Fahrzeugbau: - Daimler und Röchling produzieren Teile mit 3D-Technologie / Verfahren bislang nur bei kleinen Stückzahlen sinnvoll

Bei Daimler und Röchling wird gedruckt statt gefräst

Von 
Anne-Kathrin Jeschke
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Daimler setzt das 3D-Druckverfahren auch in der Lkw-Sparte ein. Das Bild zeigt den Innenraum eines Druckers mit Ersatzteilen aus Metall. © daimler

Die jungen Daimler-Mitarbeiter stehen in der Zukunftswerkstatt. „Es ist spannend, an Technologien zu arbeiten, die später Anwendung finden in der Produktion“, sagt einer. „Und gerade der 3D-Druck ist wichtig für unsere Zukunft“, betont seine Kollegin - während der Drucker das Material Schicht für Schicht aufträgt und so ein Fahrzeugteil entsteht. Die Szene stammt aus einem Internet-Video, das sich an potenzielle Auszubildende richtet.

Der 3D-Druck in der Automobilbranche ist ein Zukunftsthema - und doch längst gegenwärtig: Daimlers Bussparte etwa will im ersten Halbjahr 2020 den ersten Industriedrucker am Standort im bayerischen Neu-Ulm anschaffen. Bislang lässt das Unternehmen entsprechende Teile von Dienstleistern drucken. Für den Mannheimer Standort ist kurz- bis mittelfristig kein eigenes Gerät eingeplant.

Neongelbe Abdeckungen

Interessant sei die Technologie vor allem für Teile im Innenraum, erklärt eine Sprecherin des Unternehmens: etwa wenn Kunden Sonderwünsche wie neongelbe Abdeckungen mit speziellen Fächern und Abdecknetzen, besondere Griffe oder Teile an Sitzen und Klapptischen bestellten. Auch bei Sonderwünschen oder seltenen Teilen muss das Unternehmen Jahre lang Ersatz liefern können. Entsprechend braucht es bei klassischen Fertigungsverfahren Werkzeuge für deren Produktion oder den entsprechenden Lagerplatz. Beim 3D-Druck, der sogenannten additiven Fertigung, fällt das weg - was die Produktion bei kleinen Stückzahlen schneller, flexibler und wirtschaftlicher mache, wie Daimler betont.

Ein Betrieb kann mit einem Drucker ganz unterschiedliche Teile herstellen - ohne dass er für jedes einzelne davon ein eigenes Werkzeug benötigt. Auch Korrekturen am Produkt sind leichter möglich - ohne dass dafür ein Werkzeug modifiziert oder neu produziert werden muss, erklärt die Daimler-Sprecherin. Zudem spare der 3D-Druck Material: „Bei Fertigungsverfahren wie dem Drehen oder Fräsen werden Teile des Materials abgetragen.“ Beim 3D-Druck hingegen wird es in Schichten aufgetragen - also nur so viel verbraucht, wie tatsächlich benötigt.

3D-Druck ist bei komplexen Formen außerdem präziser, als Werkzeuge es sein können, erklärt Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Aus seiner Sicht handelt es sich allerdings noch um ein „Nischengeschäft“. Einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft EY zufolge nutzen 59 Prozent der Unternehmen in der Autoindustrie 3D-Druck. „Es ist eine ganz interessante Sache, wenn es um die Produktion von kleinen Serien geht“, so Dudenhöffer. „Für Großserien ist es jedoch zu teuer und zu aufwendig.“

Zentrum für additive Fertigung

Eine Einschätzung, die der Mannheimer Kunststoffspezialist Röchling teilt: „Serienteile produzieren wir noch nicht, weil sich die additive Fertigung wegen der komplexen Bauteile bislang nur für Klein- und Kleinstserien rechnet“, sagt eine Sprecherin. In der Prototypenfertigung setzt Röchling den 3D-Druck seit Jahren ein. Das Unternehmen, das nicht nur in der Automobilbranche, sondern auch in Industrie und Gesundheitsmarkt tätig ist, baut gerade in Waldachtal im Landkreis Freudenstadt ein Zentrum für additive Fertigung auf. In Worms und im italienischen Leifers stellt es bereits Protoypen im 3D-Drucker her, unter anderem Tank-Komponenten, Kühlmittelausgleichsbehälter, Saugrohre und Filter.

„Gestern noch unvorstellbar“

In das neue Zentrum in Waldachtal hat die Unternehmensgruppe bis heute 2,5 Millionen Euro investiert. Dort arbeiten derzeit acht Mitarbeiter. Daimler indes macht auf Anfrage keine Angaben dazu, wie viel Geld in die Entwicklung des 3D-Drucks fließt oder wie viele Mitarbeiter in dem Bereich beschäftigt sind.

Klar ist: Die Hersteller sehen Potenzial in der Technologie - und stecken entsprechend Zeit und Geld in Forschung und Entwicklung. Daimlers Bussparte lässt bislang Teile aus unterschiedlichen Kunststoffen und aus Metall drucken. „In einem nächsten Schritt prüfen wir auch weitere Teile, beispielsweise aus Gummi“, heißt es von dort. Sehr große Komponenten mittels 3D-Druck zu produzieren, sei aktuell allerdings noch sehr teuer und somit nicht wirtschaftlich.

Aber: „Was gestern noch unvorstellbar war, ist heute schon Standard“, sagt Röchlings Unternehmenssprecherin zum 3D-Druck. Eine konkrete Prognose wagen die Kunststoff-Experten jedoch nicht: Es sei noch nicht abzuschätzen, wann die Technologie bei komplexen Bauteilen zum Standard für Großserienproduktionen wird.

3D-Druck: Dreidimensionale Werkstücke

  • Beim 3D-Druck, der auch Additive Fertigung genannt wird, handelt es sich um einen Sammelbegriff für mehrere Fertigungstechniken. Sie funktionieren nach unterschiedlichen Prinzipien und auch mit unterschiedlichen Materialien.
  • Immer geht es dabei um die Herstellung von dreidimensionalen Objekten, indem Material Schicht für Schicht aufgetragen wird.
  • Additive (hinzufügende) Verfahren unterscheiden sich damit von subtraktiven (wegnehmenden) Verfahren wie etwa Fräsen, Sägen oder das Abscheiden per Wasserstrahl.
  • Oft stellen Drucker Teile aus geschmolzenem Kunststoff her. Die Geräte funktionieren aber mit ganz unterschiedlichen Rohstoffen, selbst mit Lebensmitteln.
  • Beim selektiven Lasersintern (SLS) beispielsweise stellt der Drucker per Laserstrahlen aus einem pulverförmigen Stoff räumliche Strukturen her.
  • Die Formen werden über ein Programm am Computer geplant und konstruiert. Die Daten ersetzen den beim Spritzguss notwendigen Werkzeug- und Formenbau.

Freie Autorin Seit 2014 freie Journalistin in Mannheim. Davor: Journalistik-Studium in Leipzig, Volontariat beim "Mannheimer Morgen", Redakteurin beim "MM" und beim "Öko-Test-Verlag" in Frankfurt.

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