Mannheim. Herr Engelhorn, auf die Corona-Schließungen folgte der Ukraine-Krieg und darauf eine hohe Inflation. Sind die Kunden immer noch vorsichtig?
Fabian Engelhorn: Die sprunghaft steigenden Energiepreise haben uns ja alle verunsichert. Natürlich war das für den Handel extrem spürbar. Man sieht es am GfK-Konsumklimaindex, der die Stimmung beim Konsum abbildet. Der ist weiterhin noch unter dem Niveau von 2019, aber jetzt zumindest stabil und sinkt nicht weiter. Das sehen wir auch in unseren Geschäften und bei den Frequenzen. Darauf kann man aufbauen.
Also geht es wieder aufwärts?
Engelhorn: Wir sind nicht auf der Insel der Glückseligen, weil wir in der Struktur des Handels in Mannheim einige Herausforderungen haben. Der Verkehrsversuch in der Innenstadt hat uns sehr zu schaffen gemacht. Wenn man mitten in einer lebendigen Innenstadt Straßen sperrt und einen Versuch durchzieht, der mangelhaft geplant und unterirdisch kommuniziert wird, dann merken das die Kunden. Wir leben als Oberzentrum von einem sehr großen Einzugsgebiet – und der Verkehrsversuch hat die Kunden extrem abgeschreckt. Es ist sehr ärgerlich, wenn man so sehr fremdbeeinflusst ist. Die vergangenen Jahre waren eine anstrengende und herausfordernde Zeit.
Der Verkehrsversuch ist ja schon seit einigen Monaten beendet – merken Sie, dass wieder mehr Besucher von außerhalb kommen?
Engelhorn: Wenn Menschen einmal gelernt haben, dass es schwierig ist, in die Stadt zu kommen, müssen sie sich erst einmal wieder umorientieren. Da gibt es einen Zeitverzug. Wir haben viele Stammkunden, die sind einmal pro Woche oder dreimal im Monat gekommen. Die kommen jetzt etwas weniger oft. Vielleicht bleiben sie dann etwas länger hier – oder aber sie verändern ihr Einkaufsverhalten Richtung online.
Zurzeit gibt es viele Baustellen. Schreckt das auch die Kundschaft ab?
Engelhorn: Es ist ja gut, dass die Stadt in Infrastruktur investiert, Rheinbrücken, BBC-Brücke – das ist überlebenswichtig für die Stadt. Oder in den Umbau der Seitenstraßen der Planken. Da gibt es mal ein paar Tage Störungen, aber das ist absehbar. Es ist gut geplant und danach ist es schöner. So etwas muss man als Unternehmer unterstützen, damit wir hier wirtschaften können. Trotzdem haben wir in der Innenstadt noch einige strukturelle Herausforderungen, etwa, was die Galeria-Immobilie am Paradeplatz betrifft.
Die Galeria-Filiale soll Ende August schließen. Oberbürgermeister Christian Specht sieht noch Hoffnung, die Filiale zu erhalten. Falls das nicht klappt und es keinen Warenhaus-Standort mehr in Mannheim gibt, wie sehen Sie die Folgen für die Innenstadt?
Engelhorn: Es ist immer schwierig, wenn in so einer zentralen Lage ein Warenhaus-Standort wegfällt. Für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Innenstadt insgesamt. Allerdings können sich auch daraus neue Chancen ergeben. In einigen Innenstädten, in denen Filialen schon vor längerer Zeit geschlossen wurden, wurden sehr interessante Konzepte entwickelt, die das Leben in der Stadt positiv beflügeln. Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn das in unserer Stadt auch gelänge.
Sie haben von den vielen Faktoren gesprochen, die Sie als Unternehmer nicht beeinflussen können. Wie reagieren Sie darauf?
Engelhorn: Wir feiern nächstes Jahr 135. Geburtstag und konzentrieren uns wieder mehr auf unsere eigenen Stärken: Wir wollen unsere Marke stärken und Engelhorn als den Ort, wo man shoppen geht, herausstellen. Die Kunden und Gäste sollen wegen Engelhorn kommen und sich bei uns aufhalten. Das ist unser Ziel. Am Ende verkaufen wir auch Erlebnis, Emotionen und Freizeitwert. Ein weißes Hemd bekomme ich auch online, auch bei uns. Wir merken, wie alle wieder Freude haben, sich zu treffen und Events zu erleben. Das kann Livemusik sein, eine Modenschau, ein Wein-Tasting oder unser Gourmet-Festival.
Das heißt, die Event-Schiene bauen Sie aus?
Engelhorn: Ja. Auch im Sportbereich werden wir das, was wir in den letzten Jahren aus wirtschaftlichen Gründen etwas zurückgefahren haben, wieder ausbauen. Wir wollen ein Sporthaus mit Trainingsgruppen, Workshops und Kooperationen wie etwa mit dem Olympiastützpunkt. Diese jungen Sportler, das Team Paris zum Beispiel, sind für unsere Kunden authentische Partner. Wir wollen ein Treffpunkt sein, eine Brücke zwischen Handel, Gastronomie und Sport. Wir dürfen die Innenstädte nicht kleinreden. Gerade in den USA sieht man eine Renaissance der Innenstädte nach europäischem Vorbild. Wir sind hier ein Oberzentrum, müssen nur einige Dinge intelligenter machen in Mannheim.
Was denn?
Engelhorn: Wir sind mit einem Einzugsgebiet von 60, 70 Kilometern in Mannheim darauf angewiesen, dass unsere Kunden zu uns gelangen. Wir müssen die Angebote für Nah- und Individualverkehr perfekt aufeinander abstimmen. Der Parksuchverkehr ist zum Beispiel sehr lästig, da müssen wir bessere, gezielte Angebote machen, Verkehrsströme besser steuern. In anderen Städten kann ich mir zum Beispiel vorab einen Parkplatz für ein bestimmtes Zeitfenster reservieren. Und dann können wir auch über die Gestaltung der Parkgebühr reden. Da würde der Handel gerne mitreden, zum Beispiel Angebote zur Rückvergütung machen oder einen Shopping-Termin mit einem Gratis-Parkplatz verknüpfen.
Modeshaus Engelhorn
- Das Mannheimer Modehaus wurde 1890 gegründet und wird heute in der vierten Generation von Fabian Engelhorn geführt.
- Im Februar 2024 hatte das Unternehmen bekanntgegeben, dass sich die beiden anderen Geschäftsführer, Andreas Hilgenstock und Simon Engelhorn, aus dem operativen Geschäft zurückziehen und in den Aufsichtsrat wechseln.
- Das Unternehmen beschäftigt rund 1000 Menschen.
- Im Geschäftsjahr 2022/23 lag der Umsatz bei 193,3 Millionen Euro, ein Plus von 20,5 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr. Damit liegen die Umsätze wieder fast auf dem Vorpandemieniveau (202,3 Millionen Euro in 2019/20). cs
Sie haben die Schuhabteilung ausgebaut, sich mit Läderach einen Chocolatier ins Haus geholt, jetzt kommt die Parfümerie Schuback. Verliert die Mode in Ihren Häusern an Bedeutung?
Engelhorn: Das hängt mit dem Ziel zusammen, Erlebnis-Shopping zu bieten, die Neugier zu wecken. Dafür braucht es ein vielfältigeres Angebot als früher. Wir müssen aber nicht alles selber machen. Indem wir Partner ins Haus holen, die unsere Produkte ergänzen, stärken wir unsere Dachmarke. Das Thema Genuss etwa wird immer wichtiger, da passt ein Läderach mit toller Schokolade einfach gut – und bringt auch neue Kunden zu uns. Und Modemarken wie Burberry und Dorothee Schumacher, die vorher als Shop im Erdgeschoss vertreten waren, verlassen ja unser Haupthaus nicht, sondern ziehen in das vierte oder fünfte Obergeschoss. Wir haben in der schwierigen Corona-Zeit viel überlegt, wie wir neue Überraschungen schaffen können. Da wird noch einiges kommen.
Verraten Sie schon mal was?
Engelhorn: Wir haben zum Beispiel einen neuen Auto-Partner gefunden. Wir hatten ja Tesla als ersten Händler im Haus gehabt, jetzt kommt Aston Martin mit einem Showroom.
Das ist schon eine höhere Preisklasse. . .
Engelhorn: Klar, das ist ein Auto, das sich nicht jeder leisten kann. Aber diese Atmosphäre um Aston Martin, das unglaublich schöne Design, das Britische, die Verbindung zu James Bond – das hat schon ein besonderes Flair. Das passt gut zu uns.
Kommen wir nochmal zum Geschäft. In den Corona-Jahren hatte Engelhorn Verluste wegen der Ladenschließungen geschrieben. Wie war das Geschäftsjahr 2023/24?
Engelhorn: Es war immer noch sehr herausfordernd. Aber wenn sich die Nachfrage wie erwartet stabilisiert, werden sich die Zahlen für das laufende Geschäftsjahr auch verbessern. Wir brauchen jetzt wieder – wie der gesamte Handel – ein paar gute Jahre, um unsere Reserven aufzufüllen. Denn das Fleisch am Knochen ist in den letzten vier Jahren schon weniger geworden.
Wie läuft es online?
Engelhorn: Da haben wir unsere Strategie sehr stark überdacht. Wir haben unsere Präsenz auf anderen Plattformen massiv zurückgefahren. Wir wollen unsere Kunden auf engelhorn.com sehen. Die Plattformen sind mittlerweile sehr teuer geworden, und dort sind die Retourenquoten sehr viel höher. Wir verzichten bewusst auf Umsatz, dafür steht jetzt die Wirtschaftlichkeit mehr im Vordergrund. Das Online-Geschäft ist nach wie vor herausfordernd: Der Preisdruck ist sehr hoch, weil zu viel Ware auf dem Markt ist.
Das heißt, Sie sind noch nicht aus der Verlustzone raus, weder online noch stationär?
Engelhorn: Wir haben immer noch damit zu tun, die Vergangenheit aufzuarbeiten und wollen Gas geben. Deshalb haben wir uns auch entschieden, außerhalb von Mannheim zu expandieren, um unsere Kunden auch künftig zu erreichen. Weil wir nicht mehr sicher sein können, wie die Mannheimer Politik über die Mannheimer Innenstadt denkt. So sind wir auf das Projekt in Mainz gekommen, wo wir ab 2026 mitten in der Innenstadt mit einem Sport- und Outdoor-Angebot Ankermieter sein werden. Sie sehen, wir bleiben Innenstadt-Fans trotz manchem Gegenwind.
Was investieren Sie in Mainz?
Engelhorn: Das wird ein mittlerer siebenstelliger Betrag sein.
Sie haben vor einem halben Jahr außerdem einen Test mit einem Engelhorn-Outlet in der Ludwigshafener Rheingalerie gestartet. Wie geht es da weiter?
Engelhorn: Das war schon ein Sprung für uns – ich bin ja ein Mannheimer Kind. Deshalb haben wir erstmal mit einem Outlet getestet. Wir sind immer noch in der Testphase. Es läuft überraschend gut, es kommen viele Menschen, die uns so noch nicht wahrgenommen haben. Wir erschließen uns also neue Zielgruppen. Den Mietvertrag mit der Rheingalerie haben wir jetzt erstmal um einige weitere Monate verlängert. Jetzt geht es darum, mit welchem Konzept wir langfristig weitermachen wollen.
Ihre Cousins Simon Engelhorn und Andreas Hilgenstock haben im Februar die Geschäftsführung verlassen. Sie sind dort jetzt der alleinige Vertreter der Familie – fühlen Sie sich einsam?
Engelhorn: Nein, mit dem neuen Team läuft es gut, manche Entscheidungen gehen sogar schneller. Auch ein Mittelständler muss es doch hinbekommen, in schwierigen Zeiten neue Strukturen zu schaffen. Es geht ja um das Beste für die Firma, das wollen wir auch in der vierten Generation beweisen. Simon wollte sich noch einmal neu orientieren, und da muss doch klar sein: Ein Familienunternehmen darf nicht einschränken. Und Andreas Hilgenstock ist in den Ruhestand gegangen und ist noch in einigen Gremien für uns dabei, um zum Beispiel die Innenstadt zu stärken. Dass wir das gemeinsam beschlossen haben und uns einig sind, zeigt doch die Tatsache, dass die beiden weiterhin Gesellschafter sind und mich im Aufsichtsrat unterstützen. Nur ihre Rollen haben sich verändert.
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