Mannheim. Wegen gewerbsmäßigen Computerbetrugs in Zusammenhang mit dem Abrechnen von Corona-Bürgertests während der Pandemie hat das Mannheimer Landgericht einen 34-Jährigen zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Der in der Quadratestadt gebürtige Mann aus Ludwigshafen hatte in Baden-Württemberg teils allein, teils mit Sub-Kooperationspartnern ein halbes Dutzend Teststationen betrieben und von der Kassenärztlichen Vereinigung insgesamt 1,7 Millionen Euro überwiesen bekommen – ehe eine weitere Auszahlung von der misstrauisch gewordenen KV gestoppt wurde.
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In der mündlichen Urteilsbegründung am Donnerstagnachmittag erklärt die Vorsitzende Richterin Christiane Loos, dass die Wirtschaftsstrafkammer den tatsächlichen Vermögensschaden auf 940 000 Euro schätze. Es sei schwierig festzustellen, wie viele der geltend gemachten Virus-Tests erbracht und wie viele frei erfunden wurden. Das Gericht habe zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser geständig war. Allerdings seien manche Erinnerungslücken nicht nachvollziehbar und manche Aussagen unglaubwürdig gewesen.
Kadir B. muss für Plünderung öffentlicher Kassen zahlen
Die Kammervorsitzende gestand Kadir B. zu, dass er anfangs ohne große kriminelle Energie, mit nur einigen „Computer-Klicks“ an viel Geld kommen konnte. Gleichwohl gelte es strafrechtlich zu berücksichtigen, dass in einer Gesundheitskrise und damit Notlage „Vertrauen missbraucht“ und „öffentliche Kassen geplündert wurden“. Die Richterin weist darauf hin, dass der Angeklagte Bargeld in Höhe von 930 000 Euro abgehoben hat, um damit Automatenspiele, Alkohol, Kokain und Eskapaden zu finanzieren. Anders ausgedrückt: Von dem unrechtmäßig kassierten Geld ist nichts mehr da. Dass mit Blick auf andere Urteile, die am Mannheimer Landgericht wegen Betrugs mit Corona-Testzentren gefällt wurden, die Haftstrafe vergleichsweise gering ausfällt, hat auch mit dem schlechten Gesundheitszustand des herzkranken Mittdreißigers zu tun.
Einige Stunden vor der Urteilsverkündung wird verlesen, dass Kadir B. abgesehen von einem Strafbefehl wegen Beleidigung bislang nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Vormittags halten die Anklägerin und der Verteidiger ihre Plädoyers. Bewertungen und Strafvorschläge driften weit auseinander. Während sich Staatsanwältin Laura Müller für eine Gefängnisstrafe von vier Jahren und fünf Monaten ausspricht, hält Rechtsanwalt Alexander Klein eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren in Kombination mit einer Geldstrafe für angemessen. Dass die Beweisaufnahme die Anklagevorwürfe bestätigt hat – darüber herrscht in beiden Schlussvorträgen Einigkeit.
Ohnehin hatte der 34-Jährige schon vor Prozessbeginn eingeräumt, von Anfang an „beschissen“ zu haben. Die Staatsanwältin stellt den hohen Vermögensschaden zu Lasten der Allgemeinheit in den Mittelpunkt und legt erhebliche Tricksereien zur Last. Verteidiger Klein schildert hingegen, wie sein Mandant immer tiefer in den Betrug rutschte – auch weil ein solcher anfänglich „extrem leicht gemacht worden ist“. Und weil Glücksspiel, Trinken und Kokain seinen Mandanten auch ohne Sucht im medizinischen Sinne zunehmend verändert hätten. Der Verteidiger hält auch deshalb eine Bewährungsstrafe für angemessen, weil die schwere Herzerkrankung seines Mandanten im Gefängnis drohe, riskant aus dem Ruder zu laufen.
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