Berlin. Die Deutschen lieben einen Strauß Blumen, jede und jeder hat hierzulande allein im vergangenen Jahr im Schnitt 37 Euro für Schnittblumen ausgegeben – insgesamt knapp 3,1 Milliarden Euro. Das rechnet Britta Tröster vor. Sie beobachtet den Markt, sammelt Daten dazu bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft AMI. „Doch die klassischen Blumenläden verlieren, auch die Gärtnereien und Anbieter auf den Wochenmärkten.“
Kunden nehmen den Strauß Blumen immer öfter bei ihrem Lebensmittel-Einkauf mit. Es ist ein blühendes Geschäft. Nur: Wer die Sträuße bindet, ist bisher selten beschrieben. Eine kleine Spurensuche.
In den Eingangsbereichen der Discounter und Supermärkte, auch im Baumarkt, im Möbelhaus und an der Tankstelle stehen jetzt im Spätsommer und Herbst Sonnenblumen, Chrysanthemen oder wie das ganze Jahr über Rosen in Plastikeimern. Viele Blumen kommen aus dem Ausland, Rosen zum Beispiel häufig aus Ostafrika. Kenia und Äthiopien gehören zu den Hauptproduzenten. Das Klima ist dort ideal.
Die Niederlande sind in Europa das Drehkreuz des Blumenhandels
„Der Anbau in Deutschland geht immer mehr zurück“, sagt Tröster. Die Niederlande sind in Europa das Drehkreuz des Blumenhandels. Dort sitzen viele der großen Händler, die Rosen und andere Blumen importieren und weiter verschicken. Die Blumengroßhändler besprechen mit den Einkäufern des Lebensmittelhandels, also etwa mit denen von Edeka, Rewe, Aldi oder Lidl, welche und wie viele Blumen sie als Sträuße oder auch einfachen Bund in ihr Sortiment aufnehmen wollen.
Mithilfe von Mustersträußen legen sie die Blumensorten, die genaue Zahl der Stiele fest – und den Preis. Das alles wird schon lange vor der Ernte festgelegt. Das Wetter birgt freilich ein Risiko, gut möglich, dass der geplante Verkaufszeitpunkt sich auch mal verschiebt. So erzählen das Leute aus der Branche. Den klassischen Blumenläden macht dieser Handel der großen Ketten zu schaffen.
Nicola Fink vom Fachverband der Floristen sagt: „Supermärkte können ganz andere Mengen abnehmen. Dann wird es günstiger für sie. Die Floristen gehen morgens auf den Blumengroßmarkt, kaufen dort für den Tag und ihr Geschäft ein. Das ist deutlich teurer im Einkauf, selbst wenn sie – wie es mittlerweile viele auch machen – im Internet bestellen.“ Innerhalb der vergangenen 25 Jahre hätten knapp 10.000 Floristen ihr Geschäft aufgegeben, darunter auch jene, die keine Nachfolger fanden. Blumen sind auch nach wie vor begehrt, werden gekauft – nur woanders.
„Viele Kunden gucken auf den Preis“, so Fink. „Schnittblumen sind ein Schnelldreher“, sagt Tröster – die empfindliche, da schnelle verblühende Ware muss innerhalb kürzester Zeit verkauft werden. Supermärkte und Discounter seien darauf eingestellt, hätten eine große Zahl an Kunden und Kühlhäuser. Die Sträuße, die sie verkaufen: standardisiert. Manche bestehen nur aus einer Sorte, etwa aus Röschen, andere sind immer gleich bunt gemischt.
Wer macht alle diese Sträuße? „Das ist mehr Handarbeit, als wir uns das vorstellen“, sagt Tanja Hippler vom Verein Fairtrade Deutschland, der das Fairtrade-Siegel vergibt, auch für Blumen, die in Supermärkten und Discountern verkauft werden. 44,5 Prozent aller in Deutschland verkauften Rosen tragen mittlerweile das Siegel. Es bekommt nur, wer seinen Mitarbeitenden zum Beispiel feste Arbeitsverträge, soziale und gesundheitliche Absicherung, auch Mutterschutz gewährt und bestimmte Umweltstandards einhält. Zudem fließt eine sogenannte Fairtrade-Prämie durch die Verkäufe über den Fairen Handel an die entsprechenden Blumenfarmen, von ihr sollen etwa Kinderkrippen, Schulstipendien, Workshops finanziert werden.
Hippler war erst vor wenigen Wochen auf Fairtrade zertifizierten Rosenfarmen in Kenia unterwegs. Die Blumen würden geschnitten, in großen Eimern mit einem kleinen Lkw oder schiebbaren Wägelchen in eine kühle Packhalle transportiert. Dort würden Arbeiterinnen und Arbeiter sie dann bündeln und in einer Plastikhülle verpacken. Am Ende kämen – meist werden sie im Flugzeug auf Reisen geschickt – fertige Sträuße in Deutschland an. Das ist allerdings nur eine Möglichkeit: die Sträuße per Hand zu machen. Die andere: Maschinen übernehmen.
In Supermärkten fehlt meist die Beratung
„Zum Teil geht das heute vollautomatisch“, sagt Marktanalystin Tröster. Dann müssten die geschnittenen Blumen nur noch am Rande eines Förderbands in Fächer gelegt werden, pro Fach eine bestimmte Sorte oder Farbe. Die Maschine sei so programmiert, dass aus jedem Fach die gewünschte Blume gezogen, so ein Bündel entstehen würde. Dann komme noch ein Bändchen rundherum und die Verpackung. Die Sträuße müssten zum Schluss nur noch von dem Band genommen werden.
So kommt Flower-Power in Menge in die Läden. Bei Hochzeiten und Beerdigungen, bei Jubiläen und Firmenfesten, bei großen Dekorationen kämen die Supermärkte und Discounter aber immer noch nicht mit, meint Floristen-Vertretern Fink: „Die Beratung, welche Blumen für welchen Anlass die richtigen sein könnten, fällt ja komplett weg.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-blumenstraeusschen-im-supermarkt-wer-macht-sie-eigentlich-_arid,2326827.html