Chemie

Wie geht es weiter mit dem Ludwigshafener BASF-Stammwerk?

22 Prozent der Anlagen gelten als nicht wettbewerbsfähig genug. Was die Neuausrichtung der BASF-Strategie für den Standort Ludwigshafen bedeutet

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Bettina Eschbacher
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Markus Kamieth, seit April BASF-Vorstandschef, hat jetzt die neue Strategie für den Chemiekonzern vorgestellt. Weitere Einschnitte für das Werk Ludwigshafen schließt er nicht aus. © Uwe Anspach/dpa

Seit dem Frühjahr ist Markus Kamieth Vorstandschef bei BASF. Und musste gleich eine neue Strategie für den schwächelnden Konzern ausarbeiten. Die wichtigsten Fragen und Antworten aus regionaler Sicht dazu:

Was bedeutet die neue Strategie für das Werk Ludwigshafen?

Die wichtigste Erkenntnis: Das Stammwerk steht nicht so schlecht da, wie befürchtet. Das ergab eine genaue Analyse der Produktionsstruktur in Ludwigshafen. Danach hat sich die Mehrheit der 160 Anlagen als wettbewerbsfähig erwiesen - „auch gegenüber Importen etwa aus China“, wie Kamieth betont. Bei 22 Prozent der Anlagen aber ergab sich ein Risiko, sie gelten als nicht ausreichend wettbewerbsfähig. Jetzt werde genau geprüft, welche Maßnahmen bei diesen Problemfällen helfen könne, erklärt Standortleiterin Katja Scharpwinkel. Das werde wohl auch zu „weiteren Anlagenschließungen führen“.

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Welche Anlagen sind die mit Risiken behaftet?

Das wollte Scharpwinkel nicht verraten - auch nicht, welches Personalvolumen dahinter steht. Sie betonte aber, dass es sich um Anlagen am Ende der Wertschöpfungskette handele. „Der Verbund ist dadurch nicht gefährdet.“ Für den Vorstandschef ist das Analyseergebnis „eine sehr gute Nachricht“. Vergleiche man den Standort mit einem Baum, sei der Stamm gesund, nur bei den Ästen gäbe es einige Problemfälle.

Woran krankt der Standort?

Ludwigshafen schreibt Verluste und belastet die Konzernbilanz. Hauptgrund sind laut BASF die schwache Nachfrage und die Rahmenbedingungen in Europa. Die hohen Energiepreise etwa machen vor allem die Produktion von Grundchemikalien weniger profitabel. In BASF-Standorten in den USA oder Asien lässt es sich günstiger produzieren. Daher sind sie interessanter für neue Investitionen - der Wettbewerb wird immer härter. So sind die Perspektiven auch eher mau: In Europa und auf dem Heimatmarkt ist kein starkes Wachstum mehr zu erwarten. Früher wurde aus Ludwigshafen viel in die Welt exportiert, das wird künftig weniger der Fall sein. Dazu kommt der Abschied von fossilen Energien, die grüne Transformation erfordert hohe Investitionen.

Welche neue Perspektiven hat Ludwigshafen trotzdem?

Für Kamieth und Scharpwinkel spielt das Werk eine zentrale Rolle bei der grünen Transformation. Nach Projekten zur Umstellung auf erneuerbare Energien soll der Standort auch helfen, den Einsatz von erneuerbaren Rohstoffen auszubauen. Die Verbundstruktur, also die enge Verbindung der Anlagen untereinander, ermögliche die Transformation flexibel nach Kundenwünschen voranzubringen. Scharpwinkel spricht auch von großen Investitionen in neue Technologien, die aktuell noch Pilotprojekte sind und skaliert werden sollen.

Wie sehen Gewerkschaft und Betriebsrat die Pläne?

Der Chemiegewerkschaft IGBCE und dem Betriebsrat sind sie zu einseitig. „Durch die vielen Sparprogramme fühlen sich die BASF-Beschäftigten ohnmächtig. Für sie ist es eine Zeit großer Ungewissheit“, betont Sinischa Horvat, BASF-Betriebsratsvorsitzender. Die geplante Neuausrichtung der Strategie helfe da nicht. „Denn darin geht es vor allem darum, Kosten zu sparen. Die Pläne für die grüne Transformation sind viel zu defensiv.“

Wie sicher sind die Arbeitsplätze noch am Standort?

Die aktuelle Standortvereinbarung zwischen Management und Betriebsrat für Ludwigshafen läuft noch bis 2025. Sie schützt rund 33 500 Beschäftigte der BASF SE vor betriebsbedingten Kündigungen und garantiert Investitionen. In den nächsten Wochen starten die Verhandlungen für eine neue Vereinbarung. Man gehe völlig offen in diese Verhandlungen, sagt Scharpwinkel. Aber das Ergebnis müsse ausreichend Raum für Veränderungen erlauben. Anders als VW stellt der Vorstand die Standortvereinbarungen nicht in Frage. „Sie haben immer geholfen, Veränderungen am Standort umzusetzen“, so Scharpwinkel.

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Welche Sparmaßnahmen gab es bisher?

Vor Kurzem gab BASF bekannt, dass zwei weitere Anlagen im Werk Ludwigshafen schließen sollen. Betroffen sind 180 Mitarbeitende in der Produktion von Adipinsäure, Cyclododecanon (CDon) und Cyclopentanon. Damit wurde bereits ein Ergebnis der Standort-Analyse vorweggenommen. Im Februar 2023 hatte der damalige Vorstandschef Martin Brudermüller angekündigt, insgesamt elf Anlagen in Ludwigshafen zu schließen. Beschlossen ist außerdem der Abbau von insgesamt 2500 Stellen - und dass Ludwigshafen zusätzlich eine Milliarde Euro einsparen muss. Das Sparprogramm läuft noch.

Wie steht der Konzern da?

Die BASF hat im zweiten Quartal die gesunkenen Verkaufspreise und die deutlich schlechteren Geschäfte mit Agrarchemikalien zu spüren bekommen. 2023 verdiente BASF operativ knapp 7,7 Milliarden Euro und damit knapp 29 Prozent weniger als im Jahr davor. Durch Konzernumbau, Sparmaßnahmen und geringere Investitionen soll der operative Gewinn mittelfristig deutlich steigen. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll 2028 zwischen zehn und zwölf Milliarden Euro liegen.

Was ändert sich in der BASF-Struktur?

Der Konzern soll sich mehr auf seine Kerngeschäfte konzentrieren, bei denen man starke Marktpositionen hat. Dazu zählen die Segmente Chemicals, Materials, Industrial Solutions und Nutrition & Care. Zu eigenständig geführten Geschäften werden dagegen Agricultural Solutions (Pflanzenschutzmittel und Saatgut) sowie Battery Materials (Batteriematerialien vor allem für die E-Mobilität) und Coatings (Oberflächenbeschichtungen) sowie Catalyst and Metal Solutions (Katalysatoren). Man werde weiter in diese Sparten investieren, aber Kamieth hält auch andere Portfolio-Optionen für möglich. Für Agricultural Solutions etwa wird ein teilweiser Börsengang angedacht. Der Verkauf der Wintershall-Dea-Anteile an Harbour Energy bringt der BASF noch im laufenden Jahr einen Barmittelzufluss von rund zwei Milliarden Euro.

Wie entwickelt sich die Dividende?

Die Aktionäre müssen mit weniger üppigen Dividenden rechnen. Die jährliche Dividendensumme soll rund zwei Milliarden Euro betragen. Ergänzt werden soll dies durch Aktienrückkäufe. Die Dividende werde in den kommenden Jahren bei mindestens 2,25 Euro je Aktie liegen, so der Dax-Konzern. Für 2023 hatte BASF noch 3,40 Euro je Aktie gezahlt. An der Börse kam das nicht so gut an: Im Tagesverlauf gab die Aktie um rund zwei Prozent nach, am Abend waren es noch minus 0,47 Prozent.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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