Rhein-Neckar. In der Woche vor dem ersten Advent nehmen die Umsätze im Einzelhandel traditionell Fahrt auf - es beginnt die Hochphase des Weihnachtsgeschäfts. Wird das auch dieses Jahr so sein, in einer Zeit, in der die Menschen ihr Geld mehr für steigende Lebensmittel- und Energiepreise benötigen? Die Prognosen des Handelsverbands Deutschland (HDE) sind durchwachsen. Angesichts der schwierigen Lage mit enormen Energiepreissteigerungen herrsche bei den Kunden große Verunsicherung. Der HDE rechnet mit einem „weitgehend stabilen Weihnachtsgeschäft“. Und in der Region? Wir haben uns umgehört.
Die Bedeutung des Weihnachtsgeschäfts für den Einzelhandel belegt Hendrik Hoffmann mit Zahlen: „40 Prozent des Umsatzes machen wir in der Weihnachtszeit“, sagt der Vizepräsident des Handelsverbands Nordbaden. Früher sei das der Zeitraum vom ersten Advent bis Weihnachten gewesen. „Inzwischen ist die Zeit bis zum 7. Januar extrem wichtig für uns, weil immer mehr Gutscheine und Geld verschenkt werden“, so Hoffmann. Gerade nach den Feiertagen würden sich viele Kunden noch einmal Zeit für Einkäufe nehmen. „Die Frequenz in den Innenstädten ist zwischen den Jahren höher als an den Adventssamstagen.“ Hoffmann ist für die nächsten sechseinhalb Wochen optimistisch: „Wir gehen davon aus, dass das Weihnachtsgeschäft erfolgreich wird.“
Nachholeffekt nach Corona-Pandemie?
In Mannheim spricht Lutz Pauels von „einer gewissen Hoffnung und Zuversicht“. Der Vorsitzende der Werbegemeinschaft City berichtet von „positiven Erfahrungen in den letzten Wochen“, die Geschäfte seien nicht so schlecht gelaufen. Für den Handel und die Kunden gebe es dieses Jahr mehr Freiheiten als 2021 und 2020.
„Die Erwartungen sind nicht so riesig“, erklärt Daniel Schott, Zweiter Vorsitzender des Wirtschaftsforums Pro Tauberbischofsheim. „Wir hoffen, dass die Stimmung noch umschwenkt, was den Konsum angeht.“ Er merke es selbst in seinem Möbelhaus, dort seien Dekorations- und Weihnachtsartikel bisher nur verhalten gekauft worden. Andere Einzelhändler in der Region würden Ähnliches berichten. „Die Prioritäten werden verschoben.“ Dass die Menschen nach mehr als zwei Jahren Pandemie und viel Verzicht sich etwas Besonderes gönnen, ist nicht zu erwarten: „Den Nachholeffekt nach Corona gab es, er ist aber schnell verpufft“, so Schott.
Andreas Hilgenstock, geschäftsführender Gesellschafter von Engelhorn, ist optimistischer: „Die Leute haben in der Krise sehr abstinent gelebt. Sicher müssen viele sparen, aber sie wollen auch schöne Weihnachten haben.“ Das Erlebnis in den Innenstädten sei digital nicht zu spüren, damit könne man als stationärer Händler punkten, „und deshalb werden die Leute kommen“. Das Familienunternehmen mit Filialen in Mannheim und Viernheim ist „hoffnungsvoll“, was das Weihnachtsgeschäft angeht.
Beim Sparen gibt es ein Tabu
„Die Grundvoraussetzungen sind dieses Jahr besser“, sagt Tatjana Steinbrenner, Geschäftsführerin des Kaufhauses Ganz in Bensheim, und bezieht sich auf die Restriktionen der Corona-Pandemie. Denn vor einem Jahr galten 2G-Regeln, vor zwei Jahren endete das Weihnachtsgeschäft in einem Lockdown. Trotzdem rechnet sie damit, dass das Niveau von 2019 nicht mehr erreicht wird. Die Sorge um die Inflation drücke die Stimmung. „Die Leute kaufen preisbewusster ein“, ist Steinbrenners Beobachtung. „Auf der anderen Seite sehnen sich die Menschen nach Weihnachtsstimmung und wollen es sich schön machen.“ Und es gibt noch eine Ausnahme: „An den Kindern wird nicht gespart.“
Eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY dämpft die Erwartungen der Einzelhändler. Fast jeder zweite Konsument (49 Prozent) sagt, dass er wegen der steigenden Kosten für Lebensmittel, Energie und Dienstleistungen nur noch das Nötigste einkauft. 77 Prozent geben an, sich beim Einkaufen sogar einschränken zu müssen.
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Wer spürt Auswirkungen am meisten?
Die Folgen davon dürften vor allem die Geschäfte in den Innenstädten zu spüren bekommen. Denn 56 Prozent der Befragten sagen, dass sie aktuell weniger oder gar keine neue Bekleidung kaufen. Genauso viele wollen sich beim Kauf von Unterhaltungselektronik zurückhalten oder ganz darauf verzichten. Für die vierteljährliche, weltweite Umfrage zum EY Future Consumer Index wurden weltweit mehr als 21 000 Menschen befragt. In Deutschland beteiligten sich mehr als 1000 Personen.
Auch der neue Trend Check Handel des Kölner Handelsforschungsinstituts ECC deckt die Sparsamkeit auf. In einer repräsentativen Onlinebefragung zum Einkaufsverhalten sagten drei Viertel der Konsumenten, an den Händleraktionstagen rund um den Black Friday dieses Jahr noch stärker auf Preise achten und nur gezielt Produkte kaufen zu wollen, die sowieso als Anschaffung geplant waren oder die sonst zu teuer sind. Beim Weihnachtsmarktbesuch - oft ein Anziehungspunkt für den stationären Handel - will rund jeder Zweite weniger ausgeben. 39 Prozent planen für Bräuche wie Adventskalender oder Weihnachtsbaum geringere Ausgaben.
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