Interview

Was BASF-Arbeitsdirektorin Maas-Brunner an deutschen Schulen verändern möchte

Die BASF-Vorständin sorgt sich darum, dass viele junge Menschen nicht ausreichend qualifiziert werden. Auch der Chemiekonzern bekommt das zu spüren

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Auch für BASF wird es schwerer, gute Leute für die Ausbildung zu gewinnen, sagt Melanie Maas-Brunner. © Thomas Tröster

Frau Maas-Brunner, Sie waren auf dem Bildungsgipfel der Metropolregion educon dabei, haben über Teilhabe gesprochen - warum beschäftigt sich die Arbeitsdirektorin der BASF mit dem Thema Bildungsgerechtigkeit?

Melanie Maas-Brunner: Bildung, Innovation, Teilhabe und Vielfalt miteinander verbinden - das sind alles Themen, die uns sehr bewegen. Wir schlittern ja gerade in einen Fachkräftemangel hinein, dass einem angst und bange werden kann. Wir brauchen alle Menschen, die auf den Arbeitsmarkt kommen können. Deshalb ist Bildungsgerechtigkeit so wichtig. Wenn wir nicht alle - auch benachteiligte Kinder oder Kinder mit einem anderen kulturellen Hintergrund - vom Kindergarten über die Schule in die Arbeitsfähigkeit bringen, machen wir in Deutschland etwas falsch.

Die BASF ist als größter Arbeitgeber so bekannt in der Region, Sie haben doch immer noch die Wahl unter vielen Bewerbungen.

Maas-Brunner: Das ist leider nicht mehr so. Wir haben zum 1. September 730 Auszubildende eingestellt. Das ist gut, aber wir hätten tatsächlich noch mehr eingestellt. Doch dafür gab es nicht ausreichend qualifizierte Bewerber. Dabei bieten wir schon Unterstützung an, wenn es bei Auszubildenden Lücken gibt, etwa mit Matheförderung in den Ferien. Dazu kommt noch ein ganz anderes gesellschaftliches Problem.

Welches?

Maas-Brunner: Es gibt junge Menschen, die sagen uns zu, aber erscheinen am ersten Ausbildungstag einfach nicht. Oder es gibt Menschen, die sagen: Schön, dass ich bei Ihnen anfangen kann, aber ich will eigentlich gar nicht arbeiten. Das haben wir in dieser Deutlichkeit zum ersten Mal in diesem Jahr gespürt. Da gibt es eine unbemerkte Arbeitslosenquote, aber auch die können wir uns in Deutschland nicht mehr erlauben.

Zur Person

  • Melanie Maas-Brunner ist seit 2021 Mitglied des BASF-Vorstandes - und wird als eine der Kandidaten für die Nachfolge von Vorstandschef Brudermüller gehandelt.
  • Sie ist unter anderem Arbeitsdirektorin, Standortleiterin für das Werk Ludwigshafen und verantwortlich für die Forschung.
  • Sie wurde 1968 im niederrheinischen Korschenbroich geboren und ist promovierte Chemikerin. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn.
  • Mit ihrem Mann geht sie gerne Bergsteigen in den Alpen

Was muss Schule leisten, wo fehlt es?

Maas-Brunner: Wir brauchen eine gute Bildung, sonst verlieren wir unsere Technologieführerschaft, unsere innovative Kraft. Ich habe schon einige Fragenzeichen, ob wir in Deutschland noch gut aufgestellt sind. Beim Bildungsgipfel hat ein junger Mann dazu aufgerufen, doch einfach mal mit den Schülerinnen und Schüler zu reden, anstatt nur über sie zu sprechen. Und sie zu fragen, was sie sich wünschen. Es nützt auch nichts, nur über Schule zu schimpfen. Es gibt viele tolle Beispiele, wie wir Bildung besser machen können.

Fällt Ihnen dazu eins ein‘?

Maas-Brunner: Zum Beispiel Schulen, die ein Thema nicht einzeln in Mathe, Physik oder Deutsch behandeln, sondern fächerübergreifend über Projekte. Da gibt es inzwischen vernünftige, niederschwellige Projekte, bei denen Schülerinnen und Schülern auch besondere Fähigkeiten bei sich entdecken. Dabei geht es eben nicht nur um die Note, sondern auch darum, ob ich eine Gruppe zum Zusammenarbeiten gebracht habe. Diese - neudeutsch - Skills werden immer wichtiger. Das bedienen wir im deutschen Standard-Schulsystem noch sehr wenig.

Und was tut zum Beispiel die BASF, um diese Fähigkeiten zu fördern?

Maas-Brunner: Wir engagieren uns sehr stark in der Wissensfabrik, die mit eben solchen niederschwelligen Angeboten in rund 3000 Schulen geht. Im Vordergrund stehen die MINT-Fächer, also die naturwissenschaftlichen Themen - das ist natürlich für uns von besonderem Interesse. Wir zeigen den Schülerinnen und Schülern zum Beispiel wie Internet funktioniert, sie können sich ein Internet selber basteln. Die Programme sind so gut ausgestaltet, dass man wirklich - außerhalb des Unterrichts - viel lernt. Und dass sie Lehrern die Arbeit erleichtern.

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Die BASF engagiert sich sehr stark mit eigenen Projekten im Bereich Bildung. Sie helfen bei der Ausbildung von Erziehern und Erzieherinnen, sie fördern Projekte schon in den Kitas und haben mit der Lernbox ein üppig ausgestattetes Programm angestoßen, um die Corona-Lücken aufzuholen. Springt BASF da ein, wo Kultusministerien versagen?

Maas-Brunner: Wir haben zum Beispiel mit der Lernbox eine Lücke gefüllt. Wir fördern sehr durchdachte Projekte, die jedem was bringen. Aber sie flicken nur ein kleines Loch, es müsste noch viel mehr passieren - das ist ja das Problem.

Was müsste passieren?

Maas-Brunner: Ich glaube, dass es in den deutschen Schulen nicht an Geld scheitert, sondern dass die Mittel nicht richtig verwendet werden. Zum Beispiel werden für die Digitalisierung die finanziellen Mittel gar nicht abgerufen, weil den Schulen die Expertise dafür fehlt. Da muss man mehr Spezialisten, auch von außen, reinbringen. Dann müssen wir Systematiken ändern. Mein Sohn hat gerade Abitur gemacht - und es hat sich kaum etwas verändert, seit ich in der Schule war. Schüler wünschen sich weniger Einzelstunden, sondern gebündelte Stunden in einem Fach. Und es braucht eben mehr fächerübergreifende Angebote.

Die Probleme an deutschen Schulen erleben Sie auch direkt in Ihrer Nachbarschaft. Die Rektorin der Ludwigshafener Gräfenauschule hatte Alarm geschlagen, weil rund ein Drittel der Erstklässler die Stufe wiederholen müssen.

Maas-Brunner: Hut ab vor solchen Rektorinnen, die den Mut haben, das zu sagen, das sichtbar zu machen, das Problem nicht einfach in die nächste Klassenstufe zu schleppen. Und es hat ja dann auch Unterstützung vonseiten der Landesregierung gegeben.

Warum treibt Sie persönlich das Thema so um - weil Sie den Fachkräfte-Nachwuchs brauchen?

Maas-Brunner: Nicht nur. Die Herausforderungen in Deutschland sind tatsächlich größer und komplexer, als sie früher waren. Wir müssen uns Richtung Klimaneutralität transformieren. Wir müssen das machen in einer immer digitaler und stärker automatisierten Welt. Und das während wir Wettbewerbsfähigkeit durch Randbedingungen verlieren, etwa durch die Energiepreise und die fehlende Infrastruktur für grünen Strom. Wir brauchen Innovation - und die muss in den Schulen anfangen. Wir müssen die richtigen Fähigkeiten fördern, zum Beispiel ganzheitliches Denken. Denn alles was wir machen, wird interdisziplinärer. Das sehe ich auch in der BASF.

In der BASF verlangen Sie gerade einiges an Lernbereitschaft von ihren Mitarbeitenden ab. Um klimaneutral zu werden, soll der Standort Ludwigshafen weg von fossilen Energien hin zu grünem Strom. Eine riesige Umstellung - wie vermitteln Sie das der Belegschaft?

Maas-Brunner: Weiterbildung, Qualifizierung ist für uns ein ganz wichtiges Thema. Innovation entsteht nicht nur in unseren Forschungslaboren. Es ist ja so, dass die Jobprofile sich inzwischen so schnell ändern, dass innerhalb weniger Jahre nur noch der Jobname unverändert ist. Wir schauen uns das gerade noch mal intensiv an, wie wir die Möglichkeiten zur Weiterbildung für diese Jobs hier etablieren. Manchen Menschen fällt Veränderung schwerer als anderen - aber wir müssen alle mitnehmen. Demnächst werden jedes Jahr etwa 1000 Menschen hier im Werk in Rente gehen, dazu kommt der schon bestehende Fachkräftemangel. Es wird tatsächlich jeder gebraucht.

Rund 700 Mitarbeitende verlieren Ihren angestammten Arbeitsplatz, weil BASF in Ludwigshafen mehrere Anlagen schließt, darunter eine Ammoniak- und die TDI-Anlage. Wie motivieren Sie die Betroffenen für einen neuen Job?

Maas-Brunner: Auch diese Menschen werden weiter gebraucht. Wir müssen jetzt die Hilfestellung geben, dass der Wechsel möglichst passgenau ist.

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Aber wie erreichen Sie Menschen, die frustriert sind, die plötzlich von vorne anfangen müssen?

Maas-Brunner: An der Stelle ist das Thema Führung extrem wichtig. Wir führen regelmäßig Entwicklungsdialoge. Dabei geht es nicht um den nächsten Karriereschritt, sondern ob man für die Stelle, die man ausübt, wirklich bereit ist. Was fehlt an Trainings? Vielleicht ein Englischkurs, eine Schulung an neuen digitalen Tools oder für neue Arbeitsmethoden? Da haben wir eine ganz große Werkzeugkiste erarbeitet. Wir nehmen für Weiterqualifizierung allein in Ludwigshafen zweistellige Millionenbeträge in die Hand.

Und es entstehen ganz neue Berufsbilder.

Maas-Brunner: Strom wird durch die Energiewende immer wichtiger in der BASF. Wir elektrifizieren unseren Standort. Da entstehen Berufsbilder, die es früher bei uns nicht gab. Gerade bauen wir einen unserer Steamcracker so um, dass er nicht mehr mit fossilen Brennstoffen, sondern mit Strom betrieben wird. Wir brauchen dafür sehr viel mehr Elektrotechniker. Dafür arbeiten wir mit Unis zusammen. Und wir verändern ständig unsere Ausbildungsinhalte.

Was können Sie als Arbeitsdirektorin tun, wie werben Sie für Veränderung in der BASF?

Maas-Brunner: Es ist ganz wichtig zu zeigen, wie der Standort Ludwigshafen in die Zukunft gehoben wird. Wir machen als Vorstand regelmäßig Townhall-Meetings, erklären, wo was passiert, beantworten viele Fragen. Zum Thema Innovation gehört immer das Thema Optimismus. Ja, wir haben schwere Zeiten in der Chemieindustrie, aber wir werden uns durchbeißen. Wir müssen auch über unsere Erfolge reden, über gelungene Innovationen. Wir brauchen eine gewisse Innovationsfreudigkeit - die will ich vermitteln.

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