Frankfurt. Am frühen Morgen des dritten Advent, am 15. Dezember, sollen wieder Züge auf der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt fahren. Daran arbeitet die Deutsche Bahn (DB) mit den an der Generalsanierung beteiligten Baufirmen unter Hochdruck. Sie will vermeiden, dass es - wie bei der Sperrung im Januar - zu Verzögerungen kommt und der Ersatzverkehr länger aufrecht erhalten werden muss.
Riedbahn: Seit vier Monaten greift das Ersatzkonzept
Bis zur Wiedereröffnung der Strecke und bereits seit vier Monaten greift ein Ersatzkonzept. Denn die etwa 300 Fern-, Nahverkehrs- und Güterzüge, die dort sonst täglich unterwegs sind, müssen auf die umliegenden Strecken verteilt werden. Bei der Bahn ist man damit zufrieden: „Wir stellen fest, dass der Fahrplan ein sehr stabiles Konstrukt ist“, sagt eine Bahnsprecherin.
„Fahrplan und Abwicklung sind stabil“, bestätigt Tino Spring. Die bislang größte Störung sei vergangenen Sonntag wegen eines Brandes in Weinheim entstanden. Spring verantwortet das Geschehen in einem gesicherten Bereich eines Bürohauses im Frankfurter Gallusviertel, wo gewährleistet wird, dass der Verkehr läuft. Hier befindet sich die Netzleitzentrale der DB, quasi das Herzstück des deutschen Bahnverkehrs. Etwa 40 Mitarbeiter disponieren im Schichtdienst rund um die Uhr den bundesweiten Fern- und Güterverkehr. Kommt es hier zu Störungen, klemmt es auch auf den Gleisen zwischen Flensburg und Garmisch.
Wie der Ersatzfahrplan für die Riedbahn zustande gekommen ist
Nicht weniger als zehn Monitore sind die zentrale Ausstattung eines jeden Arbeitsplatzes. Dort sehen die Mitarbeiter in Echtzeit, wo sich gerade ein Zug befindet oder es zu einer Störung kommt. In Abstimmung mit acht bundesweit strategisch gelegenen Betriebszentralen disponieren sie überregional die Kapazitäten im Bahnnetz - wenn es sein muss, auch mal in das benachbarte Ausland. „Zum Beispiel können wir Abfahrten in den Nordseehäfen oder in Italien stoppen, bis Störungen im Netz beseitigt sind und alles wieder geordnet ist“, erklärt Spring.
Weichen und Signale steuern die Disponenten nicht. Das geschieht in den Stellwerken vor Ort in Abstimmung mit der zuständigen Betriebszentrale. Die Mitarbeiter der Netzleitzentrale haben vielmehr den Verkehr im Schienennetz insgesamt im Blick. „Wir schauen: Wie viele Kapazitäten haben wir und wo können wir fahren“, so Spring. „Unsere Aufgabe ist es, Verkehre ohne Verspätung durchzuführen.“ Dass das häufig nicht gelingt, erfahren Bahnreisende tagtäglich. Bau- und Langsamfahrstellen bremsen Züge aus.
Laut Spring erkennen die Disponenten, wenn es irgendwo eng werden könnte. Dann werde ein Fahrdienstleiter vor Ort informiert und entschieden, welcher Zug einen anderen überholt. „Es gibt kein in Stein gemeißeltes Gesetz, wer wen überholt.“ Es gilt: „schnell vor langsam“.
So wird auch auf den Umleitungsstrecken der Riedbahn verfahren, wo die Kapazitäten sehr begrenzt sind. Aber wie ist dieses Konzept eigentlich entstanden? Maßgeblich beteiligt war Alina Hoffmann, die bei der Bahn Fahrplan und Kapazitätsmanagement in der Region Mitte leitet: „Das ist ein sehr, sehr spannendes Thema gewesen“, berichtet sie. Erste Planungen eines 40-köpfigen Teams begannen vor zwei Jahren, um Überschneidungen mit anderen Baustellen, die da bereits geplant waren, zu vermeiden.
„Uns war es wichtig, die Entscheidungen gemeinsam mit wichtigen Playern zu treffen“, so Hoffmann. Denn die DB kann das Konzept nicht im Alleingang bestimmen. Schließlich sind auf deutschen Schienen etwa 400 Eisenbahnverkehrsunternehmen unterwegs. Die wollen ebenfalls berücksichtigt werden und stehen gegenüber ihren Kunden in der Pflicht. Das gilt genauso für den Güterverkehr. Und dann sind da noch die Aufgabenträger, Verbände, Verkehrsverbünde und die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Sie bestellen die Leistungen im Nahverkehr und wollen für den Preis, den sie zahlen, natürlich ein adäquates Angebot.
Derzeit fahren ein Drittel weniger Fernzüge
„Es gab unterschiedliche Meinungen, wir haben viele Diskussionen geführt, um die Kundenbelange zu berücksichtigen“, berichtet Hoffmann. „Doch das war nötig, um kreativer zu sein.“ Am Anfang stand die Betrachtung des Streckennetzes. Da von drei Linien eine (Riedbahn) gesperrt ist, war klar, dass der Verkehr über die beiden anderen über Worms-Mainz (Ludwigsbahn) und über Darmstadt (Main-Neckar-Bahn) geleitet werden muss. Wegen der hohen Auslastung stand für Hoffmann fest: „Wir brauchen ein sehr gutes Fahrplankonzept.“
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Damit im Fernverkehr weiter Fahrgäste von Süd nach Nord oder umgekehrt kommen, wurde hier am wenigsten gekürzt. Dennoch fahren derzeit ein Drittel weniger Fernzüge, die zudem 20 bis 30 Minuten länger brauchen. Eine „sehr filigrane Arbeit“ sei die Festlegung der Abfahrtszeiten gewesen, so dass an den Knotenbahnhöfen weiterhin umgestiegen werden kann. Weil das nicht überall funktioniert hätte, wurden einige Linien getauscht, etwa die ICE-Linie Zürich-Frankfurt-Hamburg, die während der Riedbahn-Sperrung in Berlin startet und endet.
Im Güterverkehr setzen die Planer auf großräumige Umleitungen. Die größten Einschränkungen gibt es im Nahverkehr mit weniger Zügen und Schienenersatzverkehr mit 150 Bussen. Alina Hoffmann und ihr Team basteln übrigens bereits am nächsten Ersatzfahrplan: für die Generalsanierung Wiesbaden-Troisdorf im zweiten Halbjahr 2026.
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