eine neue Auswertung des Instituts zeigt, sind die Regionen unterschiedlich stark vom Fachkräftemangel betroffen. Auf Basis von Zahlen der Bundesagentur für Arbeit und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat das IW berechnet, wie hoch die sogenannte Stellenüberhangquote ist, also der Anteil der nicht zu besetzenden Stellen. Da sich die Angaben auf die Bezirke der jeweils zuständigen Agentur für Arbeit beziehen, sind lokalere Angaben laut IW nicht möglich.

130 Stellenangebote in Mannheim

Demnach liegen Mannheim und Heidelberg bei 11,5 - heißt, dort werden 11,5 Prozent der offenen Stellen nicht besetzt. Ludwigshafen (mit Speyer, Rhein-Pfalz-Kreis und Frankenthal) kommt auf 22,4, und Darmstadt (unter anderem mit Kreis Bergstraße) auf 23,8. Angespannt ist die Situation in Schwäbisch-Hall-Tauberbischofsheim (mit Bad Mergentheim, Wertheim, Buchen und Mosbach): 74,0 Prozent bedeuten, dass sich für drei Viertel der freien Stellen niemand findet. Bundesweites Schlusslicht ist Würzburg mit 83,6 Prozent. In Köln dagegen (0,1) findet rein rechnerisch jeder Gastronomiebetrieb einen passenden, qualifizierten Arbeitslosen.

In der Jobsuche auf den Internetseiten der Agentur für Arbeit waren unter dem Stichwort „Gastronomie“ am Dienstag allein für Mannheim 130 Angebote zu finden, vom Minijob als Aushilfe bis zum Restaurant-Betriebsleiter. Für Bad Mergentheim gab es 56 Stellenangebote, für Bensheim 28 und Weinheim 24.

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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