Das Wichtigste in Kürze
- Max Burger will Mannheim zur Kryptohauptstadt machen.
- Experten sind skeptisch gegenüber Kryptowährungen.
- Das Interesse an Krypto-Zahlungen ist derzeit gering.
Mannheim. In der Quadratestadt wird gerade groß gedacht. Krypto-Enthusiast Max Burger will Mannheim zu Deutschlands Kryptohauptstadt machen. Auf den ersten Blick klingt das wie ein Marketing-Gag, doch Burger meint es ernst. Unter dem Dach der Initiative „Kryptostadt Mannheim“ sollen bald mehr als 250 Cafés, Restaurants und Geschäfte Währungen wie Bitcoin, Nimiq oder Tether akzeptieren. Bislang machen rund 30 Händler mit.
Gemeinsam mit der Mannheimer Werbeagentur Publik hat Burgers Initiative jetzt eine Kampagne gestartet. „Doi Mudda zahlt mit Krypto! Und du?“, prangt seit Mitte März auf Litfaßsäulen im Stadtbild. Das Motiv ist KI-generiert, es zeigt eine 72-jährige Dame namens Bertha: Schrill gekleidet, strahlendes Lächeln, mindestens ein Dutzend Perlenketten um den Hals. Sieht so eine stereotype Krypto-Nutzerin aus?
Welches Ziel Max Burger verfolgt
Ausgerufenes Ziel ist es, Neugier zu wecken – ausdrücklich bei Menschen, die noch nie etwas mit dem Thema am Hut hatten. „Wir möchten niemandem sagen: Kauf Kryptowährungen, spekuliert irgendwie damit. Auf gar keinen Fall!“, will sich Max Burger verstanden wissen. Vielmehr möchte er zeigen, wie einfach Zahlungen mit digitalen Währungen doch seien. App installieren, 20 Euro in Krypto umwandeln, die Wertentwicklung beobachten und ein Gefühl dafür entwickeln. So ein Nutzerverhalten ist die Idealvorstellung von Burger. Und er wünscht sich, eines Tages das Interesse von 90 Prozent der Bevölkerung zu gewinnen.
Dazu versucht er es mit aufwendigen YouTube-Filmen, Merchandise, sogar einem eigenen Song. „Shoppen, essen, was erleben“, textet der und fragt: „Spürst du schon das Krypto-Beben?“
Mehr aber verrät die entscheidende Phrase zuvor: „Verwalte jetzt dein eig’nes Geld, und gib es aus, wie’s dir gefällt“, reimt die weibliche Stimme. Das ist der springende Punkt, der zumindest die Herzen von Krypto-Fans höher schlagen lässt: Eine dezentrale Währung ohne staatlichen Einfluss – und ohne Einfluss von Banken, die über ein finanzielles Limit verfügen könnten.
Die vermeintliche „Revolution“ der Kryptowährungen, wie sie Befürworter sehen, liegt in der vollen Kontrolle über das eigene Geld. Nutzer können ihr digitales Vermögen jederzeit ohne Mittelsmänner transferieren, unabhängig von Öffnungszeiten oder Ländergrenzen. Genau diese Unabhängigkeit finden viele attraktiv. Max Burger nennt sie in einem Atemzug mit Freiheitsliebe und spricht von einer wertebasierten Entscheidung, die stark von persönlichen Überzeugungen geprägt sei. „Natürlich gehört ein gewisses Maß an Verrücktheit und Spaß dazu, dafür steht die Krypto-Community auch“, ergänzt er.
Wie Experten an der Universität auf die Kryptostadt-Initiative blicken
Dass die Kryptostadt-Initiative in Mannheim den ersten Funken einer Zukunft entzündet, in der Bitcoin einst den Zahlungsverkehr dominieren wird, sieht Stefan Scharnowski nicht. Er forscht an der Universität Mannheim zur Regulierung von Kryptowährungen an Börsen. Unklar ist ihm, wen die Kampagne genau adressieren soll – auch wenn er neue Sichtbarkeit für digitale Währungen positiv bewertet.
„Ökonomen, mich eingeschlossen, sind ein bisschen skeptisch Bitcoin gegenüber“, meint Andreas Gulyas, der eine Juniorprofessur für Makroökonomik innehat. Es gebe gute Gründe für Währungen mit staatlicher Identität im Hintergrund: „Private Zahlungsmittel haben sich in der Vergangenheit oft als sehr instabil erwiesen“, blickt Gulyas auf die vielen Banken- und Finanzkrisen des 19. Jahrhundert.
Dazu weist er darauf hin, dass Bitcoin-Zahlungen sehr ressourcenaufwendig sind: „Wir könnten physisch heute nicht alle Transaktionen, die wir durchführen, mit Bitcoin durchführen.“
Bitcoin sei im Moment Spekulationsobjekt – weil manche darauf setzen und hoffen, dass es einmal etabliertes Zahlungsmittel wird. Ob es sich tatsächlich durchsetze, werde die Zukunft zeigen. harm
Dass diese Freiheit mit Risiken einhergeht, fällt ihm schwer zuzugeben. Tatsächlich sind Kryptowährungen bekannt für teils extreme Kursschwankungen – ein Bitcoin kann heute 80.000 Euro wert sein und in wenigen Wochen drastisch fallen oder steigen. Diese fehlende Wertbeständigkeit als Nachteil dahinstellen möchte Burger nicht: „Es schwankt eben.“ Er meint, dass eine andere Form von Verständnis nötig sei als bei traditionellen Währungen, damit umzugehen. Das kann er aber schwerlich in Worte fassen: „Es fühlt sich mit der Zeit ehrlich gesagt natürlicher an, als die Problematik klingt, wenn man darüber spricht.“ Unbestritten bleibt, dass der Preis in Krypto sogar davon abhängen kann, an welcher Position man in der Kassenschlange steht – und dass man beim Bäcker um acht Uhr eine andere Anzahl Brötchen bekommen könnte als um zwölf Uhr.
Bisher quasi keine Krypto-Zahlungen
Rund zehn Millionen Menschen besitzen in Deutschland Kryptowährungen – meist, indem sie ein Teil ihres Vermögens darin investiert halten und auf steigende Kurse spekulieren. Das Interesse, Bitcoin auch im Alltag als Zahlungsmittel zu nutzen, ist dagegen schwindend gering. Carmen Schnejdar vom Home Town Glory Shop in Q6 Q7, der Handelspartner der Kryptostadt-Initiative ist, hat bislang keine Krypto-Zahlung verbucht – außer einer, die Max Burger selbst zu Vorführzwecken tätigte.
Gleiches berichten Bettina Krieg und Corina Presinger in einem Mode-Geschäft zwei Ecken weiter. „Haben Sie schon mit Krypto bezahlt?“, fragt Presinger schmunzelnd zurück. „Das dauert noch ein paar Jahrzehnte.“
Dass es schneller geht, bis Bitcoin im gleichen Atemzug wie Apple Pay genannt werden könnte, dafür will Max Burger vieles versuchen. Dass Krypto allein jemals die Zukunft unseres Geldsystems werden könnte – auch erst in vielen Jahrzehnten –, hält selbst er für utopisch.
„Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden“, argumentiert Psychologe Kai Weidlich. Er betreut die Krypto-Kampagne bei der Agentur Publik. Dass die Währung der Zukunft digital ist, steht für ihn fest – aber dass es zwangsläufig Krypto sein muss, verneint er.
„Da wird viel Marketing um Nichts gemacht“
Swen Rubel, Geschäftsführer beim Handelsverband Nordbaden, findet: „Auch wenn ,Moi Mudda‘ mit Krypto bezahlen würde, heißt das lange nicht, dass das Thema in Mannheim besondere Relevanz hätte.“ Seine Perspektive aus Sicht des Handels: „Da wird viel Marketing um Nichts gemacht.“
Christiane Ram, bei der Stadt Mannheim zuständig für Wirtschaft, teilt mit: „Interessante Initiativenentwicklungen werden von uns mit Interesse begleitet und verfolgt.“ Doch ein offizielles Logo der Stadt, mit dem die etwa signalisieren könnte, dass sie tatsächlich Kryptohauptstadt werden will, lässt sich auf den Seiten der Kryptostadt-Initiative noch nicht blicken.
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