Mannheim. Manchmal blitzt auch in Wirtschaftsstrafprozessen, die üblicherweise als trocken gelten, das pralle Leben auf: Beispielsweise als der Angeklagte, dem Millionenbetrug in Zusammenhang mit dem Betrieb von Corona-Teststationen während der Pandemie zur Last gelegt wird, erzählt, wie er Bündel von Geldscheinen zwischen Jacke und Körper trug, um diese etwa für Automatenspiele, Alkohol und Kokain auszugeben.
In dem Anfang November am Mannheimer Landgericht gestarteten Verfahren hat die Wirtschaftsstrafkammer zum Ende der Beweisaufnahme noch einmal viele Zeugen geladen - vor allem solche, deren Namen auf Listen (angeblich) auf Covid getesteter Männer und Frauen stehen. Allerdings sind viele der Gerichtsbriefe als unzustellbar zurückgekommen. Eine junge Frau berichtet, dass sie sich während der Virus-Pandemie des Öfteren auf eine mögliche Infektion habe untersuchen lassen. Sie bestätigt auf ihr gezeigten Listen mehrere Namen aus der eigenen Familie - allerdings bemerkt die 21-Jährige Falschschreibungen, außerdem unkorrekte Geburtsdaten.
Ein früherer Freund des in U-Haft sitzenden Angeklagten schildert, wie sich jene Ausflüge abspielten, wenn er mit Kadir B. auf dessen Kosten in Ludwigshafen und Mannheim „feiern ging und Spaß hatte“. Mehrere tausend Euro seien jeweils an solchen Abenden ausgegeben worden. In manchen Lokalitäten mit Spielautomaten, die auch 50-Euro-Scheine nehmen, hätte man sich als Stammgäste die Musik wünschen dürfen, manchmal habe eine Bar eigens für Kadir B. und ihn länger als sonst geöffnet.
Der Angeklagte musste seine Eigentumswohnung verkaufen
Aus seiner Befragung geht hervor, dass auch reichlich Geld für Drinks oder für ganze Flaschen Wodka, die zwischen 80 bis 150 Euro kosteten, ausgegeben wurde. Der Zeuge erzählt, „auf die Schnauze gefallen zu sein“, nachdem der Kontakt zu dem spendablen wie prahlerischen Kumpel „komplett weggebrochen war“.
Zwischendurch habe er auf dem Weg zur Arbeit frühmorgens Pfandflaschen zum Einlösen gesammelt - „bis ich wieder mein Leben Griff hatte“. Die Aussage des Kumpels ist insofern von Bedeutung, als sie eine Ahnung davon gibt, wohin das mit den Testzentren erworbene Geld geflossen ist. Dass schon bald alles verprasst gewesen sein dürfte, dafür spricht auch, dass Kadir B. - er ist verheiratet und Familienvater - seine Eigentumswohnung verkaufen musste.
Streifzug durchs Nachteleben nicht ohne Kokain
Der Angeklagte bestätigt sämtliche Schilderungen des Freundes, auch jene zum Kokainkonsum. Alle zwei bis drei Stunden habe er bei nächtlichen Streifzügen durch die Glitzerwelt der Glücksspielautomaten ein Gramm der Droge konsumiert. Wie er an das Kokain gekommen ist, erkundigt sich die Kammervorsitzende Christiane Loos. Als Plomben direkt ins Lokal, so der Mittdreißiger. Ob es so etwas wie einen Drogen-Lieferservice gebe, will die Richterin wissen. Der Angeklagte nickt - „für Kunden wie ihn schon“.
Am Landgericht läuft nicht der erste Prozess wegen Betrugs rund um abgerechnete, aber nicht erbrachte Corona-Tests. Laut Anklage sind an Kadir B. für sieben von ihm in Baden-Württemberg allein oder mit Partnern betriebene Covid-Testzentren 1,69 Millionen Euro geflossen. Vermutlich werden am 12. Dezember die Plädoyers gehalten.
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