Daimler Truck

Wie fährt sich ein Elektro-Lkw, Frau Rådström?

Karin Rådström, Vorstandsmitglied bei Daimler Truck, über das Fahrgefühl im batterie-elektrischen Lkw eActros 600, den schleppenden Ausbau von Ladesäulen in Deutschland und die Bedeutung des Mannheimer Werks

Von 
Alexander Jungert
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Am Steuer des eActros 600: Karin Rådström beim Start der Europa-Tour in Frankfurt. © Daimler Truck

Mannheim. Frau Rådström, auf den ersten Kilometern der Europa-Tour sind Sie selbst am Steuer des batterie-elektrischen Lastwagens eActros 600 gesessen. Wie aufgeregt waren Sie?

Karin Rådström: Schon ein wenig -bisher bin ich nur mit Prototypen gefahren, nun endlich mit einem seriennahen Modell. Hauptsächlich drehten sich meine Gedanken darum, ob ich den Lkw heil vom Parkplatz bekomme (lacht). Aber es hat alles wunderbar geklappt.

Beschreiben Sie das Fahrgefühl.

Rådström: Die erste Fahrt in einem Elektro-Lkw lässt sich mit der ersten Fahrt in einem Elektroauto vergleichen: Man ist überrascht, wie leise alles ist und wie schnell sich so ein Fahrzeug beschleunigen lässt. Allerdings ist das Gefühl in einem Elektro-Lkw - allein wegen seiner Größe - weitaus intensiver als in einem E-Auto.

Zwei Modelle des eActros 600 sollen bei der Europa-Tour durch 20 Länder fahren und mit jeweils 40 Tonnen Gesamtzuggewicht mehr als 13 000 Kilometer zurücklegen. Was erhoffen Sie sich davon?

Rådström: Umfangreiche Erkenntnisse, zum Beispiel über den Energieverbrauch. Der Lkw ist auf unterschiedlichsten Strecken in verschiedenen Topografien und Klimazonen unterwegs. Die Erkenntnisse helfen beim „Feintuning“ des Trucks, wir teilen sie auch mit Kunden. Und natürlich ist die Tour wichtig, um zu demonstrieren, wie wichtig der Ausbau des öffentlichen Ladenetzes ist.

Karin Rådström

  • Karin Rådström wurde am 22. Februar 1979 in Södertälje (Schweden) geboren.
  • Die Ingenieurin sitzt seit Februar 2021 im Vorstand von Daimler Truck und ist zuständig für Mercedes-Benz-Lkw.
  • Noch vor einigen Jahren war sie Profisportlerin - in der schwedischen Ruder-Nationalmannschaft.
  • Rådström lebt mit ihrer Familie in Stuttgart. Sie läuft gerne, fährt Rad oder rudert auf dem Neckar.

Deutschland hat in dieser Hinsicht noch einiges zu tun. Welche Länder sind denn schon weiter?

Rådström: Meiner Einschätzung nach ist die Infrastruktur in Skandinavien am weitesten entwickelt. Das liegt vor allem daran, dass die Prozesse - Planungen, Genehmigungen und so weiter - für gewöhnlich deutlich schneller ablaufen als in Deutschland.

Warum ist das so?

Rådström: Deutschland hat beispielsweise, anders als die meisten anderen Länder Europas, sehr viele Energieversorger. Dadurch unterscheiden sich die Voraussetzungen für einen Netzanschluss, der für eine Ladestation benötigt wird, erheblich. Bei einem Unternehmen ist der Antrag online möglich, ein anderes verlangt Papierunterlagen. Ein Anbieter braucht einen Monat, ein anderer drei Monate. In den Niederlanden zum Beispiel läuft alles standardisierter ab. So sollte es auch hierzulande sein.

Wer soll die Ladeinfrastruktur eigentlich bauen - der Staat oder die Privatwirtschaft?

Rådström: Auf lange Sicht muss das meiner Meinung nach die Privatwirtschaft leisten. Aber jetzt, in einer so frühen Phase, braucht es einen staatlichen Anschub. Prozesse müssen beschleunigt, Bürokratie abgebaut und finanzielle Mittel aufgestockt werden. Diese Mittel sollten eher in die Förderung der Infrastruktur fließen als in die der Fahrzeuge.

Der eActros 600 kostet bis zu zweieinhalb Mal so viel wie ein Diesel-Modell. Einigen Kunden ist das sicher zu teuer.

Rådström: Es stimmt, elektrisch angetriebene Lastwagen kosten in der Anschaffung mehr als konventionelle Modelle. Das liegt vor allem an der Batterie. Dafür sind E-Lkw energieeffizienter. Strom kostet zudem weniger als Diesel, die Betriebskosten sind also niedriger. Und nicht zu vergessen: Lokal emissionsfreie Fahrzeuge haben in Deutschland derzeit einen Mautvorteil.

Die Serienproduktion des eActros 600 ist für Ende 2024 in Wörth angepeilt. Auch das Werk Mannheim liefert Komponenten. Welche Veränderungen kommen durch elektrifizierte Modelle auf die Produktionen in Mannheim und Wörth zu?

Rådström: In den nächsten Jahren werden beide Technologien - also elektrifizierte Lastwagen und Diesel-Lastwagen - parallel auf dem Markt existieren. Der Diesel, so schätze ich, wird hierzulande noch mindestens rund 15 Jahre gebaut. Entgegen mancher Spekulation stellen wir die Produktion also nicht von heute auf morgen ein.

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Aber ja, die neuen Technologien werden immer wichtiger: Mannheim fokussiert sich auf Batterietechnologien und Hochvoltsysteme. Im Werk werden künftig die Frontboxen für den eActros 600 gebaut und dann nach Wörth geliefert (in der Frontbox sind unter anderem Steuergeräte und Hochvolt-Komponenten gebündelt, Anmerkung der Redaktion). In Wörth wird der eActros 600 in die bestehenden Produktionslinien integriert. Das sorgt für die nötige Flexibilität. Natürlich braucht es neues Wissen und neue Fähigkeiten, im Umgang mit Hochvolt etwa. Daimler Truck tut eine Menge, um seine Leute an allen Standorten weiterzuqualifizieren.

Wie empfinden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Veränderungen?

Rådström: Ich kann jetzt nicht für jeden der deutschlandweit rund 34 000 Beschäftigten sprechen. Grundsätzlich ist mein Eindruck: Die meisten von ihnen sind stolz, diese Phase zu begleiten und zu gestalten. Mannheim und Wörth sind wichtige Standorte für die Transformation.

Teil Ihrer Strategie ist es, neben batterie-elektrischen Modellen auch die Entwicklung von Wasserstoff-Lkw voranzutreiben. Weshalb?

Rådström: Daimler Truck setzt auf zwei flexibel einsetzbare lokal CO2-neutrale Antriebstechnologien. Wasserstoff-Lkw müssen keine schweren Batterien transportieren, haben also mehr Nutzlast. Zudem eine größere Reichweite, ohne dass nachgefüllt werden muss. Batterie-elektrische Lkw ergeben im Verteilerverkehr Sinn und durchaus auch auf der Langstrecke. Der spezielle Anwendungsfall des Kunden ist wichtig. Noch wichtiger wird allerdings der Preis für die jeweilige Energie sein.

Daimler Truck hat das Ziel ausgegeben, bis zum Ende des Jahrzehnts mehr elektrische Lastwagen zu verkaufen als nicht-elektrische. Steht das noch?

Rådström: Ja. Bis 2030 sollen bis zu 60 Prozent der in Europa verkauften neuen Lastwagen lokal emissionsfrei sein - mit Batterie und Wasserstoff.

Kommen wir kurz zu den jüngsten EU-Wahlen. Was erwarten Sie von dem neuen Parlament?

Rådström: Planungssicherheit. Immerhin investieren wir hunderte Millionen Euro in neue, CO2-sparende beziehungsweise CO2-neutrale Technologien. Ich hoffe, dass das neue Parlament weiterhin auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit setzt.

Sie sind Schwedin und leben in Deutschland. Bereitet Ihnen der Rechtsruck in Deutschland und anderen Ländern Sorge?

Rådström: Ein Positivbeispiel ist mein Heimatland, dort hat es glücklicherweise keinen Rechtsruck gegeben. Aber natürlich habe ich die Wahlen auch in anderen Ländern wie Deutschland und Frankreich aufmerksam verfolgt. Viele Menschen sind verunsichert. Sie fühlen sich nicht gehört. Es ist an uns allen, die Vorzüge der EU stärker sichtbar zu machen. Das grenzenlose Reisen etwa oder die Verfügbarkeit von Fachkräften. Auch Frieden und Demokratie sollten wir nicht als selbstverständlich erachten.

Werden Sie bald Vorstandsvorsitzende von Daimler Truck und Nachfolgerin von Martin Daum?

Rådström: Mittlerweile bin ich dreieinhalb Jahre bei Daimler Truck. Ich sage Ihnen ehrlich: Ein Grund, weshalb ich hierher gekommen bin, ist Martin Daum. Er ist eine Legende in der Nutzfahrzeugindustrie. Ich habe viel von ihm gelernt - und lerne immer noch viel. Hoffentlich macht er so lange wie möglich weiter. Sicher: Irgendwann endet jede Amtszeit. Aber was dann passiert, liegt nicht in meiner Hand, sondern ist die Entscheidung des Aufsichtsrates.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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