Mannheim. Frei nach Liedermacherin Ina Deter sprüht es Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck jetzt an jede Wand: Weniger Gas, mehr Kohle braucht das ganze Land. Er muss viele Grundsätze über Bord werfen, denn nach der Drosselung der russischen Lieferungen könnte es ja im Winter eng werden. Deshalb soll jetzt mehr Kohle verstromt werden. Und damit kommt auch das Grosskraftwerk Mannheim (GKM) ins Spiel. Deutschlands größtes Steinkohlekraftwerk könnte nach Angaben des GKM die doppelte Strommenge des vergangenen Jahres produzieren - wenn die drei Blöcke 6, 8 und 9 auf Hochtouren laufen. 2021 waren es rund fünf Milliarden Kilowattstunden Strom.
Das Unternehmen hat schon vor Habecks Kurswechsel den Brennstoffeinkauf mit Blick auf den Winter angepasst, um die Kohlevorräte zu erhöhen. Außerdem ordern, wie es heißt, schon jetzt die drei GKM-Anteilseigner mehr Strom für ihre Kunden. Dabei handelt es sich um die Energieversorger RWE (Essen), die EnBW (Karlsruhe) und die MVV (Mannheim), die neben Strom auch Fernwärme bezieht. Derzeit laufen im GKM noch Revisions- und Reparaturarbeiten, die, so der Energieproduzent, generell in der wärmeren Jahreszeit durchgeführt würden, um die Anlagen „fit“ für den Winter zu machen. Deshalb sind aktuell nur die Blöcke 8 und 9 in Betrieb.
Interessant ist allerdings, was vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung perspektivisch mit den Blöcken 7 und 8 passiert. Block 7 wird nach der bisherigen Rechtslage nur als Netzreserve genutzt. Block 8 kommt ab Mai 2024 auch nur noch allenfalls für diese Nutzung infrage. Auf Habecks Drängen soll der Bundestag aber im Juli das Ersatzkraftwerke-Bereithaltungsgesetz verabschieden. Dadurch soll im Strommarkt der Einsatz von Gas verringert werden. Genutzt werden sollen dann Kohlekraftwerke, die derzeit nur eingeschränkt verfügbar sind oder sich in Reserve befinden. Es könnte also sein, dass Block 7 aus der Notreserve genommen und Block 8 über das genannte Datum hinaus sogar normal weiterlaufen würde. Und ob Block 9 - er liefert rund 45 Prozent der Energie - wirklich Anfang 2034 vom Netz gehen muss, wer kann das in diesen Zeiten schon wissen?
Auch die Energieversorger reagieren natürlich auf die neue Entwicklung. RWE denkt allerdings überhaupt nicht daran, sich auf eine Lasst-die-Atomkraftwerke-länger-laufen-Debatte einzulassen. Um seine Braunkohle-Kraftwerke länger laufen zu lassen, hat RWE die Frühverrentung von mehreren Hundert Mitarbeitern gestoppt, die mit der Stilllegung von drei Braunkohle-Blöcken in den Vorruhestand gehen sollten. Die Blöcke befinden sich den Angaben zufolge in der sogenannten Sicherheitsbereitschaft. Die EnBW wiederum verfolgt eine Doppelstrategie. Sie will den Steinkohle-Block 7 des Rheinhafen-Dampfkraftwerks nun nicht mehr wie geplant zur Jahresmitte stilllegen, sondern bis mindestens Ende 2023 weiter betreiben. Außerdem möchte die EnBW ab 2026 jährlich 1,5 Millionen Tonnen Flüssiggas aus den USA beziehen.
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