Neue Regeln - Weihnachtsgeschäft wird erneut von Corona bestimmt / Experten erwarten Rückgang der Frequenz in Innenstädten

Einzelhandel in Mannheim und der Region sorgt sich um Weihnachtsgeschäft

Von 
Bettina Eschbacher und Christian Schall
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Weihnachtlich geschmückte Schaufenster eines Kaufhauses in Nürnberg: Der Handel hofft auf ein Umsatzplus – trotz Corona-Verschärfungen. © dpa

Rhein-Neckar. Einzelhändler in der Region blicken mit Sorge auf die vierte Corona-Welle und die immer strenger werdenden Verhaltensregeln. „Es gibt Zweifel daran, dass sich die Erwartungen für das Weihnachtsgeschäft erfüllen“, sagt Swen Rubel, Geschäftsführer des Handelsverbands Nordbaden. Der Bundesverband HDE war bislang von einem Umsatz von knapp 112 Milliarden Euro ausgegangen, zwei Prozent mehr als 2020.

Nach einer Umfrage des HDE planen die Kunden, dieses Jahr im Durchschnitt Weihnachtsgeschenke für 273 Euro zu kaufen. Rund die Hälfte der Kundinnen will genauso viel ausgeben wie im Vorjahr. Ganz oben auf der Liste der beliebtesten Geschenke stehen Gutscheine, Bücher und Schreibwaren sowie Spielwaren. Nach Prognosen des HDE wird der Umsatz im Weihnachtsgeschäft - also in den Monaten November und Dezember - zwei Prozent höher liegen als im Vorjahr.

„Der Handel steht vor herausfordernden Zeiten im Weihnachtsgeschäft“, sagt Rubel. Dabei hätten die zurückliegenden Monate eigentlich Grund zum Optimismus gegeben. Im Oktober seien 55 Prozent der Händler mit den Umsätzen (sehr) zufrieden gewesen. Das zeige, dass die Konsumlust zurück ist.

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Von
Lisa Uhlmann und Steffen Mack
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Entsprechend hoch waren bis vor ein paar Tagen die Erwartungen. Besonders die von den Lockdowns gebeutelten Branchen wie Bekleidung, Spielwaren, Uhren und Schmuck erwarteten ein besseres oder deutlich besseres Weihnachtsgeschäft als im Vorjahr. Dass es das Vorkrisenniveau von 2019 übertrifft, glauben die Händler branchenübergreifend allerdings mehrheitlich nicht.

Erst recht nicht, wenn im Einzelhandel in Baden-Württemberg nun wieder die 3G-Regel gilt, in Städten und Kreisen mit einer Inzidenz über 500 an zwei Tagen in Folge, wie in Mannheim, sogar 2G. „Auch wenn es wahrscheinlich keinen Lockdown wie letztes Jahr gibt, werden die aktuellen Maßnahmen die Frequenzen drastisch senken“, sagt auch Handelsexperte Joachim Stumpf. Er ist Geschäftsführer der BBE Handelsberatung GmbH in München.

„Wir würden auch 2G mitmachen - eine offene Tür ist besser als eine geschlossene“, sagt Tatjana Steinbrenner, Präsidentin des südhessischen Handelsverbands. Sie führt ein Kaufhaus in Bensheim. Die Angst sei groß, so wie 2020 noch kurz vor Weihnachten schließen zu müssen. Aktuell kann beim Handel in Hessen noch ohne 2- oder 3G-Regelungen eingekauft werden. Deshalb hält es Steinbrenner auch für möglich, dass vermehrt Geschenkekäufer abwandern - um den strengeren Vorgaben in Baden-Württemberg zu entgehen. So könnte das Viernheimer Rhein-Neckar-Zentrum davon profitieren, dass im nahen Mannheim Ungeimpfte in vielen Geschäften keinen Zutritt haben.

Die unterschiedlichen Regeln sorgen für heftige Kritik: „Nach fast zwei Jahren Pandemie sollte man erwarten können, dass die Politik Entscheidungen trifft, die die Menschen auch nachvollziehen können. Dem ist jedoch nicht so, vielmehr laden Politiker ihren Job auf andere wie beispielsweise uns Einzelhändler ab. Alleine bei uns in Q 6 Q 7 gelten so viele unterschiedliche Regeln, dass diese kein Mensch mehr nachvollziehen kann“, beklagt Hendrik Hoffmann, Geschäftsführer des Q 6 Q 7- Betreibers CRM - Center & Retail Management.

Rekordumsatz zum Black Friday erwartet

Die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland stehen nach einer Umfragevon Boston Consulting Group in den Startlöchern, um an diesem Freitag, dem Black Friday, auf Schnäppchenjagd gehen.

Der Schnäppchentag ist mittlerweile einer der umsatzstärksten Verkaufstage im Jahr. Der Einzelhandel erwartet nach einer Prognose des Handelsverbandes Deutschland (HDE) am Black Friday und dem folgenden Cyber Monday Rekordumsätze in Höhe von 4,9 Milliarden Euro.

Zum Rabatttags warnt die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz vor nur scheinbar günstigen Angeboten im Internet. „Was Online-Shops versuchen, als exklusives Schnäppchen zu verkaufen, kann in Wahrheit sogar teurer sein als ein reguläres Angebot“, so die Beratungsstelle.

Sie rät auch, sparsam mit persönlichen Daten umzugehen. „Löschen Sie regelmäßig Cookies.“ So ist sei es für Shop-Betreiber schwerer, Profile zu erstellen.“ Tipps dazu gibt es unter: www.wasistdeinpreis.de

 

So gelten für den Lebensmittelhandel keine Einschränkungen, für den anderen Einzelhandel 2G, für die Außengastronomie 3Gplus, drinnen wiederum 2G. Im Hotel gelte eigentlich 2G, für Geschäftsreisende 3G. Das Fitnessstudio müsse 2G einhalten. „Und das alles innerhalb unseres Quartiers!“, erklärt Hoffmann. „Die jüngste Schnellübersicht der Landesregierung hat elf Seiten! Solche Vorgaben, die ehrlicherweise keiner mehr aufnehmen kann, sind zum Scheitern verdammt.“

Seitdem über 3G diskutiert werde, sei die Kundenfrequenz um 60 Prozent eingebrochen, berichtet Rubel. Frust, Angst und Verunsicherung bei den Händlern sei groß, es fehle die kurzfristige Perspektive. „Bei allem Verständnis für die Sicherheit der Kunden und Mitarbeiter wird die Impfpflicht durch die Hintertür auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen", so Rubel. „Wir erwarten von der Politik, auf allen Ebenen endlich die richtigen, funktionierenden Maßnahmen zu ergreifen, um die Impfrate ausreichend zu erhöhen, damit die Pandemie endlich zu einem Ende kommt", fordert Hendrik Hoffmann.

Und weiter: Die Politik drücke sich um harte Entscheidungen und instrumentalisiere dafür andere wie den Einzelhandel - und das auch noch mit wenigen Stunden Vorlauf. „Entscheidungen werden mitten in der Nacht verkündet und sollen am nächsten Morgen bereits umgesetzt sein. All das ist nach fast zwei Jahren Pandemie absolut nicht mehr akzeptabel“.

Steinbrenner vermisst das stimmungsvolle Ambiente durch die Weihnachtsmärkte, die in vielen Orten ausfallen. Auch das könne Frequenz kosten. Das sieht Handelsexperte Joachim Stumpf ähnlich. „Das betrifft vor allem die Spontankäufe.“ Das könne ein Vorteil für kleinere Städte sein, weil der Weihnachtsmarkttourismus in große Zentren wegfalle. Dann kaufe die Kundschaft vielleicht lieber vor Ort ein. Gleichzeitig rechnet Stumpf damit, dass der Online-Anteil noch einmal deutlich ansteigt. Das habe sich im Laufe des Jahres schon abgezeichnet mit überdurchschnittlichen Zuwächsen beim Internet-Shopping.

Lieferengpässe als Chance

Einkäufer müssen sich in diesem Jahr auf ein weiteres Problem einstellen, das in den Vorjahren nur selten aufgetreten ist: Dass sich der Wunsch nicht erfüllen lässt, weil ein Produkt wegen Lieferschwierigkeiten vergriffen ist. Branchenübergreifend erwarten deshalb laut HDE 20 Prozent der Händler Umsatzeinbußen „in erheblichem Maße“. Aus den Branchen elektrische Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik sagt dies rund die Hälfte, bei Sportartikeln etwa 40 Prozent.

Diese Lieferengpässe aber sieht Tatjana Steinbrenner durchaus als Chance für den stationären Handel. Erstmals habe die Online-Konkurrenz nicht mehr den Vorteil der großen, gefüllten Läger - Lieferprobleme hätten alle. „Ich hoffe, dass uns das hilft“, sagt Steinbrenner. Denn wer offline nicht das gesuchte Geschenk finde, könne sich im Geschäft leichter als online zu Alternativen inspirieren und beraten lassen.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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